Klimakrise:Den Renken wird's zu warm

Lesezeit: 3 min

Den Fischern gehen jährlich immer weniger Renken ins Netz. (Foto: Florian Peljak)

Bei einer Tagung der Berufsfischer in Starnberg wird klar: Nährstoffmangel und Algenvermehrung reduzieren die Bestände in den bayerischen Seen mittlerweile drastisch. Tierische Räuber tragen noch dazu bei.

Von Armin Greune, Starnberg

Die Fische in den bayerischen Seen haben nicht nur mit der Klimaerwärmung zu kämpfen, die etwa im Ammersee unter anderem zur Vermehrung von giftigen Algen beiträgt. Sie stehen zudem unter hohem Prädatorendruck: Außer dem Kormoran setzen ihnen die Gänsesäger und zunehmend auch die Fischotter zu. Was natürlich auch zulasten der Erträge Berufsfischer geht, wie auch beim jüngsten Fortbildungsseminar der Fluss- und Seenfischer im Institut für Fischerei in Starnberg beklagt wurde. Doch auch Hilfsmaßnahmen für bedrohte Fischarten wie Äsche, Mühlkoppe und Mairenke standen im Fokus von Vorträgen und Diskussionen.

Und da gebe es "ein paar Erfolge zu vermelden", wie Michael Schubert vom Institut für Fischerei und Bernhard Gum, Fischereifachberater für Oberbayern, berichteten. Das gilt etwa für die Mühlkoppe, die am Starnberger See zwischenzeitlich ausgestorben war: Im Georgenbach ging wieder ein Exemplar in eine Larvenfalle und auch im Lüßbach wurde heuer die erste Mühlkoppe gefangen. Die unter anderem wegen der Verbauung der Fließgewässer bedrohte Art "breitet sich am Starnberger See aus", sagte Schubert im voll besetzten Saal seines Instituts. Dort wird an einer zentralen Fischdatenbank gearbeitet, die im kommenden Jahr als Artenatlas für Bayern online zugänglich gemacht werden soll.

Newsletter abonnieren
:SZ Gerne draußen!

Land und Leute rund um München erkunden: Jeden Donnerstag mit den besten Freizeittipps fürs Wochenende. Kostenlos anmelden.

Ein umfangreiches Forschungsprogramm widmet sich dort auch der Renke, dem Brotfisch der oberbayerischen Fischer. Im vergangenen Jahr fielen die Erträge recht unterschiedlich aus: Während im Chiemsee neun Kilogramm pro Hektar Seefläche in die Netze gingen, waren es im Starnberger See nur vier. Noch magerer war die Ausbeute im Ammersee, wo gerade einmal ein bis zwei Kilogramm pro Hektar erbeutet wurden.

Seit nunmehr vier Jahren untersuchen Wissenschaftler unter dem Titel "Nitroflex II" die Auswirkungen der Nährstoffverfügbarkeit auf das Renkenwachstum in elf bayerischen Seen. Dabei haben die Forscher besonders den Starnberger See im Blick. Unter anderem wird dort mittels Echoortung die Fischbiomasse gemessen: nachts, während das Boot im Schritttempo auf Zickzack-Kurs 18-mal übers Wasser kreuzt. Im Januar dieses Jahres erfassten die hydroakustischen Geräte im Starnberger See eine Fischdichte von 46 Kilogramm pro Hektar Wasserfläche. In den übrigen Gewässern liegen die Ergebnisse zwischen 20 Kilogramm pro Hektar im Bodensee und Staffelsee (wo vor Kurzem ein Fischsterben stattgefunden hat) und 115 Kilogramm pro Hektar am Tegernsee. Allerdings sind die Werte auch jahreszeitenabhängig: Im Herbst sind die Seen in der Regel fischreicher als im Frühjahr.

Im Rahmen dieses Projekts wird in Kooperation mit der LMU-München der Stickstoff- und Phosphorgehalt der Seen erfasst: Das Verhältnis der beiden Nährstoffelemente beeinflusst maßgeblich das Planktonwachstum, das wiederum Lebensgrundlage für die Fische ist. Während der Eintrag von Phosphor seit Jahrzehnten konstant ist, nimmt die Zufuhr von Stickstoff aus der Luft und dem Grundwasser ständig zu.

Bernhard Ernst, promovierter Biologe und Fischer aus Utting, kennt die bedrohlichen Effekte. (Foto: Georgine Treybal)

Zudem beeinträchtigt die fortschreitende Klimaerwärmung die Nährstoffverfügbarkeit für die Fische massiv. Zu ihrem verminderten Wachstum und zu sinkenden Fangerträgen der Fischer können auch Burgunderblutalgen beitragen, die mit der zunehmenden Erwärmung der Seen immer häufiger massiv in Erscheinung treten. Bernhard Ernst, Biologe und Erwerbsfischer aus Utting, stellte bei der Starnberger Fachtagung die Ergebnisse seiner Promotionsschrift vor, die den Effekt dieser fadenförmigen Cyanobakterien auf die Renken im Ammersee zum Inhalt hatte.

Die sogenannten "Blaualgen" überleben auch in 80 Meter Tiefe und produzieren Microcystine, zellinterne Giftstoffe, die ihnen als Fraßschutz dienen. In den vergangenen 20 Jahren erreichten die Blutburgunderalgen im Ammersee dreimal eine Dichte, die für Renken lebensbedrohlich ist. Aber schon weit unterhalb der akut toxischen Konzentrationen führen die giftigen Algen zu Organschäden, physiologischem Stress und verminderter Fitness der Fische.

Fischotter, wie dieser im Wisentgehege Springe, lieben nun einmal Fische - und verursachen jährliche Entschädigungszahlungen in Millionenhöhe. (Foto: Christophe Gateau/picture alliance/dpa)

Was dazu beitragen kann, dass sie öfter tierischen Räubern zum Opfer fallen, die sich naturgemäß keiner großen Beliebtheit bei den Fischern erfreuen. Den aktuellen Frontverlauf im Grabenkrieg mit den ärgsten Konkurrenten gab Reinhard Reiter, Fischereireferent am bayerischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Tourismus, wieder. Der Fischotter, der aus Ostbayern immer weiter nach Westen vordringt und auch schon im Süden des Fünfseenlandes gesichtet wurde, habe im Vorjahr Entschädigungszahlungen von 1,7 Millionen Euro an die Teichwirtschaft verursacht.

Reiter schätzt den Bestand im Freistaat inzwischen auf etwa 1500 Tiere. Seit Mai sei eine Verordnung in Kraft, die Eingriffe in die Otterpopulation ermöglicht, doch die Klage von drei Umweltverbänden habe bislang die Umsetzung verhindert, sodass bis dato noch kein Otter in Bayern gefangen oder geschossen wurde.

An der Isar sind bis jetzt 161 Gänsesäger (hier ein Pärchen) bereits "letal vergrämt" worden. Was bedeutet: Sie wurden abgeschossen. (Foto: McPHOTO/E. Thielscher/imago/blickwinkel)

Mehr Erfolg hat Reiters Einsatz gegen die Gänsesäger gebracht: 161 Exemplare sind an Fließgewässern wie der Isar "letal vergrämt" worden, was doch eine schöne Umschreibung für "abgeknallt" ist. In der Folge hätten sich die Fischbestände deutlich erholt, wovon auch endlich die bedrohte Äsche profitiere, für die Fischer im Zuge der Renaturierung zuvor vergeblich Laichgründe auf Kiesbänken angelegt hatten. Und das Kormoranmanagement im Freistaat bezeichnete Reiter als "relativ gut": Im Schnitt werden jährlich etwa 8000 dieser Vögel geschossen.

Erfolge konnte der oberbayerische Fischereifachberater Bernhard Gum, auch im Rahmen des Artenhilfsprogramms für die Mairenke vermelden, eine bedrohte Fischart, die am Starnberger See die Westgrenze ihres Verbreitungsgebiets erreicht und außerdem nur noch am Simssee und Chiemsee vorkommt. Inzwischen wurde in einem Pilotprojekt auch der Schliersee mit vorher aufgezogenen Jungfischen und Brut der Mairenke besetzt. Gum stellte sich auch die Frage, warum dieser Fisch nicht im Ammersee vorkommt, in einem Buch von 1926 sei sie dort noch als heimisch beschrieben worden ist. Bernhard Ernst machte dafür die Regulierung der Ammer im frühen 20. Jahrhundert verantwortlich: Seitdem gebe es keine fischgängige Zuflüsse mehr, die Mairenken zur Fortpflanzung aufsuchen können.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusInterview mit Wigald Boning
:"Man muss nicht in die Karibik, Füssen ist die bessere Lösung"

Der Comedian Wigald Boning schwimmt seit knapp 500 Tagen täglich im Freien und hat darüber ein Buch geschrieben. Ein Gespräch über deutsche Wasser-Oasen, falschen Ehrgeiz und eine besondere Community.

Interview von Carolin Fries

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: