SZ-Adventskalender:Alle Höhen und Tiefen des Lebens

Lesezeit: 2 Min.

Walter K. hätte gerne einen größeren Schreibtisch und einen rückenfreundlichen Stuhl. (Foto: Robert Haas)

Nach einem Herzinfarkt geht es Walter K. nicht mehr gut. Der 83-Jährige hat schon deutlich bessere Zeiten erlebt.

Von Sabine Buchwald

Er hat immer gerne gut gekocht und gegessen. Essen ist Walter K. auch jetzt noch wichtig. Wenn er sich selbst etwas zubereitet, dann nur noch "im Bereich des Möglichen", wie er sagt. Eine eigene Küche hat der 83-Jährige nicht mehr in seinem kleinen Appartement. Aber darüber will er sich nicht beschweren. Seit zwölf Jahren lebt er auf 17-Quadratmetern. Im Sommer sind es ein paar mehr, weil er dann eine Terrasse benutzen kann. "Ich habe alle Höhen und Tiefen des Lebens hinter mir", sagt Walter K. Er habe viel Schönes erlebt, sei einmal rund um den Globus gekurvt.

Den finanziellen Absturz aber konnten all die schönen Erlebnisse nicht verhindern. Walter K., der die Stationen seiner Lebensgeschichte freimütig erzählt, aber lieber unter einem Pseudonym, hat die Höhenflüge der Werbebranche erlebt. Eine Weile ist er mitgeflogen und hat dabei gut verdient. Es muss eine tolle Zeit gewesen sein. Darauf angesprochen, fängt der ehemalige Werber an zu schwärmen. Auf Flughäfen habe er die Drehbücher für Videoclips geschrieben. In der Food-Branche kannte man ihn. "Ich habe gearbeitet wie ein Hund", sagt er. Und dann ist irgendwann einiges schiefgelaufen. Beziehungen sind kaputtgegangen, die teure Scheidungen nach sich zogen. Er sei großzügig zu allen anderen gewesen, nur auf sich selbst habe er nie richtig geschaut. "Ich hatte ja genug."

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Genug hat Walter K. nun nicht mehr. Er musste Insolvenz anmelden. Alle Rücklagen inklusive der privaten Rentenvorsorge sind dabei draufgegangen. Jetzt lebt er von 200 Euro Mindestrente und Sozialleistungen. Nie hätte er gedacht, dass er im Alter mal auf andere angewiesen sein würde. Die Gesamtsituation belastet ihn, davon ist seine Sozialbetreuerin überzeugt, auch wenn Walter K. sagt: "Ich bin ein fröhlicher Mensch."

2015 hatte er einen Herzinfarkt. Beim Treppensteigen geht ihm schnell die Puste aus, auch sein Rücken schmerzt. Vor einigen Wochen hatte Walter K. eine Lungenentzündung, das Bauchweh entpuppte sich als Nabeldurchbruch. Eine Notoperation rettete ihm vermutlich das Leben. Wenn er könnte, würde er noch einmal durchstarten, das Steuer herumreißen und abheben. Aber mit 83, einem kranken Herzen und Rückenproblemen ist das kaum mehr möglich. Walter K. träumt von ein paar Quadratmetern Wohnfläche mehr und einem bandscheibenfreundlichen Stuhl. Vielleicht würde er sich dann hinsetzen und seine Biografie schreiben - von der Flucht als Kind aus Königsberg erzählen, von den Fünfzigerjahren in München, von guten Ideen - und Lebensfehlern.

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