SZ-Adventskalender:"Ich darf mich nicht unterkriegen lassen"

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Marianne L. in ihrer Wohnung. (Foto: Robert Haas)

Marianne L.s Leben ist durch viele Krankheiten stark eingeschränkt. Sie versucht, das Beste aus ihrer Situation zu machen und hofft auf die Erfüllung eines Wunsches.

Von Sabine Buchwald

Neulich, als es stundenlang schneite in München, da ist Marianne L. vier Tage nicht aus dem Haus gegangen. Wie hätte sie mit ihrem Rollator durch die Schneemassen kommen sollen? In ihrer Nähe gibt es keine Supermärkte, aber zum Glück war der Nachbar für sie da. Er hat für Marianne L. eingekauft, sodass sie mit dem Nötigsten versorgt war, während dieser eisigen Zeit. Auch davor haben er und seine Frau regelmäßig nach der kranken Nachbarin gesehen. Das wird sich nun ändern, sie ziehen um. Marianne L. seufzt. Auch sie würde eigentlich gerne ausziehen. Sie sehnt sich nach einer 2-Zimmer-Wohnung mit kurzen Wegen zwischen Küche, Bad, Schlaf- und Wohnzimmer. Eine Wohnung, die zentraler und verkehrsgünstiger gelegen ist, und mit geringeren Nebenkosten. "Gerne hätte ich eine Badewanne für meine kaputten Knochen", sagt sie. Ideal fände sie einen Wohnungstausch.

Es gibt zwar eine Buslinie bei ihrem Haus, aber die Busse fahren am Wochenende nur in großen Abständen. Und zur S-Bahn brauche sie mit ihrem Rollator mindestens 15 Minuten. "Ich möchte gerne mehr am Leben teilnehmen, nette Leute kennenlernen", sagt Marianne L.

Sie heißt eigentlich anders. Lange hatte sie sich überlegt, ob sie ihre Geschichte der SZ erzählen und sich auch fotografieren lassen soll. Schließlich willigte sie ein. Ihr Sohn werde das nicht gerne sehen, meint sie. Er möge es nicht, wenn sie jammere. Die 73-Jährige klingt nicht unzufrieden, aber was sie erzählt, macht doch klar, wie schwierig die Situation für sie ist.

In die Wohnung im Münchner Westen, in der sie seit knapp acht Jahren lebt, war sie noch mit ihrem Mann gezogen. Kurz darauf wurde er zum Pflegefall. Die Rentnerin erzählt, dass er mit einem Schlaganfall ins Krankenhaus gekommen sei, dabei habe man bei ihm Blasenkrebs entdeckt. Nach einem Sturz aus dem Krankenbett habe er sich dann noch einen Schädelbasisbruch zugezogen. Sprechen konnte er da schon nicht mehr. Seit sechs Jahren ist er nun tot. Sie hatte sich ihren Lebensabend mit ihm an der Seite vorgestellt. "Es war eine große Liebe", sagt sie. Für ihn habe sie ihren eigenen Freundeskreis aufgegeben. "Ein Fehler", weiß sie heute. Nur eine Freundschaft aus der Oberpfalz, wo sie aufwuchs, sei ihr geblieben und zwei frühere Freundinnen sehe sie noch gelegentlich. Marianne L. ist eigentlich nicht gern allein. Das tue ihr nicht gut.

Als junge Frau lernte sie Kinderpflegerin, dann war sie als Näherin angestellt, zuletzt in einem Büro. Als ihre beiden Kinder klein waren, verdiente sie mit Heimarbeit dazu. "Ich war immer für andere da", sagt sie stockend mit einer Stimme voller Tränen. An die Rente verschwendete sie in alle den Jahren, in denen sie noch einigermaßen gesund war, nur wenige Gedanken. Das rächt sich jetzt.

Ihr Körper sendete Zeichen. Marianne L. hat Diabetes, ihr Herz schlägt mit der Unterstützung eines Defibrillators, in einem Halswirbel steckt ein Metallstück. Wegen einer Hornhautverkrümmung sieht sie nicht mehr gut. "Nur noch 40 Prozent rechts und 50 Prozent links", sagt sie. Vier Corona-Impfungen habe sie sich geben lassen, dreimal war sie infiziert. Seitdem hört sie schlecht. Sie hat Angst, dass das nun so bleibt. Die Anschaffung eines Hörgerätes täte ihr finanziell weh, so wie jede neue Brille. Mehr als ein Dutzend Tabletten muss Marianne L. täglich schlucken. Vor Kurzem wurde ihr eine 100-prozentige Schwerbehinderung anerkannt. Sie sagt: "Ich darf mich nicht unterkriegen lassen." Für ihre Sicherheit wurde der Diabetikerin ein Hausnotruf empfohlen. Den aber kann sie sich nicht leisten, noch wichtiger wäre ihr eine andere Wohnung.

So können Sie spenden: "Adventskalender für gute Werke der Süddeutschen Zeitung e.V." Stadtsparkasse München IBAN: DE86 7015 0000 0000 6007 00 BIC: SSKMDEMMXXX

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