Zwischen Welten:Die Augen des Krieges

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Emiliia Dieniezhna (Foto: Bernd Schifferdecker)

Unsere ukrainische Kolumnistin hat eine Ausstellung über den Krieg in ihrer Heimat besucht. Die Bilder zeigen auch Straßen und Läden in Kiew, wo sie früher gelebt hat.

Von Emiliia Dieniezhna

Die Ausstellung "Die Schrecken des Krieges" in der vorigen Woche gehörte zum Pflichtprogramm für mich. Die Arbeiten der ukrainischen Künstlerin Iryna Fedorenko, des Fotografen Mykhailo Palinchak und der deutschen Fotografin Natalie Strohmaier wurden in der Münchner Galerie Galerini präsentiert. Ich bin mit meinem Mann hingegangen, der aus Kiew zu Besuch ist. Iryna Fedorenko zählt zu den bekanntesten Malerinnen in der Ukraine. Sie stammt aus Mariupol und floh zu Kriegsbeginn mit ihrem Sohn und ihrer Mutter nach München. Seitdem lebt und arbeitet sie hier.

Das Erste, was mir aufgefallen ist, waren die Augen der Kinder auf den Porträts, die Iryna Fedorenko gemalt hat. Sie waren ganz verschieden, aber immer traurig. Ich konnte den Schmerz in diesen Augen nachfühlen und würde alles möglich machen wollen, damit diese Augen wieder lächeln können. Vielleicht ist es tröstend, dass die Porträts nicht von realen Kindern stammen. "Es sind Sammelbilder des Krieges", sagte die Künstlerin.

Der Schmerz in den Augen auf den Gemälden von Iryna Fedorenko geht Emiliia Dieniezhna direkt ins Herz. (Foto: privat)

Iryna Fedorenko ist auch Kuratorin dieser Ausstellung, die vom Generalkonsulat der Ukraine in München gefördert wurde. Ihre Heimatstadt Mariupol am Schwarzen Meer wurde von der russischen Armee zerstört. Vor dem Krieg hat sie in Kiew gelebt. Kunst sei für sie wie eine Therapie, sagt Iryna Fedorenko. In ihren Porträts kann sie ihre Gefühle ausdrücken. Wenn ihre Hände beschäftigt seien, habe sie außerdem weniger Zeit, um wütend zu sein.

Die Ausstellung soll helfen, das Thema des russischen Angriffskrieges in München aktuell zu halten. Iryna Fedorenko und viele der ukrainischen Besucher haben den Eindruck, dass das Interesse der Deutschen an den furchtbaren Ereignissen in der Ukraine nachlässt. Die Kunst soll helfen, den Schrecken wachzuhalten.

Die Fotos von Mykhailo Palinchak konnten mein Mann und ich nur schwer ansehen, so surrealistisch nah waren die Bilder an unserem früheren Leben. So zeigen die Aufnahmen Straßen aus Kiew in der Nähe unserer Wohnung. Ein Bild zeigt das ausgebombte Einkaufszentrum in direkter Nachbarschaft der Wohnung meiner Mutter. Auf einem anderen Foto ist die Metzgerei nicht weit von meinem alten Büro zu sehen, wo ich frisches Fleisch kaufte. Der Laden wurde von der Schockwelle einer russischen Rakete zerstört. Mein Mann sagte, er sieht diese Zerstörungen jeden Tag, wenn er zur Arbeit fährt.

Unsere ukrainische Kolumnistin in der Ausstellung "Die Schrecken des Krieges". (Foto: privat)

Die Fotos von Mykhailo Palinchak zeigen auch viele andere Grausamkeiten des Krieges. Eine Rakete, die in einer Straße steckt. Gräber von getöteten Kriegsopfern in Hinterhöfen. Viele Fotos zeigen Menschen, die sich vor den russischen Angriffen unter oft halb zerstörten Brücken verstecken, die besser schützen als gar nichts. In den Augen dieser Menschen steht Angst und Schrecken geschrieben. Einige Bilder sind in Bunkern aufgenommen, wo Menschen tagelang ausharren müssen, weil es oben zu gefährlich ist. Erwachsene und Kinder. Niemand hat das verdient.

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Es gibt aber Fotos, die mich stolz und fast ein bisschen fröhlich machen. Das sind Fotos mit Haustieren. Es ist sehr bewegend zu sehen, wie die Ukrainer ihre Haustiere aus lebensgefährlichen Situationen retten. So ist mein Volk: Wir sind gütig und empathisch. Weil Putin Russen in den Krieg schickt, um die Ukrainer zu ermorden, retten die Ukrainer alles Lebendige.

Die Künstlerin Iryna Fedorenko nennt ihre Bilder "Art for Peace" oder Kunst für Frieden. Ich bin sehr dankbar für alle, die den Ukrainern helfen, wieder in Frieden zu leben. Diese Bilder und Fotos erinnern aber auch daran, dass der Krieg im Herzen Europas andauert und weiteres Engagement gebraucht wird.

Emiliia Dieniezhna, 34, flüchtete mit ihrer damals vierjährigen Tochter Ewa aus Kiew nach Pullach bei München. Von dort aus arbeitet sie ehrenamtlich für die Nicht-Regierungs-Organisation NAKO, deren Ziel es ist, Korruption in der Ukraine zu bekämpfen. Außerdem unterrichtet sie ukrainische Flüchtlingskinder in Deutsch. Für die SZ schreibt sie einmal wöchentlich eine Kolumne über ihren Blick von München aus auf die Ereignisse in ihrer Heimat.

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