Der Münchner Kunstherbst:Auf der Erfolgsspur

Lesezeit: 3 min

Eine verwirrende Welt: Die Fotografin Barbara Kasten arbeitet mit farbigem Licht und Spiegeln, hier: Architectural Site 7, World Financial Center, NY, Juli 14, 1986. (Foto: the artist, courtesy Sammlung Goetz, München)

Various Others will München als Kunststadt voranbringen. Die Initiative wird zunehmend zum gesellschaftlichen Ereignis.

Von Evelyn Vogel, München

Lag es an dem attraktiven Angebot oder doch daran, dass nach zwei Jahren mit angezogener Handbremse alle wieder Vollgas geben wollten? Vermutlich war's eine Mischung aus beidem. Aber nach dem langen Wochenende zum Auftakt in den Münchner Kunstherbst sah man allenthalben nur zufrieden lächelnde, mitunter auch erschöpfte Gesichter. Denn das Programm, das Various Others und Open Art in Galerien und Institutionen auf die Beine gestellt hatten, strapazierte selbige denn doch gewaltig. Vor allem diejenigen, die nicht nur das öffentliche, sondern auch das halböffentliche, sogenannte "Special Program" von Various Others mitmachten.

Das startete am Donnerstag mit einem Get-Together unter dem Motto "Various Deli" auf dem Vorplatz des NS-Dokumentationszentrums. Und was soll man sagen: Nicht nur das Wetter spielte mit und ließ den Ausstellungskubus gegen den blanken Himmel wie eine strahlend weiß-blaue Verheißung erscheinen, auch die dort neuerlich aufgestellten Sitzrondelle und Pflanzenkübel verwandelten die schnöde Plattenwüste in einen einladenden Vorplatz. Drinks und Sandwiches der Inklusionsgastronomie Balan Deli taten das ihre, um die Artcrowd einzustimmen. Der Pop-up-Space gab zudem einen Vorgeschmack auf ein kommendes Café, das bald das NS-Dokumentationszentrum bereichern könnte.

Danach begann schon die Qual der Wahl: Wer bei der Ausstellungseröffnung der amerikanischen Künstlerin Joan Jonas im Haus der Kunst verweilen wollte - was mehr als lohnenswert ist -, schaffte es kaum in die "Exzentrischen 80er" mit Tabea Blumenschein, Hilka Nordhausen und Rabe Perplexum in der Lothringer 13. Und dann gab es ja noch zu später Stunde den neuen Social Club mit einem Gespräch zwischen der Musikpsychologin Helga de la Motte-Haber und Mouse on Mars, deren Ausstellung im Kunstbau des Lenbachhauses zwar demnächst zu Ende geht, die am Freitagabend aber noch ein großartiges Konzert in der Muffathalle gaben.

Der Schwerpunkt des Kunstwochenendes lag zwischen Freitag- und Sonntagabend, wo parallel zu Various Others auch die Galerien der Open Art zum Besuch einluden. Hier waren drei Strategien bei den Besuchern auszumachen: Da waren die "Treuen", die immer in die gleichen Galerien gehen, weil sie immer in die gleichen Galerien gehen. Dann waren da die "Strategen", die sich vorab nach persönlichem Geschmack ihre Hardcore-Tour zusammengestellt hatten und versuchten, schon am Eröffnungswochenende alles abzuklappern, obwohl die meisten Ausstellungen sechs bis acht Wochen laufen. Der dritte Typus war eine Art "neugieriger Flaneure", die sich bei den von der Open Art organisierten Touren durch die Galerien schleusen ließen und so einen bunten Stil-Mix zeitgenössischer Kunst erleben konnte. Dazu gab es hier und da Performances, Künstlergespräche und andere Rahmenprogramme.

Zahlreiche Münchner Privatsammlungen öffneten ihre Türen

Außerdem wurden weitere institutionelle Eröffnungen gefeiert. Da war die im Espace Louis Vuitton mit hinreißenden Fotografien von David Goldblatt & Zanele Muholi. Im Kunstraum wurde die raumgreifende Installation von Christine Sun Kim & Thomas Mader eröffnet, die sich mit Gebärdensprache und der Suche nach Aufmerksamkeit in unserer zeitgenössischen Mediengesellschaft beschäftigt. In der Sammlung Goetz ist nun endlich die wegen der Sanierungsmaßnahmen lange verschobene großartige Doppelausstellung von Imi Knoebel und Barbara Kasten zu sehen.

Im Museum Villa Stuck dürfen sich noch die ganze Woche über die Debütantinnen und Debütanten der Kunstakademie mit interessanten und oft überraschenden Positionen präsentieren. Ebenfalls bis Ende der Woche ist bei Karl & Faber die Ausstellung zum Preis der Stiftung Kunstakademie zu sehen. Der Preis ging an die Künstlerin Julie de Kezel für ihre Arbeiten "Micro Amorph Stiletto #1 #10". Die Jury lobte die "humorvolle und fast spielerische Art", mit der Kezel Kunst und Ökologie verbindet. Außerdem gab es Side-Shows wie die des Duos M+M in der Akademie der Schönen Künste. Die hochpolitische und sehenswerte Ausstellung "Panic Room" läuft noch bis Mitte Oktober. Und im Unpainted Loft von Irmin Rodenstock stellte das Duo Station Rose bei einer hochinteressanten Lecture seine Digitalkunst vor.

Wer Gast des Special-Programs von Various Others war, kam darüber hinaus in den Genuss von zahlreichen Einladungen in Münchner Privatsammlungen. Es zeigt sich immer mehr, dass hinter der Initiative ein großes bürgerschaftliches Engagement steht von Menschen mit ganz unterschiedlichem beruflichen Hintergrund. Auf diesen zunehmenden, auch finanziellen Rückhalt von Bürgern hatte schon Sarah Haugeneder vom Espace sowie im Vorstand von Various Others hingewiesen, als sie zu Wochenbeginn gemeinsam mit Andrea Lissoni, künstlerischer Direktor im Haus der Kunst und ebenfalls im VO-Vorstand, im privaten Salon "Munich Speech" von Dietlinde Behncke über die Entwicklung der Initiative in den zurückliegenden fünf Jahren sprach. Allein dass sich der Leiter einer solchen Institution im Vorstand engagiert und die Eröffnung der wichtigsten Ausstellung seines Hauses in diesem Herbst mit der Initiative koordiniert, zeigt, wie entschlossen die Akteure der Münchner Kunstszene sind, diese gemeinsam voranzubringen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: