Zweckentfremdung:Stadt droht Airbnb 300 000 Euro Strafe an

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Wer auf Airbnb eine Wohnung mietet, ist willkommen. Dem Mietmarkt dagegen schadet das. (Foto: Jens Kalaene/dpa)
  • Es ist in München verboten, ganze Wohnungen mehr als acht Wochen im Jahr an Feriengäste zu vermieten.
  • Die Stadt vermutet, dass bis zu 1000 Inserate auf der Vermittlungsplattform Airbnb in diese Kategorie fallen. Sie will von Airbnb nun die Adressen und Namen der Anbieter erfragen.
  • Grundlage ist das bayerische Zweckentfremdungsgesetz. Bisher hat das Unternehmen auf einen Bescheid der Stadt nicht reagiert.

Von Anna Hoben

Die Stadt München lässt wenig unversucht im Kampf gegen die Zweckentfremdung von Wohnraum. Nun legt sie sich mit der Vermittlungsplattform Airbnb an. Sie fordert umfassende Auskünfte über jene Wohnungen, die komplett und mehr als acht Wochen im Jahr zur Vermietung an Feriengäste angeboten werden. Dies ist verboten.

Die Stadt schätzt, dass auf Airbnb bis zu 1000 Inserate in diese Kategorie fallen und will nun die Adressen der Wohnungen und Namen der Vermieter erhalten. Weil das Unternehmen auf ein Auskunftsersuchen zunächst nicht reagierte, hat das Sozialreferat nun einen Bescheid erlassen. Demnach muss die Internet-Plattform die Daten der Stadt innerhalb von vier Wochen zur Verfügung stellen. Andernfalls droht Airbnb ein Zwangsgeld von 300 000 Euro.

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Das teure Vermieten von Wohnraum an sogenannte Medizintouristen ist zu lukrativ, als dass die Anbieter sich von Prozessen abhalten ließen. Vor Gericht trifft man deshalb häufig auf dieselben Protagonisten.

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"Das Ferienwohnungsgeschäft blüht", erläutert Sozialreferentin Dorothee Schiwy. Gleichzeitig gewinne das Thema Zweckentfremdung in München an Bedeutung. Seit dem Jahr 2010 ist die Stadt um 160 000 Menschen gewachsen, gleichzeitig sind allerdings nur 35 000 Wohnungen hinzugekommen. 15 000 Menschen hätten Anspruch auf eine Sozialwohnung, die Stadt München kann aber nur etwa 3000 im Jahr vergeben. Wenn Wohnungen unerlaubt als Feriendomizil vermietet werden, fehlen sie dem regulären Markt. Das gilt als Zweckentfremdung.

Grundlage für die Forderung nach Auskunft ist das bayerische Zweckentfremdungsgesetz. Dort heißt es ausdrücklich, auch die Vermittler von Wohnungen hätten "der Gemeinde die Auskünfte zu geben und die Unterlagen vorzulegen, die erforderlich sind, um die Einhaltung der Vorschriften dieses Gesetzes zu überwachen". Airbnb ist nur eines von sechs Portalen, von denen die Stadt München nun Auskünfte bekommen will. Ein Portal habe auf die Aufforderung gleich reagiert und 200 Datensätze zur Verfügung gestellt, berichtet Schiwy. Die anderen hätten "Gesprächswünsche angemeldet". Das größte und bekannteste der Portale jedoch habe sich als "besonders schwierig" erwiesen: Airbnb, ein Konzern, der weltweit 3,5 Milliarden Dollar im Jahr umsetzt.

"Wir haben Airbnb mehrfach gebeten, Lösungen zu entwickeln, damit illegale Zweckentfremdungen nicht unterstützt werden, und dazu auch konkrete Vorschläge gemacht", so Schiwy. "Passiert ist nichts." Vor einiger Zeit hat die Stadt von Airbnb schon einmal Auskünfte zu bestimmten Wohnungen gefordert. Dies lehnte die Firma mit der Begründung ab, für sie gelte irisches Recht, weil ihr Sitz sich in Dublin befindet. Gegen den Bescheid der Stadt hat Airbnb geklagt.

Will die Stadt gegen das Problem vorgehen, muss sie zunächst beweisen, dass es sich bei einer Vermietung auf Zeit um eine Zweckentfremdung handelt. Seit einigen Jahren gibt es deshalb im Sozialreferat ein eigenes Sonderermittlungsteam Ferienwohnungen. Die acht Mitarbeiter leisten Detektivarbeit, fahren zu den Wohnungen, klingeln, sprechen mit Touristen und Nachbarn. Seit Januar können Münchner verdächtige Wohnungen melden. 689 Hinweise sind seitdem eingegangen. Die rechtlichen Möglichkeiten schöpft die Stadt ohnehin aus: Im Jahr 2017 führte sie 92 Gerichtsverfahren, fast alle wurden in ihrem Sinne entschieden. 298 Wohnungen konnte sie dem Wohnungsmarkt wieder zuführen. Und sie erließ Bußgeldbescheide in Höhe von insgesamt 851 000 Euro.

Die Stadt untersucht Wohnungen, bei Airbnb ist das aber schwierig

Es gibt also durchaus Erfolge im Kampf gegen die Zweckentfremdung. "Aber das kostet den Steuerzahler viel Geld", sagt Schiwy. Zudem ist es zeitaufwendig, 2017 hat die Stadt bei ihren Ermittlungen etwa 21 000 Wohnungen untersucht. Dies ist bei Plattformen wie Airbnb besonders schwierig, weil in den Inseraten die Lage der Wohnung nur ungefähr angegeben wird und der Vermieter anonymisiert ist. Kompliziert ist es auch, weil die Grenzen zwischen erlaubter Vermietung und Verbot fließend sind. Ganze Wohnungen dürfen bis zu acht Wochen im Jahr weitervermietet werden, mehr ist illegal.

Eine Sprecherin von Airbnb Deutschland war am Freitag nicht zu erreichen. Bisher habe das Unternehmen auf den Bescheid der Stadt nicht reagiert, so Schiwy. Es sei zu befürchten, dass es ein langer Weg vor Gericht werde. "Wir brauchen aber schnell Abhilfe." Die Stadt weist deshalb immer wieder darauf hin, dass das Landesgesetz immer noch gravierende Lücken aufweise - obwohl es 2017 erneuert und verschärft worden ist. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hat vor Kurzem an Wohnungsministerin Ilse Aigner (CSU) geschrieben. Er fordert etwa eine Registrierungspflicht für Ferienwohnungen und die Möglichkeit der Räumung.

© SZ vom 04.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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