Wohnen in München:Stadtrat will Auswirkungen des Mietspiegels begrenzen

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"Mieterhöhungsmöglichkeiten" könnte es durch den angestiegenen Mietspiegel geben. (Foto: dpa)
  • Der neue Mietspiegel weist ein Plus von sechs Prozent aus - das ist der höchste Anstieg seit zwölf Jahren.
  • Einige Stadträte befürchen, dass damit die Mieten weiter steigen. Denn: Anhand des Mietspiegels wird festgelegt, wie hoch eine Mieterhöhung maximal ausfallen darf.
  • Der Stadtrat fordert vom Bundesjustizministerium eine Änderung der Berechungsformel.

Von Andreas Glas

Diejenigen, die dauernd den Finger heben, sitzen immer in den vorderen Reihen. Das war schon in der Schule so und so war es auch am Donnerstag im Stadtrat. Ein Finger nach dem anderen ging hoch, ein Vorderbänkler nach dem anderen hatte Fragen an den Professor, der auf dem Podium saß. Der Professor hieß Göran Kauermann, leitet das Statistik-Institut an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) und erklärte den Stadträten, wie er und seine Kollegen den neuen Mietspiegel für München errechnet haben. Er sprach über Methoden, über Variable und Funktionen, aber so richtig verstand das irgendwie keiner.

"Ich habe Statistik nur im Nebenfach studiert", verteidigte sich Bürgermeisterin Christine Strobl (SPD). Stadträtin Anne Hübner (SPD) gab zu, dass sie sich an der Uni in Statistik "mit 3,3 durchgemogelt hat". Für Grünen-Fraktionschefin Gülseren Demirel waren die Statistikseminare sogar "ein Alptraum". Vielleicht wollten die Stadträte aber auch gar nicht kapieren, was der Professor ihnen erzählte. Was im neuen Mietspiegel steht, ist ja nicht gerade erfreulich: Die Münchner Durchschnittsmiete, berechnet aus sämtlichen Wohnlagen, ist um etwa 60 Cent auf 10,73 Euro pro Quadratmeter gestiegen. Das sind sechs Prozent mehr als im Jahr 2013 - der höchste Anstieg seit zwölf Jahren.

Durch den hohen Mietspiegel könnten auch die Mieten steigen

Dass die Stadträte immer wieder nachhakten und ganz genau wissen wollten, wie der LMU-Professor auf diese Zahlen gekommen ist, hat einen einfachen Grund: Sie befürchten, dass mit dem neuen Mitspiegel auch die Mieten weiter steigen. Der Mietspiegel legt nämlich die gesetzliche Höchstgrenze für eine Mieterhöhung fest. Die darin festgelegte ortsübliche Vergleichsmiete darf vom Vermieter derzeit um maximal 20 Prozent und dank der neu beschlossenen Mietpreisbremse von Juli an um höchstens zehn Prozent erhöht werden. Das bedeutet: Je höher der Mietspiegel, desto teurer dürfen die Mieten sein. Dabei sei die Lage ja jetzt schon "katastrophal", sagte Linken-Stadtrat Çetin Oraner.

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Die vielen Nachfragen der Stadträte hatten aber auch damit zu tun, dass der diesjährige Mietspiegel auf einer neuen Berechnungsgrundlage basiert. Bisher hatten vor allem Infrastruktur-Faktoren Einfluss auf die Zahlen, zum Beispiel die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr oder die Nähe zu Geschäften.

Weil aber die Infrastruktur inzwischen in allen Stadtteilen sehr gut ist, wurde diesmal die Nähe zum Zentrum stärker gewichtet und die Stadt in sechs statt bisher vier Wohnlagen unterteilt. Mit dem Ergebnis, dass das Mietniveau in den Außenbezirken etwas gesunken und im Zentrum gestiegen ist. Insgesamt sind die Mieten aber trotzdem noch sehr hoch, daran ändert auch die neue Arithmetik nichts.

Ältere Mietverträge fließen nicht in den Mietspiegel ein

Sinken würde der Mietspiegel, wenn darin auch Mietverträge berücksichtigt würden, die schon länger als vier Jahre laufen. Doch genau das verbietet der Gesetzgeber, so dass bislang nur neu abgeschlossene Mietverträge oder Mieterhöhungen aus den vergangenen vier Jahren in die Berechnung einfließen. Weil aber gerade alte Mietverträge oft relativ günstig sind, drückt das den Mietspiegel nach oben.

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Der Mietspiegel sei deshalb eine "Ermutigung zur Mieterhöhung", fand nicht nur Stadtrat Oraner. Die Stadtparlamentarier haben den neuen Mietspiegel zwar am Donnerstag verabschiedet, unterstützen aber geschlossen den Vorstoß von Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD), der Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) aufgefordert hat, künftig auch Bestandsmieten bei der Berechnung des Mietspiegels zu berücksichtigen.

Außerdem forderte Bürgermeisterin Strobl die Stadträte am Donnerstag auf, für eine Gesetzesänderung zu werben. Solange aber kein neues Gesetz komme, sagte Çetin Oraner, spiegle der Mietspiegel nicht nur "die katastrophale Wohnungssituation" in München wider - sondern auch die Machtlosigkeit des Stadtrats, daran etwas zu ändern.

© SZ vom 13.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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