Hühner im eigenen Garten:Kein Haustier zum Kuscheln und Auf-den-Arm-Nehmen

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Es gackert in den Gärten: Immer mehr Menschen halten Hühner als Haustiere. Sie erzählen, was ihr Federvieh und ihre Beziehung so besonders macht. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Geflügel als Haustier liegt voll im Trend. Spätestens seit Beginn der Corona-Pandemie holen sich immer mehr Leute Eierlieferanten in den eigenen Garten. Doch Huhn ist nicht gleich Huhn, wie die Halter betonen.

Von Veronica Bezold, Bad Tölz-Wolfratshausen

Spaziergänge im Oberland offenbaren den Trend: Nicht länger nur auf Weiden oder auf Bauernhöfen gackert es plötzlich. Auch aus Gärten in Wohngebieten und manchmal sogar von Balkonen lässt sich das typische Geräusch vernehmen. Immer mehr Menschen erfüllen sich einen Traum und halten Hühner nicht als Nutztiere, sondern als Haustiere mit Mehrwert. "Lasterweise" würden die angebotenen Hühner regelmäßig am Iffeldorfer Landmarkt abgeholt, sagt Markus Bocksberger. Als er dort vor etwa einem Jahr seine eigenen sechs Hennen erwarb, habe ihm der Verkäufer dafür einen Grund genannt: Corona. "Die Leute haben neue Hobbys für zu Hause gesucht."

Für Bocksberger haben die Hühner aber auch einen praktischen Nutzen. Seit er sie hält, werden die Kuchen für sein Café Extra in Penzberg nämlich aus hauseigenen Eiern gebacken. Zwischen vier und sechs Stück lege eine seiner Hennen pro Woche. Je nach Rasse seien die Erträge mal dunkelbraun, mal hellbraun, mal farbig. "Wir haben sechs verschiedene Rassen", erzählt Bocksberger. Darunter auch eine Druffler Haube mit ihrem "Punkerschopf" auf dem Köpfchen. Wirklich lukrativ sei die Hühnerhaltung aber nicht. "Das ist sie erst ab einer bestimmten Menge an Hühnern", sagt der Café-Betreiber und Zweite Bürgermeister Penzbergs (PM). Für Stall, Gehege und Draht seien damals "mal locker 1000 Euro" ausgegeben worden. Auch die Kosten für das Bio-Futter dürfe man bei seinen Hennen nicht unterschätzen. Hochrechnen ließe sich das nur schwer, aber "es wäre auf jeden Fall günstiger, wenn wir die Eier im Supermarkt kaufen würden".

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In ihrem großen Gehege hätten die Tiere zwar viel Auslauf, während des letzten Ausbruchs der Vogelgrippe mussten jedoch auch sie im Stall ausharren. Das sei "sehr nervig und auch für die Hühner nicht so lustig gewesen". Alle drei Monate müsse er seine gefiederten Schützlinge außerdem "einpacken und zum Tierarzt fahren" - die obligatorische Impfung steht dann jeweils an. Neben Krankheiten stellen andere Tiere die größte Gefahr für Hühner dar. Um Ratten und Mäuse fernzuhalten, müsse man darauf achten, das Futter nicht am Boden herumliegen zu lassen. Allerdings wüssten seine Hennen sich gegen solch kleine Eindringlinge durchaus zur Wehr zu setzen. "Die verstehen da keinen Spaß", ist sich Bocksberger sicher. Außerdem sei das Gehege so einbruchssicher, dass es bis jetzt auch noch keinen "Fuchstodesfall" gegeben habe. "Das ist Fort Knox", scherzt er.

Die Namen seiner Hennen reichen von Poulet bis Kana. Alle sechs bedeuten das Gleiche, nämlich "Huhn" - aber in verschiedenen Sprachen. Am liebsten schaue er Poulet und ihren gackernden Kolleginnen einfach nur zu, sagt Bocksberger. "Man hockt sich hin und kommt mal runter." Das sei extrem entspannend, meint der Kommunalpolitiker. "Sie sind einfach schön anzuschauen." Trotzdem wünsche er sich keinen Hühnernachwuchs - anders als Rafaela Eimer.

Vor ziemlich genau einem Jahr sehnte sich die damals zehnjährige Ickingerin nach ein paar gefiederten Freunden. Kurzerhand sorgte sie dafür, dass sich ihre Familie mit den Nachbarn zusammenschloss, und marschierte eigenständig ins Rathaus, um die Hühnerhaltung auf der Ausgleichsfläche der gemeinsamen Siedlung zu beantragen - mit Erfolg. Die drei Familien am Hinteren Moos sind nun stolze Besitzer von zehn Hennen. "Alles wird geteilt", sagt Karen Wolfermann-Hartl über die Versorgung der Tiere und den finanziellen Aufwand. Neben weiteren ist auch ihre Familie in Rafaelas Projekt eingestiegen. Hier packe jeder mit an.

Genau wie Markus Bocksberger hat sich der Ickinger Familienverband bewusst gegen die Haltung eines Gockels entschieden. Man wisse ja nie genau, wie laut die werden können, erklärt Wolfermann-Hartl. "Wir wollten niemanden verärgern." Trotz ihrer Gleichgeschlechtlichkeit ist die Hühnertruppe ziemlich divers: zwei Sussex, drei Rhodeländer, eine Marans und eine Vorwerk zählt Rafaela Eimer auf. Spannend ist die Araucana. Die zutrauliche Rasse aus Südamerika hat kein Schwänzchen, dafür aber abstehende Federn an den Backen. Außerdem legt sie grüne Eier.

Erst neulich habe es in der Ickinger Siedlung drei Hühner-Neuzugänge gegeben, "weil letztes Jahr leider zwei Sussex und eine Italienerin vom Habicht geholt wurden", erzählt Eimer. Womöglich sei es aber einmal auch der Mader gewesen, meint Karen Wolfermann-Hartl. Um die Lieblinge der Kinder vor weiteren Angriffen zu schützen, sei der Stall nachgebessert worden.

Zwar werden die gelegten Eier unter allen Haltern aufgeteilt und anschließend verspeist, die Hühner zu schlachten komme aber nicht in Frage. Immerhin haben die Kinder jeder Henne ihren eigenen Namen zugeteilt. Daphne, Chantal, Lotte oder Uschi zu schlachten, "das wäre ein Drama", sagt Wolfermann-Hartl. Wegen der Kinder hätten die Familien sich außerdem vor allem nach Hühnern umgeschaut, die weniger nervös und dafür robuster sind. Die Druffler Haube habe aus diesem Grund nicht zur Wahl gestanden. Rafaela empfiehlt stattdessen die Sussex-Hühner. Auch die Rhodeländer machten sich sehr gut. "Die lassen sich auch von den Kindern hochnehmen", sagt Wolfermann-Hartl.

Den Trend zum Huhn als Haustier kann sie gut nachvollziehen. "Es ist bestimmt auch der Gedanke, sich in einem gewissen Maß selbst zu versorgen - selbst wenn es nur die Eier sind." Die Zuneigung, die einem die Tiere zurückgeben, überwiegt ihrer und Rafaelas Meinung nach aber deutlich. Außerdem lernten die Kinder durch die Hühner einiges über den Umgang mit Tieren und Verantwortung. Sie haben ihre gefiederten Freunde so lieb gewonnen, dass sie sich Hühner-Nachwuchs wünschen. Eine Aufzucht von Küken wäre aber in vielerlei Hinsicht kompliziert, weshalb sich Rafaela und die anderen Kinder der Siedlung wohl noch gedulden müssen. "Vielleicht irgendwann", macht Karen Wolferman-Hartl Hoffnung.

Freundliche Nachbarn

Für Hermann Fagner gehört Hühnernachwuchs längst zum Alltag. "Wir hatten früher eine Landwirtschaft, und da haben wir natürlich auch Hühner gehabt", erzählt der Geltinger. Fast 60 Jahre sei es also schon her, dass er angefangen habe, die Tiere hobbymäßig zu züchten. Heute vermehren sich unter seiner Obhut fünf bis sechs verschiedene Rassen - darunter auch die Sebright, eine der kleinsten Hühnerarten der Welt.

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Ungefähr ein Dutzend Tiere halte er am Haus, ein weiteres auf einer Koppel nebenan. "Das sind Hühner und Hähne", betont Fagner. Wegen des Krähens der Gockel hätten sich die Anwohner noch nicht beschwert. Die seien zu einem großen Teil Mieter bei ihm und müssten deshalb schon im Mietvertrag unterschreiben, dass er sie auf ihre geräuschintensiven Nachbarn im Federkleid hingewiesen hat. Außerdem bekämen sie auch immer wieder einige der gelegten Eier geschenkt. Neben hühnerfreundlichen Nachbarn brauche man, so der Geltinger, für die private Hühnerhaltung außerdem einen Garten mit mindestens 50 oder 60 Quadratmetern sowie einen Stall. "Alleine sollte man Hühner auch nicht halten, sondern immer in einer Gruppe von mindestens etwa drei." Das sei natürlich auch ohne Hahn möglich.

Schon seit Jahren, so Fagner, hielten sich immer mehr Leute auf dem Dorf, aber auch in Stadtgärten Hühner. "Wenn der Platz da ist, ist das kein Problem", findet er. Aus diesem Grund gibt er seine Aufzucht auch häufig an Privatpersonen ab. Fragt man Hermann Fagner, wie arbeitsintensiv die Hühnerzucht denn sei, lacht er nur und meint: "Gar nicht!" Es sei "das Einfachste der Welt". Täglich für frisches Wasser und Futter sorgen - das sei es auch schon. Die Anschaffung von Hühnern als Beschäftigung für Kinder sieht Fagner jedoch kritisch. "Hühner sind nicht unbedingt ein gutes Haustier, zum Anschauen vielleicht schon, aber zum Kuscheln und Auf-den-Arm-Nehmen eher nicht." Das vertrügen die Tiere nicht allzu gut. Viele seien zwar zahm und fräßen sogar aus der Hand, hochnehmen würde Fagner sie aber "seltenst".

Das Beste an seinen Hühnern sei die Freude auf die Eier. Die seien nämlich äußerst schmackhaft. "Ob man ein Ei von einem freilaufenden Huhn isst oder von einem eingesperrten Tier, ist ein Unterschied wie Tag und Nacht!"

Auch Hans Fichtner, Vorsitzender des Tierschutzvereins Bad Tölz, betont: "Hühner brauchen Auslauf!" Die Tiere müssten scharren, sich ihre kleinen Mulden bauen und Sandbäder gegen Parasiten nehmen können. Zudem bestehe nicht nur eine Impf-, sondern auch eine Meldepflicht für die gefiederten Tiere. Privatpersonen sollten, so Fichtner, also auf jeden Fall sicherstellen, Hennen und Hähne artgerecht zu halten und die Vorgaben des Veterinäramts gewissenhaft zu befolgen - dann stehe den selbst produzierten Ostereiern nichts im Weg.

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