The Weeknd im Münchner Olympiastadion:Der Meister lässt die Maske fallen

Lesezeit: 3 min

Wer ist der Mann hinter der Maske? Nicht nur auf der Bühne ist der kanadische Popstar The Weeknd nur schwer zu durchschauen. (Foto: VALERY HACHE/AFP)

The Weeknd ist laut Rekordbuch der populärste Musiker des Planeten. Nun kommt er nach München - auf seiner vielleicht letzten Tour.

Von Michael Zirnstein

Wer ist dieser Weeknd, der sich zu Beginn seiner Konzert der "After Hours Till Dawn Tour" eine Stunde lang hinter einer silbernen Maske verbirgt? Eine mögliche Erklärung gibt seit März 2023 das "Guinness Buch der Rekorde", das immer dann zitiert wird, wenn man unbegreifliche Phänomene numerisch zu fassen versucht: The Weeknd sei der "statistisch gesehen populärste Musiker des Planeten", heißt es da. Und das wird mit der Anzahl der Hörer des kanadischen Popstars auf Spotify pro Monat begründet: 111,4 Millionen. Niemand anderes käme da überhaupt in die Nähe. Allein "Blinding Lights" wurde auf dem Streaming-Portal 3,4 Milliarden Mal angehört. Weltrekord, versteht sich. In den USA löste "Blinding Lights" 2021 Chubby Checkers 1960 erschienenes "The Twist" als "erfolgreichsten Songs aller Zeiten" der Billboard-Charts ab.

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Diese musikalische Massendroge verbreitete sich von 2019 an in aller Welt, auch in Deutschland, gleichzeitig durch eine Mercedes-Werbung und als zweite Single des Albums "After Hours" auf den Internet-Musikkanälen und den Mainstream-Radios. Nicht wenige Hörer vermuteten damals zunächst, es handle sich um ein neues Stück der norwegischen Pop-Helden A-Ha, so soghaft zog sie der schmissige Synthie-Falsett-Pop zurück in die Achtziger. Aber spätestens nach zehn Wochen an der Spitze der deutschen Hitparade kannte jeder den Namen des leicht zu googelnden neuen Pop-Giganten: The Weeknd.

Laut Guinness Buch der Rekorde der populärste Musiker des Planeten: Abel Makkonen Tesfaye alias The Weeknd. (Foto: Live Nation)

So ganz verstanden hatten ihn aber wohl die wenigsten. Man musste schon durch die blendenden Lichter blicken, durch die verliebten Melodien und tänzelnden Beats hören, um die Abgründe des Musikers zu erkennen. Im ganzen Konzeptalbum "After Hours" mit weiteren Singalongs wie "Save Your Tears" oder "Hardest To Love" ging es um einen "Starboy" genannten Pop-Aufsteiger, der von Toronto aus ins Musik-Walhalla Los Angeles einzieht, dort aber innerlich zerbricht und auch äußerlich blutet. Depressionen, Exzesse, unstillbares Verlangen, Sehnen - da kommt man dem kanadischen Künstler Abel Makkonen Tesfaye schon näher.

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Von Anfang an versteckte er sich hinter dem Pseudonym The Weeknd. Damit fasste er in aller Kürze den Abbruch seiner Schulkarriere als 17-Jähriger zusammen: "Left on a weekend and never came home". 2011 rätselten die Youtube-Musikentdecker, welche Band diese The Weeknd sei, die da die kühle-luftige Nummer "What You Need" ins Netz hochgeladen hatte. Verführerischer R'n'B mit Dubstep-Stolperbeat und Sex-Drugs-Schmerzens-Lyrik. Bald kam mehr, bald wurde Torontos R'n'B-Weltmeister Drake verdächtigt, der stritt jegliche Beteiligung ab (erst 2012 tauchte er im Song "The Zone" auf), wurde aber bald zum Fürsprecher und Mentor dieses Hochbegabten aus seiner Nachbarschaft: "Du bist eine begabte Seele und hast der Welt etwas extrem besonderes gegeben."

Vor einem dystopischen Abbild Manhattans beschwört The Weeknd die Massen mit einem Mikroständer, der wohl einem Klingonen-Kampfgerät nachempfunden ist (hier in Nizza). (Foto: Valery Hache/AFP)

Als Messias einer neuen R'n'B-Welle (von Frank Ocean bis James Blake) wurde er gefeiert, mit Abgründen und randvollem Ideen-Speicher. The Weeknd konnte sie alle haben. Die begehrtesten Sound-Produzenten wie Daft Punk, Gesaffelstein, Tame Impala, Calvin Harris, Swedish House Mafia oder Skrillex; und die Stimmen der Pop-Elite von Ed Sheran, Lana Del Rey, Kanye West, Post Malone bis Kendrick Lamar; sein Landsmann, der Komiker und Schauspieler Jim Carrey, mit dem er eine Liebe zu Teleskopen teilt, sprach ihm für das wie eine Radio-Show aufgezogene Konzeptalbum "Dawn FM" von 2022 Texte und Gedichte ein.

Mal ist es bluesig-dunkle Verlorenheit wie im Kurz-Album "My Dear Melancholy" (2018), mal großes Pop-Leuchten, aber immer schafft es Weeknd, vertraut zu klingen. Er weckt, was klanglich lange wohlig schlummerte in seinen Hörern: von seinem Meister Michael Jackson ("Sacrifice") über Italo-Disco ("Take My Breath") und schwelgerischem Pop ("Less Than Zero") bis zu Ausflügen zu Japan-Pop-Oldies (ein Sample von Tomoko Aran).

30 Tänzerinnen begleiten den Popstar und führen ritualhafte Choreografien auf (das Bild stammt vom Auftritt in Nizza). (Foto: Valery Hache/AFP)

Persönlich kennt man Abel Makkonen Tesfaye bei aller vermeintlichen Vertrautheit kaum. Man weiß, dass er mit der Schauspielerin Selena Gomez und dem Model Bella Hadid liiert war (und diese Beziehungen in Songs verarbeitet hat). Man weiß, dass er Ambitionen im Filmgeschäft hat und einen Kinofilm mit Jenna Ortega vorbereitet; seine von ihm co-produzierte und -geschriebene Serie "The Idol" mit Lily Rose-Depp (der Tochter von Johnny Depp und Vanessa Paradis), in der er einen Verführer, Lifestyle-Guru und Clubbesitzer spielt, ist allerdings durchgefallen - zu platt bediente die Satire auf die Sexsucht des Pop-Geschäfts selbst voyeuristische Begierden. Man weiß aber, dass er Gutes tun will, 2020 1,8 Millionen Euro für die Covid-Bekämpfung, die "Black Lives Matter"-Bewegung und die Opfer der Explosion in Beirut gespendet hat. Zur aktuellen Tour will er mit einer persönlichen Spende, Sponsorengeldern und einem Euro je Ticket den Hunger in Äthiopien, der Heimat seiner Vorfahren, lindern.

Vielleicht wird man The Weeknd künftig noch näher kommen, nicht nur körperlich auf seiner drei Jahre lang verschobenen, dann in die größten Stadien hochverlegten Welttournee. Die wird wohl die letzte Tour von The Weeknd sein. Er will weiter Musik machen, sagt er, aber The Weeknd, seine Maske, sein Schutzschild, sein Korsett will er "töten". Er macht künftig unter seinem Geburtsnamen weiter, in Teilen seiner Social-Media-Kanäle nennt er sich seit kurzem schon Abel Makkonen Tesfaye.

The Weeknd, Support: Kaytranada und Mike Dean, Fr., 4. Aug., 20 Uhr, München, Olympiastadion

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