Nachbarschaftshilfe:Senioren-WG in Weßling wird ausgebaut

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Die Tagespflege ist die kleinste Einrichtung ihrer Art im Landkreis. Die Räumlichkeiten werden erweitert, benötigt werden aber noch verschiedene Einrichtungsgegenstände.

Von Patrizia Steipe, Weßling

Mit ihren sechs Gästen pro Tag und einer Größe von 60 Quadratmetern ist die Tagespflege der Weßlinger Nachbarschaftshilfe eine der kleinsten Einrichtungen dieser Art. Gerade in Zeiten, in denen man Abstand halten muss, ist die Enge deutlich spürbar. Deswegen musste die Gruppe auch schweren Herzens verkleinert werden. Doch es gibt Hoffnung auf mehr Platz: Die Nachbarwohnung ist frei geworden und soll mit einem Durchbruch an die bestehende Wohnung angegliedert werden, so dass dann 120 Quadratmeter zur Verfügung stehen. Verband Wohnen als Vermieter, Nachbarschaftshilfe, Gemeinde Weßling, Landratsamt und die Pflegekasse haben bereits Zustimmung signalisiert; es gibt auch Zuschüsse. Doch um die neue Zwei-Zimmer-Wohnung mit gemütlichen Liegesesseln, Lampen, Tischen, Stühlen, Rollstühlen und anderen Einrichtungsgegenständen zu komplettieren, fehlen etwa 15 000 Euro. Der SZ-Adventskalender möchte hier helfen.

"Es war schon lange zu eng", sagt Julia Hager, Krankenschwester und Projektleiterin für die Erweiterung der Tagespflege. So mussten die Angestellten ihre umfangreichen Dokumentationsaufgaben in einer Ecke im Flur erfüllen. Künftig aber wird es ein eigenes Büro geben. Dafür wird die Küche umgebaut und für Gespräche mit den Angehörigen kann die Krankenschwester einen ruhigen Raum anbieten. Auch der kleine Gartenteil wird sich verdoppeln, so dass sich die Gruppe im Sommer viel an der frischen Luft aufhalten kann. Das Beste aber ist: Sobald der Umbau fertig ist, genügend Geld für die Einrichtung zusammen gekommen ist und es die Corona-Lage erlaubt, können mehr Gäste an einzelnen Tagen von montags bis freitags zwischen 9 und 16 Uhr aufgenommen werden. Darauf warten etliche pflegende Angehörige schon sehnsüchtig. "Die Warteliste ist lang", bedauert Hager. Die Tagespflege ist ebenfalls von Montag bis Freitag zwischen 9 und 16 Uhr geöffnet.

Hoch die Hände: Das Mitmachen und Agieren in der Gruppe in der Tagespflege der Weßlinger Nachbarschaftshilfe macht Spaß, ist aber auch anstrengend. Demnächst werden die Senioren auch im Garten mehr Platz haben. (Foto: privat)

1993 wurde die Tagespflege von Sigrid Martin, Urgestein der Nachbarschaftshilfe Weßling, gegründet. Seitdem können Partner und Familien ein paar Stunden Kraft für den oft anstrengenden Alltag mit einem dementen, an Parkinson oder einer körperlichen Behinderung leidenden Angehörigen schöpfen; Betroffene, die alleine leben, kommen aus ihrer Einsamkeit. Die teilstationäre Pflegeeinrichtung bietet neben der professionellen pflegerischen Betreuung auch eine Beratung der Angehörigen. Sie arbeitet mit Hausärzten, dem ambulanten Pflegedienst und mit Therapeuten zusammen. "Wir sehen uns mit den Gästen als pflegerisch betreute, sehr individuelle Tages-WG", so Hager. Der Tag in der Einrichtung am Höhenrainäcker beginnt mit einem Ritual: "Als erstes wird das Kalenderblatt abgerissen", erklärt Julia Hager. Einigen der Gäste - wie die 70- bis 95-jährigen Senioren genannt werden - fällt es zwar schwer, die Monate und Wochentage auseinander zu halten. Aber eines wissen alle: Sobald am Morgen alle da sind, wird ausgiebig am gemeinsamen Tisch gefrühstückt und geratscht. Derzeit sind Plexiglasscheiben als Schutz vor einer etwaigen Ansteckung aufgestellt.

"Wir haben viele alte Weßlinger in der Gruppe. Manche sind sogar verwandt oder waren zusammen in der Schule", sagt Hager. Da werden schon einmal die Fakten gerade gerückt, wenn die Geschichten aus alten Tagen gar zu sehr ausgeschmückt wurden, lacht die Projektleiterin. Besonders gerne blättern die alten Damen und Herren in ihren Biografiebüchern. Zumeist sind es Fotoalben mit Bildern und Beschreibungen aus dem früheren Leben: Da sieht man einen flotten Backfisch mit Petticoat und hochtoupierter Frisur, eine junge Mutter mit Kleinkindern am Adriastrand oder auch einen kecken jungen Mann auf seinem ersten Motorrad.

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Es wird viel gelacht, aber es gibt auch traurige Momente, Unruhe oder schlechte Laune. Hier ist die Sensibilität von Julia Hager und ihren Kollegen gefordert. Mit viel Mitgefühl gehen sie auf die Gäste ein. "Hier wird jeder gesehen und respektiert", erklärt sie. Vor allem dann, wenn sich die Gäste an schwere Zeiten erinnern, ist ein empathisches Zuhören gefragt.

Um die Gäste zu beschäftigen und ihre vorhandenen Fertigkeiten zu stärken, gibt es Thementage, bei denen die Männer beispielsweise einen Werkzeugkasten zum Hantieren und Werkeln bekommen. Es wird gemeinsam gesungen, gebastelt, gekocht, Kreuzworträtsel werden gelöst, Gymnastikübungen halten geschmeidig und regelmäßig kommt ein Streichelhund. Zu Corona-Zeiten geht das natürlich nicht wie gewohnt, einige Programmpunkte mussten daher gestrichen werden.

Nach dem Mittagessen steht ein Schläfchen auf dem Programm. "Das Mitmachen und das Agieren in der Gruppe ist anstrengend", weiß Hager. Liebevoll werden die alten Menschen - mit gebührendem Abstand - in ihre Liegesessel gebettet. Nach Wunsch bekommen sie ein warmes Kirschkernkissen auf den Bauch, ein Kissen unter die Knie oder in den Rücken. Bei schönem Wetter spaziert die Gruppe später um den kleinen Hügel mit der Fichte direkt vor der Tagespflege. "Die Nachbarn kennen uns alle", so Hager. Manche bringen Äpfel oder auch mal selbstgemachte Marmelade vorbei, immer gibt es ein nettes Wort für die Seniorengruppe. Über die strahlenden Augen der Senioren freut sich Julia Hager, denn ihr liegt die Gruppe sehr am Herzen. "Sie ist wie Familie", erklärt sie.

© SZ vom 23.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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