Stadtverwaltung:Starnberg sucht mit Beamtenwitzen nach Mitarbeitern

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Mit selbstironischen Sprüchen will die Stadt neues Personal gewinnen. Einige Stadträte und der Beamtenbund können darüber aber nicht lachen: Der Dienst sei zu seriös für solche Scherze.

Von Sylvia Böhm-Haimerl und David Costanzo, Starnberg

Die drei Affen zieren die Postkarte - nichts sehen, nichts hören und nichts sagen. Darauf steht: "Der Beamtentest für den gehobenen Dienst: Eine Stunde aus dem Fenster sehen und dabei nichts bemerken." Mit diesem Spruch wirbt das Starnberger Rathaus um Nachwuchskräfte. Die Rückseite zeigt den Blick aus der Chefetage auf den Starnberger See mit der Anmerkung: "Übrigens: Bei uns haben Sie gute Aussichten - bewerben Sie sich!"

Witze gibt es viele über Staatsdiener, das selbstironische Spielen mit den Vorurteilen gefällt aber nicht jedem. Mehrere Stadträte kritisieren die Postkarten. Der Bayerische Beamtenbund findet die Aktion gar nicht witzig. "Derart überkommene Vorurteile dürften viele Kolleginnen und Kollegen als Beleidigung empfinden", ärgert sich der Vorsitzende Rolf Habermann.

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Stadtrat Michael Mignoli (Bürgerliste) hat die Postkarten im Rathaus entdeckt und bei der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am Montag seinen Ratskollegen vorgelegt. Er forderte, die Flyer umgehend aus dem Verkehr zu ziehen. Die markigen Sprüche kritisierte er als "nicht ganz glücklich" und nicht angemessen für den seriösen Beamtendienst. Einige Stadträte pflichteten ihm bei. Es sei nicht witzig und als Mitarbeiterwerbung völlig daneben, hieß es. Der Zweite Bürgermeister Klaus Rieskamp (Parteifreie) bezeichnete die Werbung als "grenzwertig".

Amtsleiter Ludwig Beck verteidigte die Aktion der Stadt. Es gebe viel zu wenig Bewerbungen von Nachwuchskräften, erklärte er. Die Problematik betreffe alle Gemeinden in der Region. Seiner Überzeugung nach muss man sich als Kommune absetzen von der Konkurrenz - in diesem Fall durch auffallende, witzige Werbesprüche, die speziell den Wortschatz und die Mentalität von Jugendlichen ansprechen sollen.

Tatsächlich sucht die Stadt derzeit zehn Mitarbeiter allein per Annonce auf ihrer Internetseite - vom Ingenieur über Erzieher bis hin zum Schwimmtrainer auf Honorarbasis. Vier Führungspositionen sind auf dem aktuellen Organigramm unbesetzt. Drei Ausbildungsgänge werden offeriert.

Auf einer zweiten Postkarte greift die Stadt einen gängigen Witz über Staatsdiener auf. "#Beamtentriathlon: Stempeln. Lochen. Abheften", heißt es vorne. Und hinten: "Sie sind Iron(wo)man? Dann bewerben Sie sich bei uns!" Die Sprüche weichen auf jeden Fall von der Norm ab, da war sich das Gremium einig. Konträr indes beurteilten die Stadträte Humor und Witz der Werbesprüche. Denn mit Verwaltung verbinden Bürger gemeinhin Autorität, aber auch Kompetenz.

Die Frage jedenfalls, welche Mittel für Nachwuchswerbung im Verwaltungsdienst erlaubt sind und welche Untiefen lieber umschifft werden sollten, wurde nicht beantwortet. Der ehemalige Gymnasiallehrer Winfried Wobbe (UWG) beendete die Diskussion mit dem lapidaren Kommentar: "Ich sehe das locker." Katja Fohrmann (CSU), ebenfalls Lehrerin, indes war überzeugt davon, dass es sinnvoller sei, in die Schulen zu gehen und auf Projekttagen vor Ort für die Stadt zu werben.

Dass die Stadt neue Mitarbeiter mit pfiffigen Sprüchen sucht, gefällt auch dem Beamtenbund. "Toll, wenn neue Wege beschritten werden", sagt der Vorsitzende Habermann. "Aber bei diesen Postkarten muss man sich schon fragen, was sich die Stadtoberen dabei gedacht haben." In den Regalen, in denen die Werbeprospekte im Foyer des Rathauses aufliegen, muss man die Werbekarten übrigens länger suchen; etwas verschämt wurden sie ganz unten platziert.

© SZ vom 09.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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