Umweltbildung:München plant einen Weltacker

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Konkurrenz zwischen Teller und Tank: Der Weltacker, wie hier in Berlin, zeigt die Ungleichgewichte im globalen Anbau und Alternativen. (Foto: Volker Gehrmann)

Das Pilotprojekt, das es bisher 23 Mal auf dem Globus gibt, soll 2024 auch an der Isar realisiert werden. Es setzt sich kritisch mit dem Verbrauch an Lebensmitteln und Agrarrohstoffen auseinander. Ein Standort steht noch nicht fest.

Von Ellen Draxel

Mitten in Berlin-Pankow, im Botanischen Volkspark Blankenfelde, gedeiht im Sommer goldgelber Weizen. Neben Gemüsesorten wie Kartoffeln, Kohl und Karotten. Auch Mais und Soja als Futterpflanzen für Tiere sprießen aus dem Boden. Zuckerrüben wachsen dort, Tee- und Kaffee-Kulturen. Baumwolle hat man angepflanzt, weil sie der Herstellung von Jeans und T-Shirts dienen. Und Raps, weil er sich als Bio-Diesel eignet. "Weltacker" nennt sich dieses bepflanzte Feld, 2024 soll der erste Weltacker auch in München realisiert werden. Wo genau, ist bislang aber offen.

Das Umweltbildungsprojekt wurde 2013 als Pilotmodell entwickelt. Alles, womit Mutter Erde uns Menschen nährt und versorgt, von Nahrungs- über Genussmitteln bis hin zu nachwachsenden Rohstoffen für die Industrie, ist dort auf 2000 Quadratmetern vertreten. Im selben Verhältnis wie auf den 1,6 Milliarden Hektar Feldern weltweit, um Ungleichgewichte im globalen Anbau und Alternativen aufzuzeigen. Die Ackergröße ist dabei bewusst gewählt - sie entspricht dem Anteil an Ackerland, das jedem der gut acht Milliarden Menschen auf unserem Planeten rein rechnerisch zur Verfügung steht.

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Ökologische, soziale, wirtschaftliche, gesundheitliche und kulinarische Dimensionen des Verbrauchs an Lebensmitteln und Agrarrohstoffen will das Modellprojekt Weltacker kritisch hinterfragen. Inzwischen hat die Idee in zahlreichen Städten Nachahmer gefunden, auch außerhalb Europas. 23 solcher Flächen gibt es derzeit weltweit.

"Wir haben sämtliche Bezirksausschüsse angeschrieben und jetzt eine Liste von zehn potenziellen Standorten", sagt Markus Mitterer. Er gehört zum Team der städtischen Fachstelle "Bildung für nachhaltige Entwicklung", das für die Umsetzung "mindestens eines Weltackers" in München verantwortlich zeichnet. Zu konkreten Vorschlägen, etwa einer Fläche angrenzend an die städtische Baumschule, wie sie die Mehrheit von Pasings Lokalpolitikern anregen, kann Mitterer noch nichts sagen.

Nur, dass "wir diesen Ort gerne möglichst zentral hätten". Eine städtische Fläche wäre den Planern dabei am liebsten. Vielleicht auf einem alten Parkplatz, wie es Nürnberg vergangenes Jahr vorgemacht hat. Oder auf einer landwirtschaftlichen Fläche wie in Landshut. Der Englische Garten hingegen komme nicht infrage, sagt Mitterer, denn der Park gehöre dem Freistaat. Und der Marienhof, der als Standort auch schon mal debattiert worden sei, sei ebenfalls keine Option, weil die Baustelle dort noch viele Jahre andauere. "Wir wollen aber dieses Jahr mit dem Gärtnern anfangen."

Besuchen wird den Weltacker jeder können. (Foto: Volker Gehrmann)
Dass Lebensmittel nicht nur auf dem Teller, sondern mitunter auch im Treibstofftank landen, wird anschaulich gemacht. (Foto: Zukunftsstiftung Landwirtschaft)

Der Weltacker in München soll wie seine Vorgänger ein Lernort werden. Konzipiert, um die Themen Nachhaltigkeit, CO₂-Fußabdruck und die Konkurrenz von Teller und Tank anschaulich zu machen. Beispiel Getreideproduktion: Nur die Hälfte des weltweiten Getreideanbaus dient unmittelbar der menschlichen Ernährung. Weitere 40 Prozent sind Viehfutter, und rund zehn Prozent werden für industrielle Nutzungen, vorwiegend als Biotreibstoffe, eingesetzt. "Das erkennt man auf diesem Acker", sagt Mitterer. Oder das Thema Lebensmittelverschwendung: Um sichtbar zu machen, wie viel vergeudet wird, wollen die Münchner einen Bereich mit Seilen abstecken.

Besuchen kann den Weltacker, so er einmal entstanden ist, dann jeder: Schautafeln werden Informationen bieten. Außerdem soll es Führungen und Programme für Schulklassen geben, von einstündigen bis zu ganztägigen Angeboten. Organisiert von Trägern wie etwa dem Ökologischen Bildungszentrum. "Da geht es dann um Fragen, welche Pflanze wie viel Fläche braucht, was bei uns und was in den Tropen wächst, und wie unsere Ernährung funktioniert." Reis beispielsweise wachse auch hierzulande, sagt Mitterer, "der hat nur keinen super Ertrag".

Womit weiterer Raumbedarf eingeschlossen ist: Für das Bildungsangebot braucht es zusätzlich zu den 2000 Quadratmetern Ackerfläche einen Platz für Toiletten, einen Wasseranschluss und im Idealfall eine Unterstellmöglichkeit für Gerätschaften. "Wenn wir uns einen Ort basteln könnten, dann hätte der eine Komposttoilette und einen Pavillon, wo Schüler und Schülerinnen oder Azubis auch bei schlechtem Wetter lernen können", sagt Markus Mitterer. Tausend Quadratmeter on top wären ideal, müssen aber nicht unbedingt sein. 500 - wie in Nürnberg - würden es zur Not auch tun.

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