Literatur und Politik:Oskar Maria Graf, der Antifaschist

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Das Original-Gipsmodell des Aufkirchner Oskar-Maria-Graf-Denkmals hat Grafs Urenkelin dem Museum überlassen. (Foto: Nila Thiel)

Das Museum Starnberger See ehrt das Lebenswerk des Schriftstellers mit einer Ausstellung in fünf Kapiteln. Das Interesse des Publikums ist enorm.

Von Katja Sebald, Starnberg

Jetzt haben also auch die Starnberger "ihren" Oskar Maria Graf: Carolina Glas, die Urenkelin des Schriftstellers, hat dem Museum Starnberger See das originale Gipsmodell des Aufkirchner Graf-Denkmals überlassen. Der Bildhauer Max Wagner, der die lebensgroße Figur zum 100. Geburtstag des Dichters im Auftrag der Gemeinde Berg schuf, hatte es ihrer Familie vor Jahren geschenkt. Museumsleiter Benjamin Tillig hat nun mit seinem Team rund um dieses hochkarätige Geschenk und einige weitere Leihgaben aus der Familie, darunter auch Grafs legendäre Lederhose, die Ausstellung "Oskar Maria Graf: Dichter und Antifaschist vom Starnberger See" konzipiert, die die verschiedenen Stationen von Grafs Leben nacherzählt. Zur Eröffnung am Sonntagnachmittag platzte das Museum aus allen Nähten.

Auch von offizieller Seite hat das Museum seit Langem nicht mehr so viel Aufmerksamkeit bekommen: Der Starnberger Bürgermeister Patrick Janik betonte in seiner Ansprache, Graf sei jemand gewesen, der sich "gegen Vereinnahmungen von rechts wie von links" zur Wehr gesetzt habe und "als solcher auch für die heutige Zeit ein Vorbild" sei. Landrat Stefan Frey bezeichnete die Ausstellung als kulturelles Highlight im Leben der Stadt. Er sagte, Graf habe früh die Gefahr des Nationalsozialismus erkannt. Auch Laura Mokrohs, die Vorsitzende der Oskar-Maria-Graf-Gesellschaft, freute sich, dass Graf schon im Titel der Ausstellung als "Antifaschist" geehrt werde und stellte wie Benjamin Tillig einen Bezug zur Gegenwart und dem Wiedererstarken rechter Kräfte her.

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Die Ausstellung will Graf in seinem 130. Geburtsjahr als den bekanntesten Dichter der Region um den Starnberger See würdigen. Empfangen werden die Besucher von dem berühmten Foto, das Stefan Moses im Jahr 1964 im Wald bei Berg von Oskar Maria Graf machte. Zahlreiche weitere Reproduktionen von Fotografien, Zeitungsartikeln, Briefen und anderen Dokumenten bilden die Basis für die Ausstellung. Sie ist in fünf Kapitel gegliedert, die jeweils einem Lebensabschnitt entsprechen: Familienfotos und ein Stammbaum stehen im ersten Kapitel für Grafs Herkunft und seine Kindheit in Berg. Das zweite Kapitel widmet sich den Zwanzigerjahren in München, als Graf in Anarchistenkreisen verkehrte und nach dem Erscheinen seines autobiografischen Romans "Wir sind Gefangene" als Chronist der Revolution gefeiert wurde. Seine Freundschaft mit dem Maler Georg Schrimpf wird auch durch einige kleine Originale illustriert, die sich in der Familie erhalten haben.

Die Ausstellung zeigt viele Fotografien, Zeitungsartikel und Briefe. (Foto: Nila Thiel)
Die Lederhose des Anstoßes: Um Grafs Auftritt im Cuvilliés-Theater anlässlich der 800-Jahr-Feier der Stadt München gab es einen Eklat. (Foto: Nila Thiel)
In den ausgestellten Büchern darf geschmökert werden. (Foto: Nila Thiel)

Das dritte Kapitel dreht sich um Grafs Weggang aus München nach der Machtüberlassung an die Nationalsozialisten. Von Wien aus schrieb er seinen Aufruf "Verbrennt mich!", der ihn über Nacht weltberühmt machte. Als sich die politische Lage auch in Österreich verschärfte, zog Graf mit seiner jüdischen Lebensgefährtin Mirjam Sachs nach Brünn, 1938 folgte die Emigration nach New York, die im vierten Kapitel der Ausstellung geschildert wird. Im Zentrum des fünften Kapitels steht Grafs erster Besuch in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1958 und der Eklat um seinen Auftritt in der Lederhose im Cuvilliés-Theater im Rahmen der 800-Jahr-Feier der Stadt München.

Die Ausstellungsbesucher können darüber hinaus nicht nur in Grafs Werk blättern, sie dürfen auch Graf selbst in einem Filmdokument aus dem Archiv des Bayerischen Rundfunks erleben und sie können sich über eine Hörstation freuen. Michael Gottfried, der in Berg lebende Tonmeister des Münchner Residenztheaters, hatte verschiedene bekannte Schauspieler und Sprecher aus der Region dafür gewinnen können, prägnante Passagen aus Grafs Werk einzulesen. Alle Beteiligten hatten wegen der angespannten finanziellen Situation des Museums auf eine Gage verzichtet.

Von Wien aus schrieb Graf seinen Aufruf "Verbrennt mich!", der ihn über Nacht weltberühmt machte. (Foto: Nila Thiel)

Neue Erkenntnisse zu Oskar Maria Graf präsentiert diese Ausstellung eher zwischen den Zeilen. So ist etwa eine Auflistung zu sehen, mit der er nach 1945 eine Wiedergutmachung für die von den Nationalsozialisten im Jahr 1933 in seiner Münchner Wohnung beschlagnahmten Gegenstände beantragt, darunter auch für seine umfangreiche Bibliothek. Tatsächlich aber hatte Grafs Bruder Maurus die Münchner Wohnung bereits vor der Durchsuchung geräumt und die Bücher wie auch einen Teil der Möbel in Sicherheit gebracht.

Ebenfalls eher nebenbei wird mit dieser Ausstellung auch der endgültige Beweis dafür erbracht, dass es nicht nur eine, sondern zwei Lederhosen gab und dass Graf im ehrwürdigen Cuvilliés-Theater in einer nagelneuen Hirschledernen saß. In einem Zeitungsartikel aus dem Jahr 1958 kann man nachlesen, dass Graf bei seinem ersten Besuch in München vom Bayerischen Rundfunk eine Lederhose als Geschenk erhalten hatte. Und wenn man die Fotos vergleicht, dann sieht man, dass er zwar bei seiner Ankunft am Flughafen noch dieselbe alte speckige Hose trug, in der er Deutschland ein Vierteljahrhundert zuvor verlassen hatte und die ihm zur "tragbaren" Heimat geworden war, dass er aber danach nur noch in der zwar beachtlich großen, aber etwas zu kurz geratenen Hose mit dem nicht ganz dazu passenden Hosenträger auftrat, die bis heute von der Familie aufbewahrt wird und bereits in mehreren Ausstellungen zu sehen war.

Die Ausstellung "Oskar Maria Graf, Dichter und Antifaschist vom Starnberger See" ist noch bis zum 19. Mai im Museum Starnberger See zu sehen.

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