Viehzucht:Wenn Kühe zu viel rülpsen

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Im Staatsgut Achselschwang beginnt das Forschungsprojekt "MethaCow". (Foto: Arlet Ulfers)

Wiederkäuer gelten als "Klimasünder", weil sie zu viel Methan ausstoßen. Ein Forschungsprojekt auf Gut Achselschwang will herausfinden, wie die Verdauungsgase reduziert werden können.

Von Léonardo Kahn, Utting

Hinter dem Forschungsprojekt " MethaCow" steckt nicht etwa der US-Unternehmer Mark Zuckerberg, Gründer von Meta-Platforms, sondern die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LFL). Das Staatsgut Achselschwang in der Gemeinde Utting kann auf gewisse Weise dennoch mit der modernen Ausrichtung vom Silicon Valley mithalten. Im Versuchsstall ragen überdimensionale Bürsten aus den Pfeilern, die sich automatisch um die eigene Achse drehen, wenn eine Kuh sich der Maschine nähert. Wie bei einer Autowaschanlage bekommt das Tier dort die Wangen, den Rücken und den Po massiert. Die Stationen werden von den Kühen wie selbstverständlich rund um die Uhr genutzt.

Der Hof ist technisch bestens ausgestattet und eignet sich daher gut für Forschungszwecke. Angesichts der drängenden Fragen zur Klimakrise sucht die Wissenschaft nämlich nach Lösungen, wie sie die Landwirtschaft nachhaltiger gestalten kann. Im öffentlichen Diskurs werden Kühe oft als "Klimakiller" verunglimpft. Grund dafür sei unter anderem der Methanausstoß der Wiederkäuer, das nach Kohlendioxid das wichtigste Treibhausgas ist.

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Das Forschungsprojekt MethaCow soll nun untersuchen, welche Parameter die Bildung von Verdauungsgasen verringern - oder anders gesagt: Bei welchem Futter rülpsen Kühe weniger? Wie viel jedes Tier von welchem Futter frisst, wird individuell erfasst. Mithilfe sogenannter Green-Feed-Stationen wird mehrfach am Tag die Methankonzentration in der Atemluft des jeweiligen Tieres gemessen. Die Stationen wurden jetzt im Mai aufgestellt und werden in den nächsten drei Jahren eine Fülle an Daten liefern. Gefördert wird das Projekt mit 800 000 Euro vom Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.

"Noch nie wurden die Messungen über so einen langen Zeitraum erforscht", erklärt Hubert Spiekers vom Institut für Tierernährung und Futterwirtschaft, der das Projekt wissenschaftlich begleitet. In der Forschung werden die Kuhrassen Fleckvieh und Grauvieh untersucht, was mehr als neun von zehn der in Bayern gehaltenen Kühen entspricht. Es wird also unter bayernspezifischen und praktischen Gegebenheiten geforscht, was eine weitere Besonderheit des Projekts darstellt. "Endlich wird dort Genauigkeit geschafft, wo lange nur vermutet und geschätzt wurde", sagt Georg Hammerl, Leiter des Staatguts Achselschwang.

Die Kühe werden mit Kraftfutter an die Green-Feed-Station gelockt. Anschließend wird ihre Atemlauft angesaugt und die darin enthaltene Methankonzentration mithilfe von Sensoren gemessen. (Foto: Arlet Ulfers)
Institutsleiter Hubert Spiekers hält auch privat einige Kühe. (Foto: Arlet Ulfers)

Allgemein geht die Wissenschaft nämlich davon aus, dass der Methanausstoß mit dem Fasergehalt des Futters steigt, denn in der Regel produziert eine Kuh mehr Verdauungsgase, wenn es Gras, Heu oder Stroh anstatt Kraftfutter wie zum Beispiel Mais frisst. Das liegt daran, dass Zellulose im Magen erst von Bakterien zersetzt wird und durch den Vorgang Gas freigesetzt wird.

"Eine häufige Falschannahme ist, dass das Methan bei der Kuh hinten im Kot ausgeschieden wird", sagt Spiekers, "dabei kommt etwa 90 Prozent vorne mit dem Atem raus." Daher wäre es auch sehr schwer - ja sogar fast unmöglich -, das freigesetzte Methan einzufangen. Das wäre insofern sinnvoll, da das klimaschädliche Verdauungsgas in der Industrie vielerlei Anwendung findet, wie zum Beispiel in der Wasserstoff- und Stromerzeugung. Könnte man den wertvollen Brennstoff einsammeln, bevor dieser in die Atmosphäre eintritt, hätte man zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen.

In Sankt Ottilien werden die Kuh-Exkremente direkt in die Biogasanlage befördert

Jedoch laufen wissenschaftliche Versuche, das Gas schon im Kuhmagen chemisch zu binden, nach heutigem Forschungsstand ins Leere. Die einzige Option, von der Kuh Methan zu gewinnen, besteht darin, die im Kot enthaltene Faserreste unter einer Biogasanlage vollständig zersetzen zu lassen. "Das wird auch schon gemacht", sagt Spiekers. Zum Beispiel im nahe gelegenen Klostergut Sankt Ottilien werden die Exkremente der eigenen Kuhherde direkt in die Biogasanlage befördert, was Emissionen vermeidet und die Methanausbeute optimiert.

Immerhin ist die Wissenschaft sich schon lange einig, dass das Grünfutter und die darin enthaltene Zellulose die Methanbildung begünstigt. "Ganz so einfach ist die Gleichung nicht", sagt der Staatsgutleiter Georg Hammerl, "man muss auch die Nahrungskonkurrenz zwischen Tier und Mensch beachten". Mais, Getreide und Soja gehören nämlich auch auf den menschlichen Speiseplan, Grünfutter von der Weide allerdings nicht. Wenn die Bauern anfangen würden, die Kühe ausschließlich mit Kraftfutter zu füttern, würde sich das sofort auf die Nahrungspreise auswirken und hätte andere Nachteile für die Umwelt.

Auf Gut Achselschwang wird im Rahmen des Projekts "MethaCow" die Atemluft der Kühe untersucht. (Foto: Arlet Ulfers)
Den Methanausstoß kann man sich auch auf dem Handy anzeigen lassen. (Foto: Arlet Ulfers)

Die Hoffnung liegt momentan in einem Zusatzstoff, der als Granulat ins Futter beigemengt wird. Wenn diese Mischung täglich verabreicht wird, reduziert das die Methanproduktion auf knapp ein Drittel. Für den Konsumenten wird das etwa einen zusätzlichen Cent pro Kilo Milch kosten. "Am Ende wird der Verbraucher entscheiden müssen, ob er für eine klimaschonendere Milch mehr zahlen will", so der Institutsleiter. "Der Bauer darf auf diesen Kosten nicht sitzen bleiben."

Das Forschungsprojekt MethaCow wird auch zum ersten Mal untersuchen, wie sich der Zusatzstoff über einen langen Zeitraum auf die Kühe auswirkt. Erste Forschungsergebnisse werden voraussichtlich im Herbst veröffentlicht und regelmäßig ergänzt. "Die Klimakrise wartet ja nicht darauf, bis wir mit unserer Forschung fertig sind. Daher werden unsere Erkenntnisse schnellstmöglich umgesetzt, damit auch die Bauern ihren Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels leisten können", so Hubert Spiekers.

Der Methanausstoß aller Wiederkäuern weltweit kann bis 2050 einen Anstieg der globalen Erdtemperatur von 0,1 Grad verursachen. "Das klingt nach wenig, doch jeder Beitrag zählt", erklärt der Wissenschaftler, "sonst hätte das bayerische Staatsministerium das Projekt auch nicht entsprechend gefördert."

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