Engagement:Wenn Jugendliche Senioren zeigen, wie man ein Selfie macht

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Ursula Rutz weiß jetzt auch, wie ein Selfie geht, dank (von links) Jessica Castaldo, Mario Orsolic, Prodromos Chatziiordanidis und Louis Zandt. (Foto: Arlet Ulfers)

Für manche ist es ein Gerät mit sieben Siegeln: In Gauting erklären Schüler der Paul-Hey-Mittelschule ehrenamtlich älteren Menschen, wie deren Smartphone funktioniert.

Von Blanche Mamer, Gauting

"Ich kann einen Wasserhahn reparieren, aber mit dem Handy kenne ich mich nicht aus", sagt Frau S. aus Gauting. Einen ganzen Abend habe sie sich mit dem neuen Mobiltelefon herumgequält und sei schon an der Inbetriebnahme gescheitert. Wie gerufen kam da die Zeitungsmeldung von der Handy-Sprechstunde "Jung hilft Alt" in der Gautinger Insel. Ganz spontan erschien sie am Donnerstagnachmittag im Zentrum an der Grubmühlerfeldstraße. Ohne Anmeldung, denn das hatte sie überlesen. Weil ein Teilnehmer in letzter Minute abgesagt hatte, konnte Insel-Leiterin Inga Schauder sie doch noch annehmen. Und nun lässt sich Frau S. von Jessica in die Zeichen und Hinweise ihres neuen Handys einführen. Die Neuntklässlerin der Paul-Hey-Mittelschule in Gauting ist schon zum dritten Mal bei der Gruppe der Jugendlichen dabei, die sich gut auskennen und den Senioren ehrenamtlich helfen, ihre Minitelefone zu bedienen. Mit vier Jahren hatte sie ihr erstes Handy, das allerdings hauptsächlich zum Spielen diente.

Eigentlich hat Frau S. ja schon längst ein Mobiltelefon, allerdings von einer anderen Marke. Weil sie das immer wieder irgendwo liegen lasse oder im Auto vergesse, habe sie sich ein zweites Gerät gekauft. Eins mit sieben Siegeln! Die Kontaktliste erstellen, Kurznachrichten schreiben und verschicken . . . alles ein wenig anders wie bei ihrem ersten Gerät, grummelt sie. "Mal sehen, ob ich mir das alles merken kann", sagt sie.

Ursula Rutz gehört zu den Senioren, die ihr Handy geerbt haben. Es lag lange in der Schublade der Enkelin, erzählt sie. Nun da sie sich mit ihrem Tablet gut auskenne, wolle sie das Smartphone ausprobieren, ist es doch kleiner und handlicher für die Tasche. Und "lernen hält jung", meint sie. Die Schriftgröße neu einstellen, das ist schon mal ein Anfang. Dann die einzelnen Anwendungen auf ihre Tauglichkeit prüfen und schließlich ein Selfie machen von sich und den netten Schülern Jessica, Louis, Mario und Prodromos. Der 14-jährige Mario ist der einzige, der keine Selfies mag und auch keine macht. Er hat vor drei Jahren sein erstes Mobiltelefon bekommen, zuerst ein Tastenhandy, jetzt hat er ein Smartphone. Seine erste Kundin kennt schon einige Apps, wie sie sagt, aber sie weiß nicht, wie man neue installiert. Die Fahrplanauskunft der Bahn möchte sie gerne abrufen können, auch das Wetter in anderen Städten, in Nürnberg zum Beispiel, wohin sie öfters fährt.

Eine halbe Stunde hat Inga Schauder für jede Beratung eingeplant. Länger sei zu anstrengend, für die Senioren wie für die Schüler, die direkt vom Essen in der Mensa zur Beratung geeilt sind. "Wie geht das, eine Whatsapp zu verschicken?", will eine rüstige Seniorin von ihrem Berater, dem 15-jährigen Louis wissen. Dann will sie ein Foto als Kennung installieren und die Blumenwiese, die jetzt ihre Nachrichten ziert, löschen. Der nächste Besucher will sich in einem anderen Raum beraten lassen, sonst könne er sich nicht konzentrieren. Mario und Prodromos kümmern sich um ihn.

Alle neun Senioren sind zufrieden, versprechen, fleißig zu üben und weitere Fragen zu notieren. Die Schüler finden das Projekt ebenfalls ok. Sie bekommen später ein Anerkennungsschreiben von Bürgermeisterin Brigitte Kössinger, dass sie sich ehrenamtlich für die Senioren engagiert haben, was bei Bewerbungen immer gut ankommt.

© SZ vom 08.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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