Ausstellung im Münchner Werksviertel:Utopie trifft Dystopie

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"Einen Stellplatz kann man mieten", sagt Martina Taubenberger. Die Kuratorin der Ausstellung "Fu:topia" zeigt auf dem Parkplatz lieber Kunst. (Foto: Ivana Bilz)

Im Werksviertel Mitte zeigt die Ausstellung "fu:topia", wie Wissenschaft und Kunst zusammen die Zukunft gestalten können.

Von Leonore Winkler

Eine Tiefgarage im Werksviertel: links ein SUV, rechts ein Opel; der schwarze Lack glänzt in dem künstlichen Licht. Mittendrin, auf Stellplatz 210, steht ein Hühnerstall. "Einen Stellplatz kann man mieten", sagt Martina Taubenberger. "Warum muss da ein Auto drauf?" Die Kuratorin steht vor einem der Kunstwerke, die Teil ihrer Ausstellung im Werksviertel Mitte sind. "Fu:topia" heißt das Projekt, das sie mit Benjamin Jantzen kuratiert hat. Der Name ist Programm: Food, future, utopia - die immersive Ausstellung ist eine interdisziplinäre Reise in die Zukunft.

Gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen des Fraunhofer Instituts haben Künstlerinnen Ideen dazu entwickelt, wie die urbane Lebensmittelproduktion in dem Stadtteil im Jahr 2035 aussehen kann. Wie kann sich ein Stadtviertel selbst mit Lebensmitteln versorgen? Die Antworten auf die Frage sind teils ökologisch, teils ökonomisch, teils sozial, immer aber wissenschaftlich und künstlerisch.

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Gleich am Eingang des Containers C7 ist das erste Ausstellungsstück: ein Bürotisch, der jedoch weniger Arbeitsfläche bietet als gewöhnlich. Pflanzen sind so in den Tisch eingelassen, dass sie gleichzeitig dekorativ aussehen und stören. Stichwort urban gardening und vertical farming. Unseren Alltag müssen wir zukünftig mit Pflanzen teilen. Und das bedeutet nicht nur Dschungelfeeling in den eigenen Wänden, sondern auch Konkurrenz um eine entscheidende Ressource: Platz.

In jedem Bild versteckt sich eine andere Welt: Besucherinnen und Besucher müssen nur eine kostenfreie App herunterladen und ihre Kamera auf die Aufnahmen richten - und schon verwandeln sich die Bilder in Zukunftsszenarien. (Foto: Ivana Bilz)

Es gibt viel zu schauen und noch mehr zu staunen: Ausgestellte Fotos verändern sich live. Besucherinnen und Besucher müssen nur eine kostenfreie App herunterladen und ihre Kamera auf die Aufnahmen richten - und schon verwandeln sich die Bilder in Zukunftsszenarien. In jedem Bild versteckt sich eine andere Welt.

Was immersiv bedeutet, erleben Besuchende auch außerhalb des Containers hautnah: Zehn Plakate sind im Viertel verteilt. Hält man die Kamera des Smartphones darauf, bewegen sich die Bilder. Sie erzählen von Utopien und Dystopien. Am Ende muss eine Entscheidung gefällt werden. Je nachdem, ob man sich beispielsweise für Fast Food oder Super Food entscheidet, verrät der Schriftzug den Standort des nächsten Plakates: eine moderne Schnitzeljagd für alle Altersgruppen. Neben Hopfen an gläsernen Fassaden und Hörgeschichten im Container können Besucherinnen und Besucher auch andere Spuren von Kunst entdecken. In kleinen Gassen und an Hausrückwänden warten Überbleibsel anderer Projekte, bunt und vielfältig.

Auf wenig Fläche wird viel erzählt, viel gestaltet und viel erlebbar - passend zur Zukunft. Die Kunst fügt sich zwischen Imbissen, Karaoke und Riesenrad in das Stadtbild des Werksviertels ein. Und wertet es auf: Das Werksviertel, das mit der Vision, einmal hip zu sein, noch am Anfang steht, wird durch "fu:topia" weit nach vorne katapultiert.

Auf dem Stellplatz 210 herrscht Beklommenheit. Hier, unter der Erde, leben keine Hühner. Und doch wird genau hier ihr Lebensraum gezeigt. Die Eier sind grau, brüchig. Glasscherben und Nägel durchbohren sie. Die Realität schmerzt. Bei "fu:topia" trifft sie auf eine Zukunft, die besser sein kann. Oder schlechter. Utopie trifft Dystopie. Mit Staunen, Zweifel und Begeisterung können sich Interessierte im Werksviertel Wunder an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Kunst anschauen.

Fu:topia, Ausstellung, Di., 11. Juli bis Mi., 13. September, Container C7, Container Collective, Werksviertel Mitte , Ecke Friedenstraße/Atelierstraße

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