Innerörtlicher Verkehr:Ist 30 jetzt das neue 50?

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Durch Tempo 30 innerorts - so wie hier auf der Hanfelder Straße in Starnberg - fühlen sich Anwohner oft entlastet. Doch die bundesrechtlichen Vorgaben für eine Beschränkung sind streng. (Foto: Arlet Ulfers)

Immer mehr Gemeinden debattieren über den großflächigen Erlass eines Tempolimits von 30 Stundenkilometern im Ortsinneren. Das Problem dabei: Straße ist nicht gleich Straße.

Von Linus Freymark, Starnberg

Nach den ersten Monaten ist Starnbergs Bürgermeister Patrick Janik zufrieden. Sicher, es hat ein bisschen gedauert, bis die Leute die neue Regelung akzeptiert haben. Es ist ja auch eine Umstellung, wenn man plötzlich nur noch 30 statt 50 Stundenkilometer fahren darf. "Aber inzwischen haben sich die Leute daran gewöhnt", sagt Janik. Und vor allem: Die meisten würden die neue Verkehrsregelung auf der Hanfelder Straße befürworten. Janik merkt das an den Zuschriften, die ihn zu dem Thema erreichen. Normalerweise melden sich nur die Unzufriedenen. Klar, ein paar davon gibt es auch jetzt. Aber den meisten Mails und Briefen entnimmt Janik Zustimmung. "Wir scheinen da einen Nerv getroffen zu haben", erklärt er. Und die Stadt Starnberg scheint mit der neuen Regelung auch mit der Zeit zu gehen. Denn die Debatte über ein flächendeckendes Tempo-30-Gebot innerorts ist in vollem Gange.

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Die Befürworter argumentieren mit dem Lärmschutz für Anwohner und einer höheren Verkehrssicherheit für Fußgänger und Radfahrer - eine Grundvoraussetzung, wenn man Menschen zu einem Umstieg vom Auto auf das Rad oder den ÖPNV bewegen will. Auch der Umweltschutz spielt eine Rolle. Dem gegenüber steht der Zeitverlust für Autofahrer. Es ist eine Debatte, in der manche das Gefühl haben, dass in ihr auch die Frage mitschwingt, wer in Zukunft Vorfahrt auf den Straßen im Land haben wird. Wohl auch deshalb wird die Auseinandersetzung über die Tempofrage mitunter verbissen geführt.

Die gesetzlichen Regelungen machen die Einführung von Tempo 30 nicht gerade leicht

Für die politisch Verantwortlichen ist es deshalb immer eine Abwägungsfrage. Und dann gibt es da auch noch die gesetzlichen Regelungen, die die Einführung von Tempo 30 je nach Straßenart nicht gerade leicht machen.

Seit 1957 gilt in der Bundesrepublik innerorts generell Tempo 50, nachzulesen ist das in Paragraph 3, Straßenverkehrsordnung. Davon abweichen konnte man lange Zeit überhaupt nicht, erst in den 1980er Jahren gab es ein erstes Pilotprojekt. Im November 1983 wurde in Buxtehude in einem Modellversuch die erste Tempo-30-Zone der Bundesrepublik eingeführt, das Ziel dabei war es in erster Linie, die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer zu gewährleisten und die Anwohner zu entlasten. Erst mit einer Änderung der Straßenverkehrsordnung im Februar 2001 wurden die rechtlichen Hürden erstmals herabgesetzt. Seitdem gibt es immer mehr Abschnitte, auf denen die Kommunen Tempo 30 festgelegt haben.

Dabei unterscheidet der Gesetzgeber jedoch in verschiedene Kategorien: Am einfachsten ist die Einrichtung von kompletten Tempo-30-Zonen aus Gründen der Verkehrssicherheit, etwa in Wohngebieten mit wenig befahrenen Nebenstraßen. Einzige Voraussetzung: Diese Gebiete dürfen sich nicht auf Straßen des überörtlichen Verkehrs erstrecken, auch Vorfahrtsstraßen sind davon ausgenommen. Will eine Kommune hingegen die Geschwindigkeit auf Trassen begrenzen, die von überörtlichen Straßen abführen oder essenziell für den Durchgangsverkehr sind, muss das Starnberger Landratsamt seine Zustimmung geben.

Die Straße am Hanfelder Berg ist eigentlich wichtig für den überörtlichen Verkehr, trotzdem gilt hier Tempo 30. (Foto: Arlet Ulfers)

Die Behörde zeigt sich diesen Vorstößen gegenüber meist aufgeschlossen, ist allerdings an verkehrsrechtliche Vorgaben gebunden. So darf die neue Geschwindigkeitsbegrenzung etwa nicht dazu führen, dass dadurch ein Schleichverkehr durch andere Gemeinden entsteht. Allerdings kann diese Vorschrift durch triftige Gründe wie etwa ein aussagekräftiges Lärmschutzgutachten oder ein signifikant erhöhtes Unfallrisiko entkräftet werden. Die gleiche Regelung gilt auf Staatsstraßen. Vor Schulen und sozialen Einrichtungen kann die Höchstgeschwindigkeit ebenfalls auf 30 herabgesetzt werden, doch auch hier müssen übergeordnete Behörden und die Polizei eingeschaltet werden.

Im Landkreis Starnberg haben viele Kommunen ganz unterschiedlich geartete Tempo-30-Abschnitte. Die ehemalige Staatstraße am Hanfelder Berg in Starnberg zählt zu jenen Straßen, die wichtig für den überregionalen Verkehr sind, die Stadt benötigte deshalb ein Lärmschutzgutachten. Mit derselben Begründung hat Innings Bürgermeister Walter Bleimaier einen Tempo-30-Abschnitt auf der Staatsstraße in seiner Gemeinde erwirkt - eine vorherige Argumentation über die Verkehrssicherheit verfehlte ihr Ziel. Und in Wörthsee diskutiert die Gemeinde auf Impuls der "Initiative für Artenvielfalt" einen Ausbau von Tempo 30- eventuell auch auf der Ortsdurchfahrt. Auch in Weßling und Pöcking gibt es seit Längerem Bestrebungen, 30 Stundenkilometer als Höchstgeschwindigkeit für das ganze Ortsgebiet festzulegen.

Auf der Hauptstraße in Weßling darf man schon jetzt nur noch 30 fahren. Es gibt aber auch Bestrebungen, dieses Tempolimit auf den ganzen Ort auszuweiten. (Foto: Arlet Ulfers)

Auch in Starnberg setzt sich die Stadtspitze mit einem Ausbau von Tempo 30 auseinander. Für die Andechser Straße im Ortsteil Söcking etwa gebe es schon länger entsprechende Überlegungen, erklärt Bürgermeister Janik. Die rechtlichen Voraussetzungen dafür werden gerade ausgelotet. Bei einer Ortsteilbürgerversammlung Anfang Oktober erklärte Janik die dahinterstehende Absicht: Der Abschnitt solle auch durch andere Maßnahmen wie etwa zwei Zebrastreifen von einer Dorfdurchgangsstraße zu einer Dorfstraße werden.

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