Pandemie:Impfpflicht für Pflegepersonal - ja!

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Im Landkreis Starnberg häufen sich Durchbrüche in Seniorenheimen. Die Forderung nach Konsequenzen für bestimmte Berufsgruppen wird immer lauter.

Von Linus Freymark, Krailling

Die Hoffnung ist groß an jenem 27. Dezember 2020. Unter Polizeischutz treffen im Caritas-Seniorenheim Maria Eich in Krailling die ersten 50 Impfdosen ein. Damit beginnt der Weg raus aus der Pandemie, hoffen sie alle an jenem Sonntag. Und weil der Anlass ein so erfreulicher ist in diesem dunklen Winter, ist natürlich auch der Landrat da. "Das Gold von heute", nennt Stefan Frey (CSU) die Vakzine damals.

Ein bisschen stimmt das ja auch noch immer: Nach wie vor sind die Impfstoffe der vielversprechendste Weg raus aus der Pandemie, auch wenn sie längst nicht mehr so begehrt sind wie vor knapp einem Jahr. Und doch macht sich in den Seniorenheimen der Region nach der anfänglichen Freude gerade Ernüchterung breit. Denn der derzeitige Impfschutz, das zeigen die Ausbrüche und Todesfälle in jüngster Zeit, reicht nicht, um in den Einrichtungen zum Betrieb zurückzukehren, wie er vor Corona normal war.

"Natürlich haben wir gehofft, dass wir nicht noch mal so einen Winter wie den letzten haben werden", sagt die Leiterin von Maria Eich, Diana Sturzenhecker. Den Sommer über schien dieses Szenario ja auch weit weg, die Leute gingen wieder raus. Nun aber haben sie in Maria Eich immer wieder Ausbrüche. Aktuell sind 22 Bewohner und Mitarbeiter erkrankt, am Wochenende starb eine 86-jährige Bewohnerin, auch bei ihr wurde das Virus nachgewiesen.

Wegen solcher Fälle werden jetzt wieder einzelne Stationen isoliert. Nicht mehr das ganze Heim, immerhin, aber für die so gut wie vollständig geimpften Bewohner ist das natürlich nicht das, was sie sich erhofft haben. "Mehr als 90 Prozent bei uns sind geimpft", sagt Sturzenhecker. Auch in den anderen Heimen des Landkreises liege die Zahl der geimpften Bewohnern bei mehr als 90 Prozent, schätzt BRK-Chefarzt und Heimarzt Richard Aulehner. Weil der Impfschutz aber langsam nachlässt und es immer mehr Impfdurchbrüche gibt, werden die Bewohner gerade drittgeimpft. Das laufe ganz gut, sagt Sturzenhecker, einige Bewohner hätten jedoch noch nicht die dritte Impfung erhalten. "Da fehlen aktuell noch ein paar." An den Bewohnern liege das nicht - vielmehr ist die Kampagne für die dritte Impfung zu spät ins Rollen gekommen, die Staatsregierung versuche gerade aufzuholen, was geht. "Je länger die Impfung her ist, desto mehr geht der Schutz runter", erklärt Aulehner. Die Verläufe unter den geimpften Bewohnern seien zwar nach wie vor milder als noch zu Beginn der Pandemie, dennoch erkranke derzeit auch ein nicht geringer Anteil von geimpften Senioren kritisch an Corona. Hinzu komme die Delta-Variante, die "deutlich ansteckender und aggressiver" sei als die Ursprungsversion des Virus. Deshalb müssten nun so schnell wie möglich alle Bewohner von Seniorenheimen eine Booster-Impfung erhalten.

Neben dem abflauenden Impfschutz, der immerhin gerade aufgefrischt wird, stellt eine Gruppe laut Sturzenhecker und Aulehner eine besondere Gefahr für die Bewohner dar: die bislang ungeimpften Besucher und Mitarbeiter der Einrichtungen. Von den Pflegenden über die Köche und Reinigungskräfte: Jeder, der Maria Eich oder die anderen Heime betritt, könnte das Virus im Gepäck haben.

Angesichts der verschärften Situation reißt Aulehner langsam der Geduldsfaden mit jenen, die sich auch nach einem Jahr nicht zu einer Impfung durchringen konnten. Auf 20 bis 30 Prozent schätzt er den Anteil der ungeimpften Beschäftigten in den Heimen im Kreis. Aulehner hat lange gezögert, sich klar für eine Impfpflicht für diese Berufsgruppe auszusprechen. Aber nachdem alle Appelle nichts gebracht haben, sagt auch er mittlerweile: "Ich muss ganz klar sagen: Ja, ich bin für eine Impfpflicht für Mitarbeitende im Krankenhaus und in der Pflege." Und auch Diana Sturzenhecker sagt: "Meine persönliche Meinung ist, dass es die braucht."

Denn für die momentane Situation in den Heimen macht Aulehner die Ungeimpften zu einem großen Teil verantwortlich. "Wir gehen schwierigen Zeiten entgegen", sagt Aulehner. "Aber ich hoffe nicht so schlimm wie wir sie bisher hatten." Im schlimmsten Fall, wenn die Zahlen im Land weiter so steigen, müsste man die Heimbewohner wieder komplett isolieren. Wieder ein Winter, abgeschirmt von der Außenwelt - für die Bewohner wäre das eine Katastrophe. Damit es nicht so weit kommt, werden gerade wieder Masken und Tests angeschafft. Bislang sei die Situation für die Bewohner noch einigermaßen aushaltbar, meint Aulehner. Maske überm Gesicht, Teststäbchen in der Nase - das kennen sie ja alles schon. Diana Sturzenhecker fände es allerdings schade, wenn all die Maßnahmen bald wieder für alle Bewohner gelten würden - also auch für die Drittgeimpften.

© SZ vom 17.11.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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