SZ-Adventskalender:Jeder Tag ein Kampf

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Vor vier Jahren wurde bei Roland Reindl Leukämie diagnostiziert. Seither bestimmen der Krebs und das Krankenhaus das Leben der vierköpfigen Familie. Mutter Karin meistert den Alltag praktisch allein.

Von Carolin Fries, Starnberg

Es war alles so gut. Als Familie Reindl ( alle Namen geändert) vor acht Jahren in den Landkreis zog, war Sohn Michael zwei Jahre alt. Vater Roland Reindl hatte nur wenige Kilometer entfernt einen sicheren Job, das Haus hatte einen schönen Garten und Mutter Karin war wenige Monate später mit David schwanger. Die 44-Jährige lächelt müde, wenn sie von der Vergangenheit erzählt. Es scheint ihr so lange her. Vor vier Jahren wurde bei Roland Reindl chronisch lymphatische Leukämie diagnostiziert. Seither bestimmen der Krebs und das Krankenhaus das Leben der vierköpfigen Familie.

Wenn Karin Reindl die vergangenen Jahre zusammenfasst, dann beginnen ihre Sätze oft mit "Es hieß". Erst hieß es, es brauche keine Chemotherapie. Nach dem ersten Zyklus hieß es, jetzt sei erst einmal Ruhe. So ging es immer weiter. Karin Reindl weiß gar nicht, was schlimmer war. Die tägliche Konfrontation mit der Krankheit oder die trügerische Ruhe, wenn einmal nichts war. Sie schmeißt den Haushalt seit vier Jahren mehr oder weniger alleine, kocht, wäscht, putzt und versorgt die Kinder. Nebenbei geht die Altenpflegerin in Teilzeit arbeiten. Die körperliche Belastung sagt sie, sei das eine. "Viel schlimmer ist die Angst." Wohin mit der Sorge, die einen manchmal förmlich zu erschlagen droht? Karin Reindl hat nur sehr enge Freunde eingeweiht, die Nachbarn wissen nichts oder nur Bruchstücke. Ein Arzt aus der Nachbarschaft ist ihr zum Vertrauten geworden. "Er kann mir das alles einfach gut erklären", sagt die quirlige blonde Frau. Verstehen hilft.

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(Foto: Catherina Hess)

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Doch ausmachen muss sie das meiste mit sich allein. Ist es nicht die Angst, die sie einzuholen versucht, dann ist es das schlechte Gewissen. Das Gefühl, weder dem kranken Ehemann, noch den Kindern, dem Haushalt oder dem Arbeitgeber gerecht zu werden. An diesem Nachmittag haben sich die Jungs einen Freund aus der Nachbarschaft eingeladen, sie springen fröhlich durchs Wohnzimmer, erzählen von einem Theaterstück, welches sie in der Schule proben. Wann war die Aufführung noch einmal? Und sollen die Eltern Plätzchen mitbringen?

Karin Reindl schwirrt so viel Zeug durch den Kopf, der sich meist so leer anfühlt, weil die Gedanken wie ferngesteuert im Krankenhaus bei ihrem Mann sind. Da die Kinder nicht mit auf die onkologische Station dürfen, muss die Mutter immer eine Betreuung organisieren, wenn sie ihren Mann besuchen fährt. "Jeden Tag", wie sie betont. Manchmal wolle dieser unterhalten werden, das seien die guten Tage. "Doch unzählige Stunden bin ich am Bett eines völlig erschöpften Mannes gesessen", erzählt Reindl. Die Kinder wissen inzwischen bescheid, was mit ihrem Papa los ist - "auch wenn ihnen das Wort Krebs ganz schön den Boden unter den Füßen weggezogen hat", wie sich die Mutter erinnert.

Sie bemüht sich, nach vorne zu blicken. Die Familie hat noch nie einen Urlaub zusammen verbracht. Im vergangenen Jahr konnte Karin mit den Jungs eine Mutter-Kind-Kur machen. "Wir träumen davon, einmal zusammen einen Campingurlaub zu machen", sagt Karin Reindl. Das ist der Wunsch für die Zukunft. Für die nächsten Tage wünschen sich alle Reindls nur, dass der Papa an Weihnachten wieder zu Hause ist. Im vergangenen Jahr war alles vorbereitet, als er am Tag vor Heiligabend kurzfristig ins Krankenhaus musste. Seine Frau hat ihm das Weihnachtsessen ins Klinikum nach München gefahren. Heuer soll es dafür umso schöner werden, Roland Reindl hatte Lichterketten und Dekorationen besorgt. Noch stehen die Kartons unausgepackt im Flur.

© SZ vom 24.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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