Prozess um Attacke in Pöcking:Angeklagter muss fünf Jahre und sechs Monate in Haft

Lesezeit: 2 min

Wegen fünffachen Mordversuchs musste sich der Angeklagte vor Gericht verantworten. (Foto: dpa)

Andreas G. raste im Mai 2020 mit dem Auto auf fünf Menschen zu, mehrere wurden verletzt. Jetzt wurde er wegen gefährlicher Körperverletzung, vorsätzlichem gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr sowie Unfallflucht und Sachbeschädigung verurteilt.

Von Christian Deussing, Pöcking

Auf zwei Krücken geht der Mann am sechsten Prozesstag zu seinem Platz. Andreas G. leidet noch unter seinem absichtlich herbeigeführten Crash gegen einen Baum, nachdem er kurz zuvor am 26. Mai 2020 in der Starnberger Straße in Pöcking mit seinem Auto in eine Fußgängergruppe gerast war, um laut Anklage vor allem seine 23-jährige Freundin zu töten. Sie hatte gegen seinen Willen am Morgen das gemeinsame Kind heimlich abgetrieben. Seine Partnerin wurde bei dem Anschlag leicht verletzt, ihre jüngere Nachbarin hingegen schwer.

Dieser Vorwurf des versuchten Mordes hält im Prozess vor dem Landgericht München II nicht stand: Am Dienstag verurteilt die Schwurkammer den 44-jährigen Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten - wegen gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen, vorsätzlichem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr sowie Unfallflucht und Sachbeschädigung. Der Gericht unter dem Vorsitz von Thomas Bott hält dem geständigen Angeklagten zugute, sein Auto an einer Bordsteinkante kurz vor dem Aufprall noch von 54 auf 17 Stundenkilometer abgebremst und somit von einem Mordversuch abgelassen zu haben.

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Zuvor hat Staatsanwalt Matthias Braumandl im Prozess eine Freiheitsstrafe von zehn Jahren für Andreas G. gefordert, weil er den Personen mit laufendem Motor aus Rache und Wut aufgelauert habe und mit "absolutem Vernichtungswillen" in eine Menschengruppe mit einem Kleinkind gerast sei und deren arg- und wehrlose Situation ausgenutzt habe.

Dennoch lässt auch der Ankläger den Vorwurf des mehrfach versuchten Mordes fallen, weil Andreas G. vor dem Aufprall gegen die Menschen und ein geparktes Auto abgebremst habe - dann gewendet sei und nicht versucht habe, die teilweise auf dem Boden liegenden Personen zu überfahren. Für den Staatsanwalt ist der 44-Jährige jedoch eine zwanghafte Persönlichkeit, die die Lebensgefährtin kontrolliert und wie eine "Leibeigene" behandelt habe.

Die Anwälte, die die Opfer in der Nebenklage vertreten, verweisen zudem auf die massiven psychischen Folgen der Gewalttat - wobei ein Rechtsanwalt sogar zwölf Jahre Haft fordert, weil der Mann mit der gezielten Autoattacke weiterhin den Versuch eines Mordes verfolgt habe. Ein anderer Vertreter der Nebenklage verlangt, dass Andreas G. 10 000 Euro an die schwer verletzte Schülerin aus Pöcking zahlen müsse.

"Ich würde es gern rückgängig machen, wenn ich könnte"

Die Verteidiger des 44-Jährigen, der seit der Tat in Untersuchungshaft sitzt und bereits mehrfach vorbestraft ist, fordern lediglich eine zweijährige Bewährungsstrafe, um ihm auch eine bessere Genesungschance als in der Zelle zu geben. Vor allem seien dem Angeklagten nur zwei gefährliche Körperverletzungen anzulasten sowie eine Unfallflucht, bei der zwei Passanten fahrlässig verletzt worden seien. Die beiden Anwälte verweisen auf eine zwölf Meter lange Bremsspur und die Entscheidung ihres Mandanten, in dem Tatmoment sein mögliches Vorhaben abzubrechen.

Der Angeklagte sei auch nicht in eine Gruppe, sondern in hintereinander gehende Fußgänger gefahren, betonen die Verteidiger. Für den Mann sei an dem Tag, als er völlig überraschend von dem Schwangerschaftsabbruch seiner Gefährtin erfahren habe, "die Welt zusammengebrochen". Er sei kein Stalker oder schlechter Mensch und habe geglaubt, dass sich auch die Nachbarn gegen ihn verschworen hätten. In dieser Ausnahmesituation sei "das Ganze hochgekocht".

Andreas G. entschuldigt sich am Schluss nochmals bei seinen Opfern, die aber nicht am Tag des Urteils erscheinen: "Ich würde es gern rückgängig machen, wenn ich könnte", sagt er leise.

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