Kritik:Der Mann mit der goldenen Stimme

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Auch wenn er "I'm Growing Old" singt - Tom Jones (hier bei einem Konzert in London) zeigt sich in München auf der Höhe seiner Kunst. (Foto: David Jensen/imago images/PA Images)

Die 83-jährige Pop-Ikone Tom Jones begeistert beim Tollwood-Festival mit großer Coverkunst.

Von Martin Pfnür

Der Abend in der bestuhlten Arena beginnt mit einem Eingeständnis. Allein am Keyboard begleitet, singt der soeben unter stehenden Ovationen auf die Tollwood-Bühne getapste Sir Thomas John Woodward alias Tom Jones eine Ballade von der Endlichkeit.

"I'm Growing Old" heißt sie, die Credits gehen an den 1996 verstorbenen Jazz-Musiker Bobby Cole. "I'm growing dimmer in the eyes / I'm growing fainter in my talk / I'm growing deeper in my sighs", so reihen sich darin die Anzeichen einer langsam nahenden Dunkelheit, die der 83-Jährige mit seinem edel gereiften und immer noch enorm voluminösen Bariton in den Saal schickt, um dann gleich das nächste Statement zu setzen. Denn die Dunkelheit darf sich gerne noch sehr viel Zeit lassen. Um es also mit Bob Dylan und seinem geschmeidig von Jones' exzellenter Band ins Rollen gebrachten Song zu sagen: "Not Dark Yet".

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Und so entspinnt sich zwischen biografischer Selbstverortung und den großen Gassenhauern ein Konzert, dessen Glanzmomente sich eher unvorhergesehen entfalten. Natürlich ist das nett, wenn Jones seinen Durchbruchs-Knaller "It's Not Unusual" als akustischen Swing mit Akkordeon und Congas neu einkleidet, seinen Späthit "Sexbomb" dem Blues zuführt oder "Delilah" in eine wüstenwarme Tex-Mex-Nummer verwandelt. Und doch liegt noch mal eine andere Tiefe in jener Coverkunst, die er auf seinen jüngsten Alben zelebriert.

Terry Calliers Wiederauferstehungsepos "Lazarus Man": ein transzendierender psychedelischer Fluss. "I Won't Crumble With You If You Fall" aus der Feder der Bürgerrechtlerin Bernice Johnson Reagon: ein von schwebenden Drones himmelwärts getragenes Spiritual. Und das im Original so synthietranig vergrummelte "Tower Of Song" Leonard Cohens: nichts anderes als reinste, zu Tränen rührende Schönheit. "I was born with the gift of a golden voice", singt Jones darin, als spontaner Applaus aufbrandet. Möge uns der Mann mit der goldenen Stimme noch lange erhalten bleiben.

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