Der Heilige Berg in Andechs ist eigentlich nichts anderes als ein riesiger Schutthaufen. Das mag despektierlich klingen, fußt aber auf wissenschaftlichen Tatsachen. Ohne die Eiszeit, ohne den Isar-Loisach-Gletscher, der die Gegend rund um das heutige Kloster noch vor gut 15 000 Jahren überzog, könnten weder die Benediktiner-Mönche noch die etwa eine Million Besucher, die jährlich auf den Heiligen Berg pilgern, so eine atemberaubende Aussicht auf die Voralpenlandschaft rundherum genießen. Weil dies, wie die Entstehung anderer landschaftsprägender Elemente auch, nicht allgemein bekannt ist, wird in der Gemeinde Andechs nun Aufklärungsarbeit geleistet - mit einem 2,7 Kilometer langen "landeskulturellen Wanderweg auf Erlinger Flur", der am Donnerstag von der bayerischen Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) eingeweiht wurde.
Der Ausgangspunkt des ersten Lehrpfades seiner Art, der sich an Wiesen, Feldern, Hecken und Wäldern entlang schlängelt, liegt unterhalb des Klosters Andechs. Genauer gesagt, befindet sich der Start im hinteren Teil des Parkplatzes. Dort sind die ersten Tafeln angebracht - in Form von Karten, die allerlei über das Thema Landwirtschaft früher und heute verraten, wenn sie gedreht werden. Ein Thema, das Bürgermeister Georg Scheitz (CSU), selbst Öko-Landwirt, besonders am Herzen liegt.
Deshalb wirkt er auch hochzufrieden, dass der neue Wanderweg in seiner Gemeinde nicht nur mediale Aufmerksamkeit genießt, sondern neben Ehrengast Kaniber auch so manch andere Politiker angelockt hat: etwa den Bundestagsabgeordneten Michael Kießling (CSU), die hiesigen Landtagsabgeordneten Ute Eiling-Hütig (CSU) und Anne Franke (Grüne) sowie Landrat Stefan Frey (CSU), der laut Scheitz damit seinen "ersten offiziellen Termin in dieser Funktion in Andechs" wahrgenommen habe. Gekommen sind aber auch viele, die an dem Projekt mitgewirkt haben: Etwa der ehemalige Landrat Karl Roth (CSU), in dessen Amtszeit als Bürgermeister von Andechs 2007 die Gründung der Lokalen Aktionsgruppe Ammersee fiel. Diese Gruppe ist Teil des Leader-Programms des Bayerischen Landwirtschaftsministeriums, das sich dafür einsetzt, ländliche Räume nachhaltig zu fördern, wozu eben jetzt auch der neue Wanderweg dienen soll.
Als vor drei Jahren in der Gemeinde über die Erweiterung des Friedhofs diskutiert wurde, fielen die alten Tafeln wieder auf, die den Weg schon einmal geziert hatten. So erzählt es die ehemalige Bürgermeisterin und Roths Nachfolgerin in Andechs, Anna Elisabeth Neppel, die das Projekt in die Wege geleitet hatte. Ihr Nachfolger Scheitz wiederum, erinnert an seinen Vater Georg, der dabei war, als die ersten Tafeln gesetzt wurden: 1974 sei das gewesen, der Vater sei damals Obmann im Bauernverband gewesen. Die Tafeln seien in der Zwischenzeit arg verwittert gewesen, und inhaltlich völlig veraltet. "Was da propagiert wurde, hätte eher die Bezeichnung Landwirtschaft von gestern und vorgestern verdient", erinnert sich Scheitz. Deshalb sei die Idee entstanden, etwas Neues, Anderes daraus zu machen, das Ältere wie Jüngere, Touristen wie Einheimischen gleichermaßen ansprechen soll.
Mit einem Konzept und der anschließenden Umsetzung beauftragte die Gemeinde den Diplom-Forstwirt Markus Blacek, der auch schon den "Ammerseepfad" realisiert hat und in Pähl eine mobile Umweltschule betreibt. Zwei Jahre arbeitete er zusammen mit der Dießener Grafikerin Chris Rosmanitz an dem Projekt, unterstützt wurde er dabei auch von der Andechser Carl-Orff-Grundschule, den Vereinen der Gemeinde, vom Kloster Andechs, der Molkerei Scheitz, dem Ortshistoriker Karl Strauß, von Gemeinderäten, der Forstverwaltung am Ort mit Revierförster Luitpold Schneider und von vielen Bürgern. "Da haben alle zusammen geholfen", wie Scheitz sagt.
An 15 Stationen erfahren die Wanderer nun Wissenswertes über die Entstehung der Landschaft rund um Andechs. Da geht es beispielsweise um die Frage, welche Standortfaktoren den Pflanzenwuchs beeinflussen: Boden, Relief und Klima. Dargestellt wird dies mit drei Zahnrädern, die ineinander greifen. Werde ein Faktor verändert, etwa das Klima durch den Menschen, funktioniere dieses Zusammenspiel nicht mehr, sagt Blacek. An wieder anderen Stationen geht es darum, welche Wiesenblumen dort wachsen, um die Getreidearten, die hier angebaut werden, um die Bedeutung von Heckensträuchern, um die Funktion des Waldes, aber auch um Geschichtliches zum Kloster und den Ort. Vermittelt wird dieses Wissen spielerisch mit Rätseln, Memorys, Piktogrammen und diversen Materialien, die inhaltlich mit den einzelnen Stationen verbunden sind, etwa ein Tisch, der aus einer Eiche geschlagen wurde, die wiederum auf eine "Aufgabe des Waldes", die Holzgewinnung, hinweise, oder Baumstämmen, auf denen Kinder balancieren könnten, sagt Blacek. In den Wald seien auch mehrere Klappen im Boden versenkt worden. Öffne man diese, könne man Insekten und Würmer dabei beobachten, wie mit ihrer Hilfe Humus entstehe.
Der Weg, der vergangene Woche fertiggestellt worden sei, werde bereits "gut angenommen", sagt Scheitz. Etwa 40 000 Euro habe seine Realisierung gekostet, etwa die Hälfte werde über die Fördermittel des Europäischen Landwirtschaftsfonds und den Freistaat finanziert, also über das Leader-Programm. Dieses, so verkündet Kaniber, werde auch künftig fortgesetzt: "Damit noch mehr solche Vorzeigeprojekte wie in Andechs entstehen."