Amtsgericht:Post landet im Wald

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36-jähriger Zusteller soll 114 Briefe im Unterholz bei Starnberg entsorgt haben. Er muss sich nun vor Gericht verantworten.

Von Christian Deussing, Starnberg

Zuerst hatte eine Spaziergängerin nur vier ungestempelte und aufgeweichte Briefe zum Jahresende 2020 im Unterholz in der Nähe des Starnberger Ortteils Perchting entdeckt. Wenige Tage später fanden ihr Ehemann und Sohn dort sogar einen Korb voller bunter Weihnachtspost unterm Laub versteckt. Sie meldeten ihre Entdeckung der Post AG, die daraufhin der Sache nachging und auch die Polizei einschaltete. Der Verdacht fiel auf einen Fahrer eines Service-Partners, der auf seiner Tour Briefkästen unter anderem in Herrsching, Seeshaupt, Tutzing und Starnberg geleert hatte. Der 36-jährige Münchner erhielt später einen Strafbefehl von 120 Tagesätzen zu 40 Euro, also in Höhe von 4800 Euro. Er wäre somit vorbestraft.

Laut Anklage soll der mittlerweile arbeitslose Mann das Post- und Fernmeldegeheimnis verletzt und insgesamt 160 Euro aus den Briefen - auch mit Trauerkarten - entwendet haben. Doch der Angeklagte bestritt am Dienstag vor dem Amtsgericht Starnberg die Vorwürfe und war sich keiner Schuld bewusst. Denn er sei in der fraglichen Dezemberwoche nur am Freitag auf der Tour in der Region eingesetzt gewesen, ließ der Mann über seine Verteidigerin erklären. Auch sei damals ein Briefkastenschlüssel verloren gegangen, der aber bald wieder aufgetaucht sei. Die Anwältin betonte außerdem, dass unterschiedliche Fahrer anderer Postpartner diese Tour bedienten. Daher solle man ihren Mandanten "nicht unter Generalverdacht stellen" - zumal der Angeklagte bis zu den Vorfällen bei seinem Arbeitgeber beliebt und zuverlässig gewesen sei, sagte die Verteidigerin.

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In dem Prozes sagte auch ein Angestellter des Postkonzerns aus, der sich mit dem Fall beschäftigt hatte. Demnach hätten GPS-Auswertungen ergeben, dass der Service-Mitarbeiter am Freitag, 12. Dezember 2020, an dem Fundort der 114 entsorgten Sendungen bei Perchting vorbei in Richtung Briefzentrum Schorn gefahren sei. Er habe an dem Abend sein Fahrzeug danach in München abstellen müssen, weil am darauffolgenden Tag der Chef des Zustellers die Tour fahren sollte. Überdies berichtete der Zeuge davon, dass Ende 2020 aus einem Münchner Briefkasten zwei Sendungen mit Online-Gutscheinen gestohlen worden seien. Diese hätten zwei Frauen, die der Angeklagte gekannt habe, dann eingelöst, sagte der 61-jährige Postangestellte dem Gericht.

Davon wussten allerdings weder die Amtsrichterin noch der Staatsanwalt und die Verteidigerin etwas. Diese Angelegenheit habe mit dem Verfahren auch nichts zu tun, befand die Richterin. Sie hat nun weitere Zeugen geladen, um ein Urteil fällen zu können. Verfolgt wurde der Prozess auch von Schülern einer 9. Realschulklasse aus Herrsching - einer von ihnen flüsterte, dass ihm der Fall "spanisch" vorkomme.

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