Wirtschaft:Japanischer Großkonzern kauft Torqeedo

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Die Firmenzentrale von Torqeedo in Oberpfaffenhofen: Die Spezialisten für Elektromobilität auf dem Wasser sind nun ein Teil der Yamaha Motor Company. (Foto: Arlet Ulfers)

Seit Monaten galt der Weltmarktführer für Elektromobilität auf dem Wasser als Übernahmekandidat. Nun hat die Yamaha Motor Company das Weßlinger Unternehmen für einen zweistelligen Millionenbetrag erworben.

Von Peter Haacke, Weßling

Der Ausverkauf hochspezialisierter deutscher Firmen an ausländische Konzerne geht weiter - in diesem Fall allerdings nicht nach China, sondern nach Japan: Der Verkauf des in Oberpfaffenhofen ansässigen Bootsmotorenherstellers Torqeedo - nach eigenen Angaben Weltmarktführer für Elektromobilität auf dem Wasser - an den japanischen Multikonzern Yamaha Motor Company Ltd. ist besiegelt. Der bisherige Torqeedo-Eigentümer, die Deutz AG, strich dafür einen hohen zweistelligen Millionenbetrag ein.

Für die rund 230 Torqeedo-Mitarbeiter dürfte das nach relativ turbulenten Zeiten eine gute Nachricht sein. Unter neuer Regie soll die Erfolgsgeschichte nun wieder mit schwarzen Zahlen weitergeschrieben werden. Yamaha, bekannt vor allem durch Musikinstrumente, Motorräder und Motorenbau, strebt eine führende Position auf dem weltweit wachsenden Markt für elektrische Bootsantriebe an.

Die Ehe von Deutz und Torqeedo stand, soweit man weiß, von Beginn an unter keinem besonders guten Stern, im siebten Jahr folgte nun die Trennung. Der traditionsreichste deutsche Hersteller von leistungsstarken Diesel-, Gas-, Wasserstoff- und elektrifizierten Motoren hatte den 2005 im Landkreis Starnberg gegründeten Spezialisten für E-Bootsmotoren erst 2017 für knapp 74 Millionen Euro erworben. Die börsennotierten Motorenbauer in Köln hatten sich insbesondere Synergieeffekte für die Entwicklung von Bau- und Landmaschinen, Gabelstaplern, Flur- und Spezialfahrzeugen erhofft. Gleichwohl hielt sich das Interesse von Deutz an Elektromobilität auf dem Wasser in Grenzen, zumal die Nischensparte dem Großkonzern zwischenzeitlich zweistellige Millionenverluste beschert hatte. Und womöglich passten die beiden ungleichen Partner auch nicht wirklich zueinander.

Gerüchte zum Verkauf von Torqeedo waren seit Monaten durch die Fachpresse gegeistert. Vor einem Jahr hatte Deutz erstmals angekündigt, sich von dem Hersteller von E-Bootsmotoren für die gewerbliche und Freizeitschifffahrt trennen zu wollen. Wiederholt fiel dabei der Name Suzuki, ein japanischer Hersteller von Motorrädern, Autos und Außenbordmotoren. Doch die Verhandlungen zerschlugen sich. Im Januar dieses Jahres teilte dann Yamaha mit, das Unternehmen übernehmen zu wollen. Am 3. April gab der international aufgestellte japanische Konzern bekannt, dass der Kaufvertrag über den Erwerb aller Torqeedo-Aktien abgeschlossen ist.

"Mit Yamaha Motor haben wir einen starken strategischen Partner an unserer Seite."

Mit der Übernahme von Torqeedo will Yamaha seine Entwicklungskapazitäten im Bereich der Elektroantriebe im Rahmen seiner Marine CASE-Strategie für den Geschäftsbereich Marine Products stärken. Die Akquisition soll auch Yamahas Bemühungen unterstützen und beschleunigen, die Kohlenstoffneutralität in der Schifffahrtsindustrie zu erreichen sowie dabei helfen, den Aufbau einer kleinen elektrischen Antriebslinie voranzutreiben.

Torqeedo setzt auf die Entwicklung geräusch- und emissionsloser Bootsantriebe für unterschiedliche Einsatzbereiche. (Foto: Arlet Ulfers)

Die Voraussetzungen für die neue Partnerschaft scheinen grundsätzlich wesentlich günstiger zu sein als zuvor bei Deutz: Yamaha betont "die Kombination der Vermögenswerte von Torqeedo mit der jahrzehntelangen technischen Erfahrung und dem Know-how von Yamaha bei der Konstruktion von Schiffsrümpfen, Schiffsmotoren und vielem mehr". Die Japaner setzen insbesondere auf Synergien bei der Entwicklung von elektrischen Außenbordmotoren im mittleren Segment.

Torqeedo dagegen hofft weiterhin auf dynamisches Wachstum, auch dank eines weltumspannenden Händlernetzes des neuen Eigentümers. "Mit Yamaha Motor haben wir einen starken strategischen Partner an unserer Seite, um gemeinsam die Elektromobilität auf dem Wasser voranzutreiben", teilt dazu Fabian Bez mit, seit Herbst 2022 Geschäftsführer bei Torqeedo. "Dieser Zusammenschluss bietet uns neue Möglichkeiten, um unsere führende Position im wachsenden Markt der elektrischen Bootsmotoren weiter zu festigen und gemeinsam die Zukunft des Bootfahrens nachhaltig zu gestalten." Was in einem Bootshaus am Starnberger See im Jahr 2005 begann, gilt bei Torqeedo heute als "zukunftsorientierte globale Community, die Wert auf Innovation, Effizienz und Nachhaltigkeit legt".

Machtkämpfe, Postenwechsel, Umsatzeinbußen und technische Probleme

Dabei war das bis dahin mit allerlei Wirtschaftspreisen überhäufte Start-up aus Starnberg, das die Welt in umwelttechnischer Hinsicht emissionsfreier gestalten will, zwischenzeitlich in raues Gewässer geraten. Im vergangenen November berichtete etwa das Manager Magazin über anhaltende Machtkämpfe in den Deutz-Führungsetagen, Posten- und Personalwechsel bei Torqeedo, massive Umsatzeinbußen und technische Probleme. Ins Bild passt dazu auch eine Gerichtsverhandlung im vergangenen September in München. Die Kläger, das niederländische Start-up Asobo, hatten Tausende Fischerboote auf dem Victoriasee in Ostafrika mit Torqeedo-Aggregaten ausstatten wollen, um die Emissionen durch Diesel- und Benzinmotoren zu senken. Doch die Antriebe der neuen Baureihe erwiesen sich bei ersten Tests im täglichen Einsatz als unzuverlässig: Mehrfach hätten Fischer auf dem größten Binnensee Afrikas aus Seenot gerettet werden müssen, berichtete das Magazin. Torqeedo berief sich auf unsachgemäßen Gebrauch der Antriebe. Das Verfahren endete mit einem Vergleich.

Bei der Eröffnung der neuen Zentrale am Campus Pfaffenhofen im Herbst 2022 führt Torqeedo-CEO Fabian Bez (links) den bayerischen Staatskanzleichef Florian Herrmann durch das Gebäude. (Foto: Arlet Ulfers)

Die technischen Probleme dürften mittlerweile gelöst sein, weltweit sind Torqeedo-Motoren problemlos im Einsatz. Kein Öl, kein Lärm, keine Emissionen: Das Unternehmen entwickelt und produziert elektrische und hybride Antriebe mit Leistungen von 0,5 bis 100 Kilowatt für gewerbliche Anwendungen und den Freizeitgebrauch. Torqeedo verfügt über fast zwei Jahrzehnte Erfahrung und mehr als 250 Patente für Elektromotoren, Propeller und elektrische Systeme sowie über Serienfertigungsanlagen und umfangreiche Forschungsressourcen, die das Unternehmen nun einsetzen will, um gemeinsam mit der Yamaha Motor Company Bootsmotoren zu entwickeln. Seit 2006 hat die Starnberger Firma nach eigenen Angaben rund 250 000 Bootsmotoren verkauft.

Eine Verlegung der Produktion scheint vorerst unwahrscheinlich zu sein

Angesichts der enormen Herausforderungen durch den Klimawandel gilt Elektromobilität als eine der Schlüsseltechnologien auf dem Weg zu einer sauberen und emissionsfreien Welt, auch auf dem Wasser. Wie segensreich sich die neuen Eigentumsverhältnisse auf Torqeedo und seine Mitarbeiter auswirken werden, bleibt abzuwarten. Dass sich etwas ändern wird, scheint gewiss. Was sich aber ändern wird, ist bislang unklar: Es herrscht noch interner Kommunikationsbedarf, die Partner müssen sich noch etwas besser kennenlernen.

Gleichwohl gilt es als unwahrscheinlich, dass die neuen Chefs aus Japan irgendetwas im neu erworbenen Geschäftsbereich dem strategischen Zufall überlassen werden. Kurzfristig ist allerdings nicht davon auszugehen, dass sich Entscheidendes beim E-Bootsmotoren-Hersteller in Weßling ändern wird. Erst im November 2022 hatte Torqeedo Verwaltung, Produktion, Entwicklung und Logistik auf 8300 Quadratmetern in einen Neubau am Flughafen Oberpfaffenhofen unter einem Dach gebündelt. Eine Verlegung der Produktion nach Fernost scheint daher - zumindest vorerst - unwahrscheinlich.

Kennzeichen der elektrisch betriebenen Torqeedo-Bootsmotoren ist der orangefarbene Propeller. (Foto: Arlet Ulfers)

Der Pionier auf dem Gebiet der elektrischen Schiffsantriebe - Kennzeichen: orangefarbener Propeller - bietet eine breite Produktpalette an, die von elektrischen Außen- und Innenbordmotoren bis hin zu Batterien und verschiedenen Zubehörteilen reicht. "Mit einem steigenden Absatz auf dem Markt für kleine elektrische Bootsmotoren, vor allem in Europa, wächst Torqeedo als Unternehmen weiter", teilt Yamaha mit. Die deutsche Firma hat laut Homepage zudem einen eigenen Dreiklang definiert, der die Torqeedo-Kultur treffend zum Ausdruck bringen soll: Freude, Leistung, Verantwortung. Diese Interpretation von "Made in Germany" könnte auch den Wertvorstellungen japanischer Manager durchaus entsprechen.

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