SZ-Adventskalender:Keine Reserven mehr

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Martina F. hat sich und ihrer Tochter mit einfachen Mitteln ein Zuhause geschaffen, doch es ist dringend renovierungsbedürftig.

Von Berthold Neff

Hoffen, dass es besser wird: Martina F. und ihre Tochter Sonja müssen mit sehr wenig Geld auskommen. (Foto: Robert Haas)

Für Sissi und Franz ist die Welt in Ordnung, auch wenn ihr Zuhause recht klein ist. Hauptsache, die beiden können raus, sooft sie wollen. Sissi und Franz, so hat Martina F. (Namen geändert) die beiden Wellensittiche genannt, den gelben und den blauen, wobei nicht ganz klar ist, ob es nicht zwei Männchen sind. Das ist auch egal, denn Nachwuchs soll es in der kleinen Zwei-Zimmer-Wohnung nicht geben, es ist ohnehin schon eng für die 37-jährige Frau und ihre neun Jahre alte Tochter Sonja. Das Schlafzimmer hat Martina F. ihrer Tochter als Kinderzimmer überlassen, sie selbst schläft auf der Couch in der Wohnküche. Die beiden haben ihr Heim mit einfachen Mitteln behaglich eingerichtet, aber beim näheren Hinsehen wird klar, in welch schlechtem Zustand die Küchenzeile ist.

Als Martina F. die Wohnung vor 17 Jahren bezog und die Küche kaufte, waren die Aussichten gut. Sie war aus einem Dorf in der Nähe von Aichach mit einer abgeschlossenen Lehre als Konditoreifachverkäuferin zur Arbeit nach München gekommen, verdiente ihr Geld dann bei der Nordsee am Viktualienmarkt und in Schuhgeschäften. Gesundheitliche Probleme machten ihr aber damals schon zu schaffen, ein Müdigkeitsbruch im Fuß ließ jeden Schritt zur Qual werden. Als dann die Tochter geboren wurde, blieb sie drei Jahre lang zu Hause - und danach gelang es ihr nicht mehr, langfristig eine Stelle zu behalten. Sie meldete sich arbeitslos und rutschte in die Sozialhilfe. Sie wünscht es sich sehr, wieder einen festen Job zu haben, arbeitet seit Mai 2015 im Rahmen eines Zwei-Euro-Jobs im Anderwerk-Projekt als Kinderpflegehelferin, derzeit im Kindergarten des Europäischen Patentamts.

Trotzdem ist selbst für kleine Anschaffungen kein Geld da. Eine neue Küche könnte sie aus eigener Kraft nie kaufen. Dabei ist die alte in bedenklichem Zustand. Die Elektrik ist kaputt, es gibt manchmal Stromschläge, am Herd funktionieren nur noch zwei Platten, im Backofen löste sich verrostetes Metall, das Gefrierfach des Kühlschranks funktioniert nicht mehr. An einen Laptop mag sie schon gar nicht denken, aber sie bräuchten ihn dringend, Sonja für die Schule und Martina F., um weitere Bewerbungen zu schreiben: "Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben."

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