Landtagswahl:Strauß, Schönhuber und die Piraten

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Aus Seeshaupt kommt der AfD-Direktkandidat Alexander Neumeyer. (Foto: Georgine Treybal)

Der AfD-Direktkandidat Alexander Neumeyer aus Seeshaupt hat einen streckenweise überraschenden politischen Werdegang. Der 66-Jährige bezeichnet sich als strammen Antikommunisten und nennt Corona-Impfungen ein "Massenexperiment".

Von Michael Berzl, Seeshaupt

Der AfD-Kandidat schreibt tatsächlich Romane. Das ist die größte Überraschung beim Gespräch mit Alexander Neumeyer beim Italiener in Seeshaupt. Das Buch "Der Friedhofsgärtner" zum Beispiel handelt von einem alten Mann, der verwahrloste Grabstätten pflegt und dabei die Lebensgeschichte der Verstorbenen erforscht. Oder "Wir Sternenkinder", eine fiktive Familiengeschichte. Aber auch "Polypoikratie"; darin geht es um Herrschaftsformen und politische Systeme. Verkauft habe er jeweils vielleicht ein paar hundert Exemplare, nicht viel. Er sei "Schriftsteller aus Leidenschaft", sagt der 66-Jährige.

Und dann die Sache mit der Piratenpartei. Neumeyer war stellvertretener Kreisvorsitzender in Weilheim und hat für den Bezirkstag kandidiert. "Wir sind für den gläsernen Staat, nicht für den gläsernen Bürger": Dieser Slogan habe ihn damals begeistert. Nachdem es ihm bei den Piraten aus verschiedenen Gründen zu bunt wurde, war er eine Weile wieder politisch heimatlos. Seit 2015 ist er nun bei der AfD. Das passt schon eher zu seinem politischen Werdegang.

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Neumeyer wurde in Stuttgart geboren, war in Niedersachsen in der Schülerunion und sei später begeisterter Anhänger von Franz Josef Strauß gewesen, bis er den CSU-Politiker in den Achtzigerjahren in München zufällig in fast freundschaftlichem Umgang mit Erich Honecker sah. "Die beiden verstehen sich doch grandios. Der Mann spielt ein falsches Spiel", habe er sich gedacht. Dann war es Franz Schönhuber, der Gründer der Republikaner, der ihn faszinierte.

Schon immer sei er ein politischer Mensch gewesen, habe als Zwölfjähriger mit Interesse die Tagesschau verfolgt, während Freunde sich für Fußball interessierten. Er habe seine Mutter in die Wahlkabine begleitet "und habe ihr den Stift aus der Hand genommen und das Kreuz bei der Partei gemacht, die ich damals favorisiert habe. Bei der CDU".

Alexander Neumeyer 2019 auf dem Kirchplatz in Starnberg in hitzigen Diskussionen mit Demonstranten. (Foto: Georgine Treybal)

Politisch und freiheitsliebend. Da ging ihm in der Corona-Zeit einiges zu weit; da zieht er Parallelen zur NS-Zeit. Um seine eigene Haltung zum Dritten Reich zu veranschaulichen, erzählt Neumeyer von seinem Großvater, der sich den Mund nicht verbieten ließ und über Hitler gelästert habe, deswegen verhaftet und nach Auschwitz gebracht worden sei. Als von dort per Telegramm die Todesnachricht mit einem Beerdigungstermin kam, wollten die Witwe und deren damals 16-jährige Tochter an der Beerdigung teilnehmen, offenbar in Unkenntnis dessen, was Auschwitz eigentlich war. Als Neumeyer schildert, was ihm seine Mutter von dem Gang durch das Konzentrationslager berichtete, von dem Verhalten der SS-Männer, da stockt er, da kann er kurz nicht weitersprechen. Und dann, mit erstickter Stimme: "Also mit dem Dritten Reich habe ich nichts am Hut."

Und das soll einer dieser Rechten sein, die sich am Infostand als Nazis beschimpfen lassen müssen? Ein nachdenklicher Buchautor, der alle seine Romane mit einem Gedicht enden lässt und nach eigenen Worten das Schöngeistige liebt. Familienvater, Nachfahre eines NS-Verfolgten. Kein Antisemit, kein Extremist, sondern ein Menschenfreund also? Ein "strammer Antikommunist" jedenfalls. So tituliert sich Neumeyer ungefragt mehrfach.

Björn Höcke nennt er einen "Sozialromantiker"

Ein Parteifreund von Alexander Neumeyer ist Björn Höcke, Landesvorsitzender in Thüringen, den man laut Gerichtsurteilen ungestraft als Faschist bezeichnen darf. Er kenne Höcke kaum, habe ihm einmal auf einer Veranstaltung die Hand geschüttelt, sagt Neumeyer über den umstrittenen Politiker. Im persönlichen Umgang sei er "ein sehr höflicher, zurückhaltender, fast schüchterner Mensch", ein "Sozialromantiker" womöglich. Sicher habe er "Äußerungen getan, die man hätte missverstehen können". Gerade läuft gegen Höcke ein Strafverfahren, weil er in einer Wahlkampfrede eine Parole der SA zitiert haben soll.

Bei der AfD sieht der Kandidat aus Seeshaupt vor allem Freiheitsrechte gut vertreten. Für ihn ist das die Partei, die am ehesten gegen Bevormundung und zu viele Einschränkungen steht: "Mir geht es um Freiheit und Selbstbestimmung. Ich bin gegen einen Nanny-Staat." Richtig war für Neumeyer etwa die Haltung der AfD in der Corona-Pandemie. Er selbst habe keine Masken tragen wollen und habe ein ärztliches Attest gehabt, um dieser Verpflichtung zu entgehen. Die Impfungen nennt er ganz im Duktus der Querdenker "Massenexperiment". Auch teilt er die Haltung der AfD zum Thema Klima und bestreitet, dass der globale Klimawandel überwiegend von Menschen verursacht wurde. Zum Thema Ausländerfeindlichkeit sagt Neumeyer: "Das Wort kann ich bald nicht mehr hören. Wir sind nicht ausländerfeindlich, wir sind schmarotzerfeindlich", unabhängig von der Herkunft. In seiner Partei ist er Sprecher des Landesfachausschusses für Arbeit, Soziales und Alterssicherung. Er hat Volkswirtschaft und Betriebswirtschaft studiert, arbeitet nach verschiedenen Stationen als Unternehmensberater vor allem für Neugründungen und hat auch selbst einen kleinen Verlag.

Auf einen Sitz im Landtag macht sich Neumeyer keine Hoffnung

Auf einen Sitz im Maximilianeum macht sich Neumeyer keine Hoffnungen, dafür steht er zu weit hinten auf der Liste. In den Landtag kommt voraussichtlich wieder der Starnberger Kreisvorsitzende Ingo Hahn aus Stockdorf, der auf Platz 4 kandidiert und im Stimmkreis Bad Tölz-Wolfratshausen/Garmisch-Partenkirchen als Direktkandidat antritt.

Nach aktuellen Umfragen kommt die AfD bei der Landtagswahl in Bayern auf 13 Prozent, mehr als bei der vorherigen Wahl vor fünf Jahren. Was Umfragen widerspiegeln, erfährt der Kandidat aus Seeshaupt auch selbst. Das Klima habe sich sehr stark geändert, stellt Neumeyer fest. "Der Hass ist geringer geworden. Das Interesse, dass Leute Informationsmaterial haben wollten oder mit uns diskutieren, ist gestiegen."

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