Starnberger See:Der große Streit am Campingplatz in Ambach

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Die neuen Betreiber machen zahlreiche Auflagen, einige Dauergäste protestieren dagegen. Sie fühlen sich enteignet, weil feste Aufbauten nicht mehr erlaubt sein sollen.

Von Benjamin Engel, Münsing

Motorsägenlärm stört an einem Montagvormittag im Oktober die Herbstruhe am Ambacher Campingplatz. Innerhalb weniger Minuten ist von der Brücke über den Schwaiblbach zu Peter Graus Parzelle nur noch ein Bretterhaufen übrig. Der frühere Platzwart hatte die Holzkonstruktion selbst errichtet. Jetzt hat der neue Betreiber der gesamten Campinganlage, Henning Dürr, selbst zur Motorsäge gegriffen. "Das musste sein", rechtfertigt er sich. "Das war so verrottet." Aus Sicherheitsgründen habe er die Brücke entfernen müssen. Als Betreiber hafte er, wenn etwas passiere. Ihm geben zwei alarmierte Streifenpolizisten recht und sprechen vom einem Sicherheitsrisiko insbesondere für Kinder.

Das mag Grau überhaupt nicht akzeptieren. "Die Brücke war stabil", sagt der 59-Jährige. Er vermutet, dass die Aktion nur dazu dienen solle, ihn mürbe zu machen. Denn noch die vorherige Betreiberin hat dem früheren Platzwart im Vorjahr fristlos gekündigt. Es folgten arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen und Räumungsklagen. Vor Gericht einigten sie sich, dass er seine Parzelle bis Ende dieses Jahres räumen solle. Doch das kommt für Grau nicht infrage, weil er sonst gar keine Bleibe mehr habe, wie er selbst sagt. Der früheren Campingplatzbetreiberin, Gabriele Hirth, wirft er vor, mit ihm nicht einmal einen schriftlichen Mietvertrag geschlossen zu haben.

Unter manchen Dauercampern ist der Ärger über den Betreiberwechsel am Ambacher Campingplatz groß. (Foto: Benjamin Engel/oh)

So unvereinbar wie in dieser Szene erscheinen auch die gegenseitigen Vorwürfe und Anschuldigungen zwischen manchen Dauercampern und den neuen Betreibern. Die Münchner Gastronomen Sandra und Henning Dürr haben die Anlage im vergangenen Juni übernommen. Sie forderten aus Brandschutzgründen, Hecken zu entfernen oder zurückzuschneiden und wollen nur noch schnell abbaubare Vorzelte zulassen. Außerdem änderten sie die Pachtgebühren: Zahlten die Dauercamper bislang unabhängig von Größe und Lage nur einen Einheitspreis von 1800 Euro jährlich, wird jetzt pro Quadratmeter und je nach Nähe zum Starnberger See berechnet. Viele müssen damit deutlich mehr zahlen plus eine Kaution von 3000 Euro.

Die neuen Regelungen haben einige aufgebracht. Sogar ein anonymes Schreiben mit Vorwürfen gegen die Familie Dürr kursiert am Platz. Für Erich Straub ist aus der einstigen Camper-Gemeinde eine Gruppe entstanden, "in der sich Duckmäusertum, Resignation und Angst vor einer Kündigung breitgemacht haben". Fünf Jahre lang hatte er mit seiner Frau eine Parzelle auf der Anlage gemietet. Das Vorgehen der neuen Betreiber hält er für "hanebüchen". Bei der Vorgängerin hätten behördliche Auflagen nie eine Rolle gespielt, schildert er. Das schrieb er per E-Mail auch an die Dürrs und wollte wissen, welche Grundlage die Kautionsforderung habe. Am Ende eines kurzen Mailverkehrs stand die Kündigung. Für die Parzelle suchten die Dürrs einen neuen Mieter und fragten, ob sie an diesen Kontaktdaten weitergeben dürften. Persönlich mag Straub nicht mehr mit den neuen Betreibern reden. "Nach der Vorgehensweise habe ich kein Interesse an Gesprächen", betont er. Besonders hat er sich zudem darüber geärgert, dass ein Nachbar zwar seine Hecke entfernen musste, an der Stelle aber eine Straßenleuchte und ein Stromverteilerkasten stehen geblieben seien. An der Zufahrtsbreite für die Feuerwehr habe sich damit praktisch nichts geändert, sagt er.

Tatsächlich haben die Dürrs eigenen Angaben nach etwa 40 Stellplatznutzern gekündigt. Um die 30 davon befinden sich unter hohen Bäumen auf dem Grund von Sepp Bierbichler. Der Schauspieler und Landwirt hat seinen Besitz wie drei weitere Münsinger Bauern für den Campingplatz verpachtet. Er wollte das Risiko nicht mehr tragen, sollten Äste oder Bäume auf Parzellen stürzen. Deshalb stellte er darunter keine Stellplätze mehr bereit.

Damit ist auch der Traum des Münchners Heiko G. geplatzt. Sperrt er die Tür zum Vorbau seines Campingwagens auf, tritt der Besucher in ein holzverkleidetes Wohnzimmer. Links hinein öffnet sich eine Küche samt Geschirrspüler und Hängeschränken. Abgesehen von den Sicherheitsbedenken Bierbichlers erlauben die neuen Betreiber solche Festbauten nicht mehr. Heiko G. ärgert sich, dass er dies nun alles auf eigene Kosten entfernen solle, obwohl er die Parzelle samt Interieur erst im Sommer 2018 vom Vormieter abgekauft habe. 68 000 Euro habe er dafür gezahlt. "Das ist für mich Enteignung", kritisiert der Münchner. Dass die Einbauten nicht erlaubt seien, müsse doch auch der vorherigen Betreiberin des Platzes klar gewesen sein. "Mich ärgert, dass jetzt die Camper schuld sein sollen."

Die Familie Hirth hatte den Campingplatz von 1950 an aufgebaut. Seit 1972 bestehe er in der heutigen Form, sagt Gabriele Hirth. Ihr sei bewusst, dass die Dauercamper überall ein bisschen dazu gebaut hätten. Einige hätten ihren ersten Wohnsitz dort gehabt. Deshalb habe sie schon mal ein Auge zugedrückt. Doch jeder Dauercamper habe einen Vertrag gehabt. Dort stehe ausdrücklich, dass Ausbauten, Betonieren oder Platten nicht erlaubt seien. "Das hätten sie bloß zu lesen brauchen", schildert Hirth. Froh ist sie, wenn die Details der Besitzübergabe endlich erledigt sind. Noch bis 31. Dezember laufen die Pachtverträge mit den Landwirten für das Areal auf ihren Namen. Hirth sowie die Dürrs versichern aber, dass alle wichtigen Details zu den Folgeverträgen inzwischen geklärt sind. Bald soll alles unterschrieben werden.

Der neue Betreiber Henning Dürr hat selbst zur Motorsäge gegriffen. (Foto: Benjamin Engel/oh)

Bleiben noch die Auseinandersetzungen mit dem früheren Platzwart. Hirth beschreibt Grau als anfangs fleißigen Mann. Doch in jüngster Zeit habe er eigenmächtig niemand Neuen mehr auf den Platz gelassen. Zweimal habe sie ihn abgemahnt und schließlich fristlos gekündigt. Etwa zehn Jahre lang war Grau Platzwart, hat seine Parzelle aber schon seit knapp drei Jahrzehnten. Das sagt jedenfalls er. Dort habe er alles selbst aufgebaut, schildert er. Doch auf einem Plan des Geländes sei seine Parzelle nicht einmal aufgeführt. Jüngst habe ein Mitarbeiter des Tölzer Landratsamts von einem Schwarzbau gesprochen.

Nach Auskunft der Pressestelle der Kreisbehörde ist es aber "nicht richtig, dass momentan gegen die Parzelle mit dem Wohnwagen bauaufsichtlich vorgegangen wird". Das hat das Landratsamt aber nur unterlassen, weil schon ein zivilrechtliches Räumungsverfahren läuft, wie aus Schriftsätzen Graus hervorgeht. Ansonsten ähnle die Situation baurechtlich dessen widerrechtlich genutztem Lagerplatz außerhalb des Campinggeländes, den Grau bis Anfang Dezember räumen soll.

Reihum belogen fühlt sich der frühere Platzwart. Er zitiert aus einem Arbeitszeugnis Hirths, wo von sehr guten Fachkenntnissen und Auffassungsvermögen, äußerster Zuverlässigkeit und Gewissenhaftigkeit die Rede ist. "Ich habe keinem Menschen etwas getan", sagt er. "Ich lasse mich nicht wegschmeißen wie einen alten Schuh."

© SZ vom 29.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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