Champagner-Cocktails versus Bier. Austern versus Gulaschsuppe. Samtsessel versus Holzhocker. Die schicke Theresa Bar in der Maxvorstadt und die Nachbarschaftskneipe Neukölln in Schwabing haben eigentlich nicht viel gemein. Nun aber eint ein Schicksal beide Lokale: Sie werden bald schließen - obwohl sie gut laufen. Und in beiden Fällen sind es die Nachbarn, die die Betreiber zum Aufgeben zwingen.
Markus Thatenhorst sitzt auf einem senfgelben Sofa in der Theresa Bar. Tageslicht dringt durch die Ritzen der Holzblenden vor den Fenstern. Thatenhorst schenkt sich ein Glas Wasser ein und sagt ganz nüchtern: "Das ist ein Desaster." In knapp drei Wochen wird der 51-Jährige seine Bar zum letzten Mal abends aufsperren, dann bleibt das Licht hier für immer aus. Der Münchner, der zusammen mit seiner Frau Stephanie und seinem Bruder Florian auch weiterhin das Theresa Grillrestaurant nebenan betreiben wird, kann das nur schwer verstehen. "Wir haben bis zuletzt gedacht, das lässt sich zwischenmenschlich lösen."
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Anwohner der Holzstraße beklagen sich über nächtliche Ruhestörung - und fordern Maßnahmen, die, so der Betreiber, "das Aus für den Club" bedeuten könnten.
Doch Ende des Monats läuft die Frist aus, die das Gericht ihnen gewährt hatte. Die Vorgeschichte ist komplex. In Kurzform geht sie etwa so: Die Eigentümergemeinschaft des Hauses an der Theresienstraße 31 war vor Gericht gezogen, nachdem jemand herausgefunden hatte, dass die Räume im Erdgeschoss ursprünglich nur als Laden zugelassen waren, nicht aber als Gastronomiebetrieb. Davon stand jedoch nichts im Mietvertrag der Thatenhorsts; auch erteilte ihnen das Kreisverwaltungsreferat 2014 die Konzession ohne Einschränkungen. Zuvor befand sich hier mit dem "Cohen's" eines der ältesten jüdischen Restaurants der Stadt.
Einige Nachbarn störten sich aber an der Bar - und nutzten das Schlupfloch, das sich auftat. Thatenhorst sagt, ihm sei die "prekäre Lage" im Innenhof bewusst gewesen. Deshalb habe man auf eine spezielle Einrichtung gesetzt: Holzverkleidung, Teppichboden und schwere Vorhänge sollten den Schall schlucken. Das gelang innen ganz gut, die Situation im Hof jedoch blieb kritisch: Gespräche der Gäste beim Rauchen hallten zu den Wohnungen hinauf. Als Beschwerden kamen, habe man sogar die Öffnungszeiten von drei auf ein Uhr reduziert und einen Silencer angestellt.
Es half alles nichts. Das Gericht gab der Eigentümergemeinschaft recht. Das vorzeitige Ende der Bar - der Mietvertrag wäre noch mehr als fünf Jahre gelaufen - trifft den Gastronomen hart. Er bleibe nun auf einer sechsstelligen Summe sitzen. Auch sonst schmerze der Verlust. "Die Bar war etwas Besonderes, da steckt viel Herzblut drin."
Ebenso ratlos zeigt sich Wolfgang "Wolle" Ettlich. Der Filmemacher und Gründer des Heppel & Ettlich hatte sich im September an einer Kneipe in Schwabing versucht. "Neukölln" nannte der gebürtige Berliner sein Kleinod an der Clemensstraße. Nur ein halbes Jahr später sagt der 71-Jährige: "Ich hab 'nen Frust und will die Kneipe aufgeben." Von Anfang an hätten einige Nachbarn ein Problem mit ihm gehabt. "Die Leute trinken ein Bierchen, unterhalten sich, es läuft keine laute Musik", sagt er, "und plötzlich stört die Kneipe, die doch ein Treff für die Nachbarschaft ist". Am Faschingsdienstag habe es ihm gereicht. "Da ist um zehn nach acht die Polizei angerückt. Das muss man sich mal vorstellen! Am Faschingsdienstag!" Im Juni will Wolle Ettlich zumachen.
Ähnliche Fälle gibt es in München immer wieder. Ein Beispiel ist etwa der "Trachtenvogl" am Gärtnerplatz, der zwar nicht schließen musste, aber von einer Bar in ein Frühstückscafé zwangsumgewandelt wurde. Auch hier hatten sich lärmgeplagte Nachbarn beschwert. Eine lebendige Stadt setze eine gewisse Gelassenheit der Bewohner voraus, findet Gastronom Markus Thatenhorst. "Was sehnen wir uns nach Italien und Griechenland, wo bis nachts das Leben auf der Straße tobt." Oder man fliege in pulsierende Metropolen wie London, Paris, New York. Großstadtleben sei aber nicht ohne ein paar Kehrseiten zu haben, dazu zähle auch eine gewisse Lautstärke.