Wohnen in München:Selbst hohe Strafen schrecken Zweckentfremder nicht ab

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Ein lukratives, aber illegales Geschäftsmodell: In diesem Haus in der Sendlinger Straße wurden Mietwohnungen gewerblich an Medizintouristen weitervermietet. (Foto: Alessandra Schellnegger)
  • Wohnraum ist in München knapp und begehrt, also lässt sich damit ein gutes Geschäft machen.
  • Viele Menschen vermieten ihre Wohnungen illegal an Touristen oder andere Besucher in der Stadt.
  • Inzwischen stehen viele dieser Anbieter deshalb regelmäßig vor Gericht.

Von Anna Hoben

Es ist ein bisschen wie in dem Film "Und täglich grüßt das Murmeltier". Bayerisches Verwaltungsgericht, Sitzungssaal 3, Mittwoch neun Uhr. Auf der Tagesordnung steht, wie viele Male zuvor in diesem Zimmer, die Zweckentfremdung von Wohnraum. Ein großes Problem in einer wachsenden Stadt. Eigentlich ist die Sache einfach: Wohnraum ist knapp und soll den hier lebenden Menschen zur Verfügung stehen. So steht es in einer Satzung der Stadt München, so sagt es der gesunde Menschenverstand. Für jene, die das nicht akzeptieren wollen, ist es auch einfach, aber anders: Wohnraum ist knapp und begehrt, also lässt sich damit ein gutes Geschäft machen. Auch wenn es illegal ist.

So treffen sich beide Seiten in schöner Regelmäßigkeit in Sitzungssaal 3. Vor dem Verwaltungsgericht landen die Fälle dann, wenn sich die illegalen Vermieter gegen den Bescheid von der Stadt wehren, dass sie die zweckentfremdende Nutzung künftig zu unterlassen haben. Sie wollen das angeordnete Zwangsgeld nicht bezahlen und klagen gegen die Stadt. Mal lassen sich die Kläger und Wiederholungstäter bei den Gerichtsterminen blicken, mal schicken sie ihre Anwälte. Die Vertreter der Landeshauptstadt rollen aktenkofferweise Papiere heran, einer hat die Akten in einer großen Sporttasche verstaut. Im Saal wuchten sie Ordner auf den Tisch, einen je Wohnung.

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Die Kammer hat an diesem Tag 20 Verfahren auf die gleiche Uhrzeit gelegt, "weil alles mit allem zusammenhängt, entweder die Wohnungen oder die Beteiligten", wie die Vorsitzende Richterin Cornelia Dürig-Friedl erklärt. Die Verfahren zeigen, wie kleinteilig und mühsam der Kampf der Stadt gegen die Zweckentfremdung ist. Es geht um mehrere Wohnungen am Oberanger, in der Sendlinger Straße und in der Elektrastraße im Arabellapark.

Einer der Protagonisten mietet die Wohnungen an, ein anderer schließt mit dem ersten einen Untermietvertrag ab, dann werden sogenannte Medizintouristen einquartiert. Sie stammen meist aus arabischen Ländern, halten sich für eine gesundheitliche Behandlung längere Zeit in München auf und zahlen viel Geld für eine Wohnung auf Zeit. 200 bis 300 Euro pro Nacht kann die schon mal kosten. So geht das Konzept von Youssef G. und Mohammed R., die Richterin hat es gerade mal wieder erklärt, weil einer der Anwälte tatsächlich von ihr wissen wollte: "Darf ich fragen, was Sie unter Konzept verstehen?"

Auch das gehört wohl zum Konzept dieser Vermieter, man stellt sich naiv, als verstehe man nicht, wie einem geschehe. Die Richterin verweist auf diverse Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes, wonach beide "als Störereinheit zu betrachten" seien, sie verweist auf die Vielzahl der Verfahren, die beide Männer betreffen. Darüber hinaus seien die Protagonisten "einschlägig polizeilich bekannt". Einige Verfahren, die am Mittwoch verhandelt werden, laufen bereits seit 2014.

Das Geschäft lohnt sich

Damals habe er nicht gewusst, dass eine solche Nutzung verboten sei, erklärt Youssef G. Er habe einmal einen Fehler gemacht, "heute würde ich das nicht mehr tun". Das wirkt insofern nicht ganz glaubwürdig, als es wenig später um einen weiteren, sehr aktuellen Fall gehen wird. Einer der Anwälte fragt, ob die Zweckentfremdungssatzung 2014 überhaupt schon in Kraft gewesen sei. Tatsächlich ist sie es seit 2007.

Youssef G., der mit einem österreichischen Akzent spricht, versucht es noch mal so: "Ich habe nichts gegen Menschen, die sich hier behandeln lassen", sagt er, "dass das für die Stadt Zweckentfremdung ist, habe ich nicht gewusst." Woraufhin die Richterin ihm klarmacht, dass als nächstes Mittel Zwangshaft im Raum steht. Im vergangenen Jahr saß mit Mohammed R. erstmals ein Vermieter eine Woche lang im Gefängnis, weil er sein lukratives Geschäftsmodell nicht aufgeben wollte. Youssef G. loggt sich daraufhin im Gerichtssaal in seinem Bankkonto ein, um zu beweisen, dass er die Zwangsgelder bezahlt habe, Summen zwischen 6000 und 9500 Euro; dieses Geld wolle er zurück haben. "Ich habe alles Erforderliche getan, um die Mietverhältnisse zu beenden", sagt er. Am Ende machte die Kammer deutlich, dass die Klagen in allen Fällen abzuweisen sind.

Mohammed R. taucht an diesem Mittwoch nicht im Gericht auf. Er befindet sich in einem Insolvenzverfahren; offenbar sind die Geschäfte doch nicht ganz so gut gelaufen. Was indes gut läuft, ist die umstrittene städtische Meldeplattform zur Zweckentfremdung. Hat jemand den Verdacht, dass in der Nachbarschaft eine Wohnung zweckentfremdet wird, kann er dies seit Anfang des Jahres online mitteilen. 604 Meldungen sind im ersten Halbjahr eingegangen. 360 Fällen geht die Stadt derzeit nach, 139 sind abgeschlossen, weil keine Zweckentfremdung vorlag.

© SZ vom 02.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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