Tutzing:Die Oberreuter-Show

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Der 69-jährige Politologe ist auf Abschiedstournee - und alle Mächtigen Bayerns kommen zur Akademie für politische Bildung an den Starnberger See.

Gerhard Summer

So ein Abschied kann sich hinziehen. Am Montag traten Horst Seehofer, Christian Ude und sechs weitere Redner an, um Heinrich Oberreuter, den scheidenden Direktor der Tutzinger Akademie für politische Bildung, zu würdigen. Zweieinhalb Stunden dauerten die Ansprachen, eine Mischung aus ungehemmtem Lobpreis und mildem Spott über einen Politologen, der zu so etwas wie einem Popstar der Wissenschaften geworden ist.

Tutzing Politische Akademie Tutzing Politische Akademie, Verabschiedung Heinrich Oberreuter, mit Horst Seehofer, Christian Ude. Foto: Georgine Treybal (Foto: Georgine Treybal)

In den ersten Zuhörerreihen fanden sich so viele ehemalige und amtierende Spitzenpolitiker der CSU, als stünde ein kleiner Parteitag an. Am Freitag folgt Teil zwei der Oberreuter-Show: Das Diplomatische Corps hat sich angekündigt. Danach gibt es eine interne Feier. Und am Montag, 24. Oktober, endet die Abschiedstournee mit dem letzten Akademiegespräch des 69-Jährigen im Landtag. Wobei für sämtliche Termine gelten dürfte, was sein ehemaliger Lehrer, Ex-Kultusminister Hans Maier, bei der großen Feier so formulierte: "Oberreuter geht, und alle, alle kommen".

Wer schon immer mehr über den oft hemdsärmeligen und gerne provokanten Professor, die politische Bildung und die einzigartige Konstruktion der Akademie wissen wollte, war im voll besetzten Hörsaal der Akademie richtig. Ministerpräsident Seehofer erklärte, wie ein typischer Oberreuter-Tag beginnt und endet: Er, Seehofer, schlage die Zeitung auf und finde dort 12 Gebote, wie er arbeiten solle, aufgestellt vom Politorakel aus Tutzing. Und wann immer er ins TV-Studio eile - "Oberreuter ist schon da". Dass der Landtag extra das Akademiegesetz geändert hatte, damit Oberreuter seine Amtszeit beenden konnte, wertete der an die Altersgrenze gebundene Münchner Oberbürgermeister Ude als Alleinstellungsmerkmal. "Ein deutlicher Beweis, dass es geht." Oberreuter möge ja, wie Seehofer meinte, "unabhängig, unvermeidlich, unerreicht" sein. Aber unfehlbar sei er nicht. Trotzdem lobte auch Ude den bislang dritten Direktor der 1957 etablierten Akademie als einen Mann, der weiß, wie die Schwarzen denken, aber nie in Schwarz-Weiß-Denken verfiel.

Oberreuter selbst bezeichnete sich als "Wanderprediger" zwischen Tutzing und den Unis Dresden und Passau. Der Personalratsvorsitzende Gero Kellermann nannte ihn einen "bunten Vogel". Was sein Chef davon hielt, sich vertreten zu lassen, machte der dienstälteste Akademiedozent Michael Schröder klar: Einen Vertreter brauche er erst, wenn er im Koma liege, habe Oberreuter gesagt und übrigens immer fälschlicherweise von Betriebs- statt Personalrat gesprochen - das habe eher nach Betriebskampftruppe geklungen. Nun brauche er aber einen Stellvertreter, denn sein Geschenk könne sich Oberreuter nicht selbst überreichen: die von Schröder herausgegebene Festschrift "Demokratie unter Druck".

Auch der mit dem Bundesverdienstkreuz dekorierte Oberreuter stand permanent unter Druck. Sein Tag hatte oft 16 Stunden, meist übte er zwei Ämter zugleich aus, war in zahlreichen Gremien als politischer Berater tätig und trat als CSU-Kenner im Fernsehen auf. Trotzdem sei er der Meinung, dass sich seine TV-Präsenz noch steigern lasse. Bei Sendungen wie "Dahoam is Dahoam" sei er noch nie gewesen. Sprach's und hielt ein flammendes Plädoyer dafür, wie wichtig es ist, die Rationalität im öffentlichen Diskurs zu verteidigen und der in Bayern völlig vernachlässigten politischen Bildung in der Schule mehr Gewicht zu verschaffen. Am Ende dankte er grinsend dem Betriebsratsvorsitzenden.

© SZ vom 19.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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