Weltraumforschung:Ein Steingarten für Mars-Missionen

Lesezeit: 2 min

Am DLR in Oberpfaffenhofen haben Wissenschaftler auf 630 Quadratmetern die Oberfläche ferner Planeten nachgebaut. Auf dem unwegsamen Untergrund müssen Roboterfahrzeuge künftig ihre Fähigkeiten beweisen, bevor sie ins All geschickt werden

Von Patrizia Steipe, Oberpfaffenhofen

Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass dies ein Barfußpfad mit unterschiedlichen Bodenbelägen oder eine Art Steingarten ist. Bei dem 630 Quadratmeter großen Areal auf dem Gelände des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) handelt es sich aber um ein Outdoor-Testfeld für Fahrzeuge, die für Missionen auf dem Mond oder Mars vorbereitet werden. Vor Kurzem haben Forscherinnen und Forscher des DLR mit den Testreihen begonnen und schon einmal Rover wie den Explorationsroboter "Scout" über die Piste fahren lassen.

"Unser Testfeld weist Steigungen mit spitzen Winkeln von mehr als 30 Grad auf, verfügt über loses Gestein, tiefen Sand und zusätzliche Hindernisse ", erklärt Projektleiter Roy Lichtenheldt vom DLR-Institut für Systemdynamik und Regelungstechnik. Die unterschiedlichen Untergründe simulieren die Vulkan- und Höhlenlandschaften mit Kratern, Steilhängen, Kiesflächen sowie Feldern mit unterschiedlich großen Felsbrocken wie sie auf Mars und Mond vorkommen.

Als Vorbild für das Testfeld diente der Ätna in Italien. Der Vulkan hat geologisch ähnlich extreme Bedingungen wie der Mond, so dass die Wissenschaftler die Daten einer Ätna-Vermessung nutzten. Bisher waren steile, unwegsame Kraterwände für die Rover unüberwindlich. Auf dem Testfeld sollen diese Probleme gelöst werden. Ein optimierter Rover könnte dann die gewaltigen, kilometerlangen Lavahöhlen erforschen, die auf dem Mond und dem Mars erwartet werden und die sich vor Milliarden von Jahren durch vulkanische Aktivitäten gebildet haben. Vor allem die Tunnel- und Höhlensysteme auf dem Mars sind für die Forscher interessant. Dort könnten sich vielleicht Spuren von einstigem oder sogar noch vorhandenem Leben befinden, hoffen die Wissenschaftler. Lichtenheldt erforscht in seiner Freizeit unbekannte Höhlen. Diese befinden sich allerdings nicht im All, sondern in den Alpen - und damit auf dem Planeten Erde. "So kann ich mein Know-how in der Höhlenforschung und in der Robotik verbinden", sagt er freudig.

Der DLR-Rover ist einen Meter lang, einen halben Meter breit und setzt sich aus drei verformbaren Rückenelementen zusammen. Wie ein Tausendfüßler krabbelt er über Steilhänge, überwindet Felsbrocken und schaufelt sich mit seinen sechs nachgiebigen Speichenrädern durch Kies oder sandigen Untergrund. Jedes Rad hat einen eigenen Motorantrieb. Der Roboter kann sogar kopfüber fahren und überlebt Stürze aus über eineinhalb Metern Höhe. Deswegen könnte das robuste Fahrzeug nicht nur im All, sondern auch auf der Erde eingesetzt werden, beispielsweise bei der Rettung von Verschütteten oder in der Landwirtschaft.

Dieser Schritt vom kosmischen Einsatz im All hin zur Alltagstauglichkeit auf terrestrischen Straße ist mit dem Robomobil des DLR schon einmal gelungen. Der "Romo" bringt seit 2011 Weltraumforschung auf die Straße. Damals entstand im DLR-Robotik- und Mechatronik-Zentrum die Idee, die Rovertechnik der Planetenfahrzeuge mit Elektromobilität zu kombinieren. Der extrem manövrierfähige "Romo" kann autonom fahren, von einer Person im Fahrzeug gelenkt oder ferngesteuert werden, sich um die eigene Achse drehen, sich seitwärts oder schräg bewegen. Dank der 18 Kameras hat er einen 360-Grad-Rundumblick, der ihm ermöglicht, sich in unbekannten Umgebungen zurechtzufinden.

Ursprünglich war diese Technik für die Raumfahrtrobotik entwickelt worden. Heute wird sie in den Fahrer-Assistenzsystemen der Automobilhersteller angewandt. An die Jungfernfahrt vor zehn Jahren erinnert sich Projektleiter Jonathan Brembeck (Institut für Systemdynamik und Regelungstechnik) genau: "Mechanik und Elektrik der Radroboter liefen und auch die Batterie arbeitete zuverlässig", sagt er. "Nur die Steuerung war noch nicht optimal." Mit ein paar Handgriffen konnte die Einstellung aber angepasst werden und der "Romo" lief wie geplant. "Ein unglaubliches Gefühl", so der Wissenschaftler.

Derzeit arbeitet das Projektteam verstärkt im Bereich hochautomatisierter batterie-elektrischer Fahrzeuge. Dafür sollen mit Hilfe von KI (Künstliche Intelligenz) Steuerungs- und Systemdiagnose-Aufgaben bewältigt sowie mit cloudbasierten Verfahren noch größere Datensätze genutzt werden können.

© SZ vom 03.01.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: