Kraillinger Spielwarengeschäft:Mit 93 steht sie immer noch hinterm Tresen

Lesezeit: 2 min

Die 93-Jährige hat noch immer Freude an ihrem Job: "Am liebsten bediene ich", sagt Waltraud Kappler. (Foto: Arlet Ulfers)

Was 1963 als Fahrradgeschäft begann, wurde einige Jahre später zum "Spielwaren Kappler", ein Paradies für Kinder, Eltern und Großeltern. Inhaberin Waltraut Kappler hat hier fast ihr ganzes Leben verbracht - und denkt noch nichts ans Aufhören.

Von Blanche Mamer, Krailling

"Ich suche ein Xylofon für einen Zweijährigen. Haben Sie das?", fragt die Kundin. "Ja, haben wir. Schauen Sie hier, wir haben zwei, eins zum Nachziehen", sagt Christine Kappler und führt die Kundin um zwei Ecken zu einem mannshohen Regal an der Fensterfront von "Spielwaren Kappler". Hier zeigt sie ihr das Xylofon-Wägelchen - aber erst, nachdem sie den Impfnachweis kontrolliert hat. "Das ist derzeit das Wichtigste. Zum Glück haben bisher alle Kunden einen Nachweis oder Test vorzeigen können", sagt ihre Mutter. Geschäftsinhaberin Waltraut Kappler steht mit ihren 93 Jahren immer noch im Laden und bedient. Sie hat fast ihr ganzes Leben im Kraillinger Spielwarengeschäft in der Pentenrieder Straße gearbeitet.

Es ist ein Geschäft, das die Herzen von Kindern, Eltern und Großeltern höher schlagen lässt. "Eine verwinkelte Höhle, die auf unzähligen Regalen jede Menge Schätze birgt", sagt ein Kunde, der den Laden von Kindesbeinen an kennt und vor bald 40 Jahren hier einen Großteil seines Taschengeldes für Lego-Zubehör ausgegeben hat. Apropos Lego: "Lego ist derzeit schwer zu bekommen", berichtet die 70-jährige Christine Kappler. "Wir haben zwar noch einiges auf Lager, doch mit Nachbestellungen ist es sehr schwierig." Auch sie hat viele Jahre ihres Lebens im Spielwarengeschäft ihrer Eltern verbracht. Sie kennt sich mit dem Computer aus und ist zuständig für Bestellungen übers Internet, sagt ihre Mutter. Sie selbst blättert die Kataloge durch und kreuzt die wichtigsten Artikel an. Angestellte haben sie nicht, sie erledigen alle Arbeiten selbst: Einkauf, Verkauf, Werbung, Finanzen, Steuern. Waltraut Kappler lacht: "Mir macht der Laden immer noch Spaß. Am liebsten bediene ich, plausche ein wenig mit Kunden. Gerade Großeltern brauchen etwas Beratung."

Waltraud Kappler kam als junge Frau mit ihren Eltern als Flüchtling aus Schlesien, in den 1960er Jahren eröffnete sie mit ihrem Mann Manfred das Geschäft. (Foto: Arlet Ulfers)

Die Enkel hätten eigene Berufe, die Kunden aber werden immer älter - und weniger. Gerade jetzt, während der Pandemie, hätten viele im Internet bei den großen Online-Händlern bestellt. Ein halbes Jahr lang hatten sie den Laden schließen müssen. Ein älterer Herr betritt den Laden, er sucht ein -Spiel. Er kommt aus Germering und hat gehört, dass es in Krailling noch ein richtiges Spielwarengeschäft gibt. Er wird freundlich empfangen. Viele Kunden kommen aus der weiteren Umgebung, Planegg, Gauting, Gilching, Germering, Neuried, erzählt Frau Kappler.

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Ihr Geschäft gilt als Institution - und eines der letzten seiner Art im Würmtal: Es besteht seit 1963. "Mein Mann hat es selbst gebaut, zuerst hat er auf der Hälfte der jetzigen Fläche mit einem Fahrradgeschäft angefangen", berichtet die Seniorin. 1967 wurde angebaut und das Sortiment um Spielzeug erweitert. Jahrelang habe Manfred auch Räder repariert. "Wir waren Flüchtlinge aus Schlesien. Ich kam mit meinen Eltern nach Niederbayern, wir hatten gar nichts. Mein Mann kam ein Jahr später als 19-Jähriger aus der Gefangenschaft in denselben Ort. Dann erinnerte er sich an eine Tante in Planegg, bei der wir dann erst mal wohnen durften", erzählt die rüstige alte Dame. "1951 haben wir geheiratet, 1959 das Grundstück gekauft, ohne eigenes Geld. Wir haben unsere ganze Kraft hier reingesteckt und unser ganzes Leben abbezahlt." Ihr Mann sei vor drei Jahren an ihrem 90. Geburtstag gestorben. Viele Kunden erinnern sich an ihn als Tüftler, der im blauen Arbeitskittel immer an etwas schraubte, Lokomotiven und Schienen der Modelleisenbahn reparierte oder mechanische Spielsachen zum Laufen brachte.

Sie selbst will 100 werden, erzählt Waltraut Kappler. Sie ist ausgesprochen fit: Sie putzt ihre Wohnung selbst, fährt mit dem Rad zum Einkaufen und bestellt auch den Garten hinterm Haus immer noch. Erst kurz vor dem ersten Schnee habe sie an einem Wochenende sechs Container Laub zusammengerecht. "Ich arbeite solange es geht", sagt sie und streicht sich durch ihre Haare. "Und danach wird zugemacht."

© SZ vom 21.12.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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