Ausbildung:Die beste Bootsbauerin Bayerns

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Marie Isabel Praß Cuenca mit ihrem Gesellenstück: einer Ruderanlage. (Foto: Arlet Ulfers)

Marie Isabel Praß Cuenca aus Starnberg hat sich als Frau in einer Männerdomäne behauptet und ihre Lehre mit Bestnote abgeschlossen. Warum die 21-Jährige der Branche dennoch den Rücken gekehrt hat.

Von Carolin Fries, Starnberg

Marie Isabel Praß Cuenca ist Bayerns beste Bootsbauerin. Ein ganzes Boot aber hat die Starnbergerin noch nie gebaut. "Das wäre viel zu aufwendig und zeitintensiv" für die dreieinhalbjährige Ausbildung, erzählt die 21-Jährige. Sie konnte die Ausbildung heuer trotz verkürzter Lehrzeit um ein halbes Jahr als Landes- und Kammersiegerin abschließen, mit einer glatten Eins im praktischen Teil. Die Hobby-Seglerin hat inspiriert von der Schiffsklasse Pirat eine einfache Segeljolle konstruiert, "modern und trotzdem nachhaltig", wie sie sagt. Treasure chest hat sie ihr fünf Meter langes und 1,52 Meter breites Boot aus Mahagoni-Holz mit einem Kunststoff-Teak-Deck genannt - Schatztruhe. Doch ob dieses Segelboot jemals gebaut und ins Wasser gelassen wird, ist zu bezweifeln. Zum einen, weil die junge Frau ein Faible für die Instandsetzung alter Boote hat. Zum anderen, weil sie der Branche, die sie als männerdominiert erlebt hat, mit ihrem Abschluss bereits den Rücken gekehrt hat.

Praß Cuenca ist Landes- und Kammersiegerin in ihrem Fach. (Foto: Arlet Ulfers)

Marie Isabel Praß Cuenca ist eine Anpackerin. Sie mag die groben Arbeiten, langt gerne zum kiloschweren Hammer oder zu der Schleifmaschine, die nur mit zwei Händen zu bändigen ist. Dass sie nach dem Abitur eine handwerkliche Ausbildung macht, war für sie klar. "Das ist einfach eine super Grundlage." Der Bootsbau bot sich an. Ihr Vater kommt aus Bremerhaven und hat seinen Wehrdienst bei der Marine bestritten, der Onkel war Hafenlogistiker. Praß Cuenca segelt seit ihrer Kindheit, die Familie ist Mitglied im Münchner Yachtclub am Starnberger See. Bei der "Bootswerkstatt" in Gauting fand sie einen Ausbildungsplatz. In den Wintermonaten lernte sie dort, Boote zu reparieren, im Sommer packte sie auch mal beim Dachausbau in Trockenbauweise an. "Ich habe viel gelernt", resümiert sie. Ihr Fachbereich sei groß und reiche von Holzkunde über Bootstechnik bis zu Elektrotechnik und Metallkunde. Handwerklich sei sie in der Familie und bei Freunden inzwischen schwer gefragt.

Für sie stand früh fest, dass sie für die Gesellenprüfung ein Segelboot entwerfen würde - auch wenn sie es sich damit extra schwer machte. Vorgegeben werden in der Prüfung nur Eckdaten, die meisten Absolventen planen deshalb Motorboote. Praß Cuenca musste viel mehr konstruieren als lediglich einen stählernen Korpus. Sie berechnete die Krümmung der Holzplanken, setzte Mast, Schwertkasten und Ruderanlage - unendlich viel Fummelei und Maßarbeit. Immer wieder musste sie neu rechnen und nachjustieren, die Statik brachte sie schier zur Verzweiflung. Auch, weil sie es sich nicht nehmen ließ, besondere Details umzusetzen, wie abgerundete Kanten für ein bequemeres Sitzen beim Steuern und eine verschließbare Schublade zum Stauraum. "Ungewöhnlich", wie sie selbst sagt. Aber eben auch praktisch und elegant.

Der Linienriss ist ebenso Bestandteil der praktischen Prüfung . . . (Foto: Arlet Ulfers)
. . . wie die Bauzeichnung. (Foto: Arlet Ulfers)

Drei Monate haben die Prüflinge Zeit für ihre Bootsplanung. Für den Linienriss, der als Konstruktionsgrundlage dient, die Bauzeichnung und die Baubeschreibung. Die Zeichnungen von Praß Cuenca sind wahre Kunstwerke: Jede Bleistift-Linie ist hauchdünn mit Tusche nachgezogen, die Legende fein säuberlich in Miniatur-Handschrift hinterlegt. Natürlich hat sie sich die Pläne rahmen lassen, irgendwo im elterlichen Haus im Starnberger Ortsteil Petersbrunn werden sie einen Platz finden. Wie auch das Gesellenstück: Eine Ruderanlage bestehend aus Ruderblatt, Pinne und Kunststoff-Verbindung. Drei Tage haben die Prüflinge für diese Arbeit Zeit. Beim Zusammensetzen der Einzelteile ist die Spannung immer groß, ob auch alles zusammenpasst.

Deutschlandweit gibt es nur drei Schulen für Bootsbau: In Lübeck, Duisburg und Brake - letztere hat aber kaum Auszubildende aus Bayern. Für eine Woche im Monat pendelte die junge Frau in den vergangenen Jahren also zum Schiffer-Berufskolleg Rhein nach Nordrhein-Westfalen, organsierte sich wechselnde Unterkünfte. Zehn Mitschüler hatte sie in der Klasse, alle männlich. Nur wenige Frauen machen eine Ausbildung zur Bootsbauerin. "Als ich angefangen habe, waren unter den knapp 400 Auszubildenden deutschlandweit nur drei Frauen", erzählt Marie Isabel Praß Cuenca. Sie hat die Branche fast ausnahmslos als voreingenommen gegenüber Frauen kennengelernt. Für viele Ausbilder seien Frauen das "schwache Geschlecht". Auch sie selbst erhielt deshalb Absagen bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz. Das ärgert sie noch immer. Nicht nur, weil es falsch ist und etwa ihre Kollegen "immer mich fürs Grobe geholt haben". Sondern auch, weil ihr klar geworden ist: In dieser Atmosphäre wird sie als Frau wohl kaum Karriere machen - oder aber sehr hart darum kämpfen müssen.

Vor wenigen Wochen hat die Starnbergerin deshalb mit dem Studium der Theaterwissenschaften begonnen. Sie träumt davon, später einmal an der Oper in der Ausstattung zu arbeiten, dort ihr handwerkliches und künstlerisches Können einzubringen. Vielleicht kann sie ja irgendwann dort einmal ein Boot bauen. Zumindest als Kulisse.

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