Prozess nach Unfall:Frau stürzt über Bodenwelle - und will Geld von der Gemeinde

Lesezeit: 2 min

Bei der Güteverhandlung im Justizpalast gab es keine Einigung auf ein Schmerzensgeld. (Foto: Florian Peljak)

Beim Überqueren einer Straße im Gewerbegebiet in Unterföhring verletzt sich eine 70-Jährige schwer. Vor Gericht fordert sie 8000 Euro Schmerzensgeld. Aber haftet eine Kommune für Unebenheiten im Asphalt?

Von Susi Wimmer

Auf dem Foto ist die linke Gesichtshälfte zu sehen, komplett entstellt, blutunterlaufen, Jochbein und Augenhöhle gebrochen. Helga Brauer (Name geändert) ist in Unterföhring mit dem Kopf genau auf eine Bordsteinkante gestürzt, als sie im Gewerbegebiet eine Straße überqueren wollte und an einer "zehn Zentimeter tiefen Bodenwelle" hängenblieb. Jetzt will die 70-Jährige 8000 Euro Schmerzensgeld. Aber ist eine Gemeinde haftbar für Wellen im Asphalt?

Über dieser Frage brütet nun die 15. Zivilkammer am Landgericht München I. Der Unfall datiert auf den Vormittag des 4. Februar 2023. Brauer wollte mit ihrem Mann nach einem Besuch in einem Lebensmittel-Discounter die Feringastraße queren, um zu den Geschäften auf der anderen Seite zu gelangen. "Es war kein Verkehr zu der Zeit", sagt die Frau. Mehr weiß sie allerdings nicht mehr, kompletter Filmriss.

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Wie ihr Mann als Zeuge ausführt, sei sie vor der Bushaltestelle an einer Bodenwelle auf der Straße hängengeblieben und auf die Bordsteinkante gefallen. "Er hat das später mit der Wasserwaage nachgemessen", erzählt die 70-Jährige, die Rille sei dort zehn Zentimeter tief gewesen. Sie sei erst am Nachmittag im Krankenhaus zu Bewusstsein gekommen. "Und beim Blick in den Spiegel hätte ich gleich wieder ohnmächtig werden können."

Das Ehepaar forderte von der Gemeinde Schmerzensgeld, doch diese lehnte ab. "Die Straße war aber dann ruckzuck repariert", erzählt die Frau. Sie zog vor Gericht, weil sie die Verkehrssicherungspflicht der Gemeinde verletzt sah. Die Kommune jedoch verwies darauf, dass diese "leichten Wellen" vor der Bushaltestelle leicht zu erkennen und außerdem keine zehn Zentimeter tief gewesen seien. Zudem befinde sich in einer Entfernung von etwa 100 Metern eine Fußgängerampel. Diese hätte das Paar nutzen können.

Noch immer leide sie unter Schmerzen und Schwindelgefühlen, sagt Brauer. Sie sei in einer Spezialklinik operiert worden. "Bis heute ist meine Backe taub." Die Zahnreihe schließe nicht mehr, ihr Oberkiefer schmerze ständig.

Bodenwellen treten vor Bushaltestellen regelmäßig auf

"Es bleiben mehrere Baustellen", sagt der Vorsitzende Richter Thomas Böx am Ende der Güteverhandlung. Die Verkehrssicherungspflicht beziehe sich auf die Straße und die Fahrzeuge, die darauf fahren. "Ein Fußgänger muss die Gegebenheiten dort so hinnehmen, wie sie sind." Außer es handle sich um eine Bündelung von Fußgängerverkehr. "Wenn beispielsweise auf der einen Straßenseite ein Kino ist und gegenüber der Parkplatz, dann müssen zwangsläufig dort viele Menschen über die Straße gehen." Dies sei im Gewerbegebiet nicht der Fall.

Die Gemeinde habe an den äußersten Ecken der Straße mit den vielen Ladenzeilen Fußgängerüberwege gestaltet, "ob das so glücklich ist, ist eine andere Frage". Aber diese Querungshilfen hätte das Ehepaar nutzen können. Außerdem müsse die Kammer noch zu der Überzeugung gelangen, dass die Frau tatsächlich an der allerhöchsten Bodenwelle gestolpert sei.

"Bodenwellen treten vor Bushaltestellen regelmäßig auf, weil dort der schwere Bus bremst und anfährt", führt der Richter weiter aus. "Das weiß man doch." Die Gemeinde sei gar nicht in der Lage, diese Stellen permanent gerade zu halten. Vielmehr müsse man überlegen, ob nicht ein Mitverschulden vorliege. "Es war helllichter Tag. Schauen Sie nicht, wo Sie hinlaufen?", fragt er die 70-Jährige.

Die Gemeinde will keinen Vergleich schließen, Helga Brauer hält an ihrer Klage fest. "Es könnte sein, dass wir die Klage vollumfänglich abweisen", kündigt Richter Böx an. Die gütliche Einigung ist gescheitert, das Urteil wird am 21. Februar verkündet.

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