Bauarbeiten:München-Touristen bekommen gerade nicht viel zu sehen

Lesezeit: 4 min

Die Glyptothek am Königsplatz ist hinter einem Bauzaun verschwunden. (Foto: Robert Haas)

Sichtschutzwände am Königsplatz, Bagger in der Maximilianstraße und Abbrucharbeiten am Stachus - einige Sehenswürdigkeiten zeigen sich gerade nicht von ihrer besten Seite.

Von Laura Kaufmann

Es ist nicht alles vorzeigbar, was Touristen derzeit in der Stadt erwartet. Oder eben nicht erwartet: Die Neue Pinakothek zum Beispiel, die Kunstliebhaber mit Monets Seerosen oder Van Goghs Sonnenblumen anzuziehen wusste. Bis mindestens 2025 wird sie das nicht mehr tun. Das Museum ist geschlossen, Generalsanierung. Wenn es denn die einzige wäre. "Es sind gerade viele Baustellen in der Stadt, und wir sind auch nicht besonders glücklich darüber", sagt Karoline Graf vom Tourismusamt. An vielen Orten sei es derzeit "umständlicher und weniger schön" für Touristen.

Baustellen nerven. Sie sind nicht nur ein Ärgernis im Alltag, sondern auch für das Auge von Ästheten. Die Glyptothek, Münchens ältestes öffentliches Museum, das ebenfalls gerade saniert wird, ist ein Beispiel: Um die Baustelle ist ein mit Stacheldraht gekrönter Spanplattenzaun gezogen, der zum einen verhindert, dass sich Nachbarn und Studenten dort auf den Stufen sonnen können, zum anderen aber im Ensemble mit Bauschuttberg und verhüllter Glyptothek gleich den ganzen Königsplatz verschandelt.

Bald ist wieder Sommer, beste Reisezeit, und man fragt sich, wie die Heimatstadt in ihrem jetzigen Zustand wohl auf jemanden wirken mag, der hier zu Besuch ist. Einer, der etwas über die Schönheit und die prachtvollen Bauten Münchens gelesen hat. Nicht aber über Kräne, die sich in jedes Fotomotiv schwenken, oder ein Glockenspiel, das von Presslufthammerlärm unterlegt ist. Im vergangenen Jahr waren es immerhin 8,7 Millionen Menschen aus dem Inland und Ausland, die sich München anschauen wollten, Tendenz steigend. Allein im vergangenen Juni kamen 800 000 Besucher, im Juli 900 000 und im August 750 000.

Das Deutsche Museum bemüht sich, dass die Besucher von der Sanierung möglichst wenig mitbekommen. (Foto: Florian Peljak)

Auch Münchens größte Sammlung, das Deutsche Museum, ist unbestreitbar eine Baustelle, obwohl es sich immerhin besuchen lässt. Das Museum gibt sich alle Mühe, innen von den Arbeiten abzulenken, die von außen unübersehbar sind. Eine neue App mit Audioguide weist den Weg durchs Haus, führt zu Highlights und bietet unterschiedliche Routen für unterschiedliche Interessen an, sie wurde schon mehrere Zehntausend Male heruntergeladen. "Als Besucher bekommt man von den Baustellen abgesehen von den blauen Baucontainern nichts mit", sagt Sprecher Gerrit Faust, "eine Hälfte des Museums ermöglicht einen ganz normalen Besuch. Man kann nach wie vor sechs Stunden am Stück durch das Museum laufen, ohne auf eine Baustelle zu treffen. Und die Besucher lassen sich auch nicht abschrecken, die Besuchszahlen sind sehr gut."

Den Eisbachsurfern fehlt im Moment das Publikum auf der Brücke. (Foto: Robert Haas)

Die Eisbachsurfer, stets eine Zierde des Englischen Gartens, stehen bei jedem Wetter auf ihren Brettern, aber sehen lässt sich das gerade nicht so bequem wie sonst. "Aufgrund einer Baustelle kann man leider nicht mehr von der Brücke aus zusehen :-(", beschwert sich eine Userin auf dem Reiseportal Tripadvisor. "Hoffentlich dauert der Bau nicht allzu lange." Den Sommer über werden die Bauarbeiten aber wohl noch dauern, und so lange müssen sich die Schaulustigen an den Rändern des Eisbachs drängen, statt von oben hinunterblicken zu können. Oben nämlich steht für die Brückensanierung ein verkleideter Bauzaun.

In der Maximilianstraße verlegen Bauarbeiter neue Gleise für die Trambahn. (Foto: Robert Haas)

Einen wenig mondänen Eindruck hinterlässt derzeit die Maximilianstraße, wo die Trambahngleise erneuert werden, und der einst im Sommer so idyllische Marienhof ist nichts als ein schlammiger Krater, versteckt hinter einer Lärmschutzwand. Ein kleiner Bummel durch die Innenstadt durch die Baustelle Sendlinger Straße bis zum Stachus mit dem Gerippe des Königshofs ist nahezu verstörend. Und dann wäre da noch der Hauptbahnhof, den ein Tourist, der sich mit öffentlichen Verkehrsmitteln durchschlagen möchte, auch schlecht meiden kann. Da kommen bald die Abrissbagger.

Am Stachus wird derzeit das Hotel Königshof abgerissen. (Foto: Robert Haas)

Wie betrifft das die, die mit der Schönheit der Stadt Geld verdienen? Die Agentur Weis(s)er Stadtvogel hat da einiges im Angebot, Schmankerltouren etwa, historische Führungen und auch eine Tour per Tram, bei der der Stadtführer mit seiner Gruppe an interessanten Haltestellen aussteigt. Die Runde über die Maximilianstraße musste abgeändert werden. Natürlich ist den Stadtvogel-Machern auch schon aufgefallen, dass es derzeit ganz schön viele Baustellen in der Stadt gibt, Christina Klein vom Orga-Team relativiert aber: "Klar, die Tram-Tour und auch die Partytram, die wir anbieten, sind eingeschränkt. Und das Ruffinihaus muss man bei Führungen eben auslassen. Grundsätzlich tangiert uns das aber nicht so sehr."

Die "Pedalhelden", die Touristentouren mit Rikschas, Tandems oder sogenannten Conference-Bikes organisieren, haben andere Baustellensorgen. Vor ihrer Zentrale in der Marsstraße sind Baucontainer aufgestellt, ihnen geht die Laufkundschaft ab. Was ihre sonstige Kundschaft betrifft, gebe es aber nur wenige Beschwerden. Sie haben einige Anpassungen vorgenommen. "Mit den Rikscha-Taxen haben wir den klaren Vorteil gegenüber Bussen, dass wir leichter Ausweichwege finden", sagt Geschäftsführer Dominic Staat. "Den Eisbach zum Beispiel fahren wir jetzt einfach aus dem Englischen Garten heraus an statt über die Prinzregentenstraße." Und beschwere sich doch mal ein Kunde, dass eine Baustelle die Szenerie verschandle, finde man in der Regel ein anderes Fotomotiv. "Sicher wäre es hier und da schöner für Touristen, nicht auf einen Baukran zu schauen, aber wir kommen ganz gut zurecht, und die Baustellen sind eben ein notwendiges Übel - an vielen Stellen sogar, um die Situation für Radfahrer zu verbessern."

Auch am Marienhof hinter dem Rathaus ist eine Baustellenschutzbarriere ansprechend gestaltet. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Weil man sich bei der Stadt der Lage bewusst sei, sagt Karoline Graf vom Tourismusamt, habe man sich hier und da Mühe gegeben gegenzusteuern. Am Sendlinger Tor habe man als Pilotprojekt versucht, die Bauzäune mit Verkleidungen ansprechender zu gestalten, um trotz Baustelle für ein schöneres Stadtbild zu sorgen und um auf die Läden dahinter aufmerksam zu machen. Und auch wenn die Baustellen einerseits das Stadtbild momentan beeinträchtigen würden: "Auf der anderen Seite sind das natürlich alles langfristige Projekte, die auf Dauer die Stadt auch für Touristen attraktiver machen." Das neue Hotel am Stachus werde ein Hingucker, der neue Hauptbahnhof eine Verbesserung der Infrastruktur, "und dagegen, dass die Sendlinger Straße Fußgängerzone wird, kann man auch nichts sagen".

Wäre München eine eitle Person, würde man ihr zurufen: "Wer schön sein will, muss leiden!" Den Touristen bleibt immerhin, dass sie beide Türme der Frauenkirche wieder unverhüllt sehen dürfen. Und einer versöhnlichen Mass im Biergarten, dem ultimativen Verführungstrick der Stadt, steht ohnehin nichts im Wege.

© SZ vom 04.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Baustellen
:Wie München sein Gesicht verändert

Der Hauptbahnhof wird noch dieses Jahr abgerissen, zumindest teilweise. Auch an anderen Orten der Stadt verschwindet gerade Gewohntes.

Von Dominik Hutter

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: