Landtagswahl in Bad Tölz-Wolfratshausen:Der unnahbare Professor

Lesezeit: 4 min

Ingo Hahn, Kandidat der AfD für den Stimmkreis 111, im bayerischen Landtag. (Foto: Stephan Rumpf)

Ingo Hahn möchte seinen Sitz im bayerischen Landtag behalten und tritt nun erstmals als Direktkandidat im Stimmkreis 111 an. Über sein Privatleben will er dennoch kaum sprechen.

Von Konstantin Kaip, Bad Tölz-Wolfratshausen

Im Maximilianeum ist Ingo Hahn, der Direktkandidat der AfD im Stimmkreis 111, kein Unbekannter. Schließlich sitzt er bereits seit 2018 im bayerischen Landtag, meldet sich dort auch mal lautstark zu Wort und war zwei Jahre lang sogar Vorsitzender seiner Fraktion, die nach inneren Querelen von zunächst 22 auf 17 Mitglieder geschrumpft ist. Im Stimmkreis Bad Tölz-Wolfratshausen/Garmisch-Partenkirchen aber, von dem er nun für weitere fünf Jahre als Landtagsabgeordneter bestätigt werden will, dürften ihn nicht allzu viele kennen. In den Landtag zog Hahn 2018 als Direktkandidat des Stimmkreises Fürstenfeldbruck Ost ein (so steht es zumindest auf Wikipedia), er ist nun aber Vorsitzender im Kreisverband Starnberg und dort auch Mitglied im Kreistag.

Umso erstaunlicher ist es daher, dass der schlanke Herr mit dunkelblondem Seitenscheitel und stahlblauen Augen, der immerhin in die AfD-Fraktionsräume im Landtag eingeladen hat, um ihn kennenzulernen und den Lesern dieser Zeitung vorzustellen, zu fast allen Dingen seines Privatlebens beharrlich schweigt. Wo er wohnt, ob er Familie hat? Kein Kommentar. Er lebe "schon lange in Bayern", sagt er, das müsse reichen. Als Hobbys hat er unter der sehr kurzen Rubrik "Vita" auf seiner Website "Natur und Sport" angegeben, präziser wird er auch im persönlichen Gespräch nicht. Selbst sein Alter bleibt vage. Hahn, der übrigens in Stockdorf wohnt, nennt konsequent nur sein Geburtsjahr: 1971. Er kann also 51 oder 52 Jahre alt sein. Älter sieht er jedenfalls nicht aus. Auf Nachfrage, warum er so wenig von sich preisgeben wolle, rekurriert er kurz auf den Datenschutz, möglichen Missbrauch mit sensiblen Daten und Anfeindungen, die er vermeiden wolle. Doch auch das Thema wischt er schnell beiseite.

Seinen AfD-Beitritt begründet Hahn auch mit der Europapolitik

Immerhin bestätigt er zumindest die Eckdaten seines beruflichen Werdegangs, der für Landtagspolitiker recht untypisch ist: Hahn hat Geografie, Zoologie und Botanik an der Uni Münster studiert, wo er auch promoviert wurde und habilitierte. Inzwischen ist er Professor für Geografie, Geoökologie und Kartografie an Hochschule München, seine Tätigkeit dort ruht während seines Mandats - ein ganz normaler Vorgang, wie er betont. Im bayerischen Landtag ist Hahn auch Mitglied in den Ausschüssen für Wissenschaft und Kunst sowie für Umwelt und Verbraucherschutz, zudem ist er umwelt-, klima- und wissenschaftspolitischer Sprecher seiner Fraktion.

Über Politik spricht Hahn, anders als über Privates, gerne und viel, auch als er während der Sommerferien durch die weitgehend verwaisten Gänge des Maximilianeums führt, wo der große Plenarsaal gerade umgebaut wird. Gut gelaunt berichtet er vom Parteitag in Magdeburg, auf dem auch die Liste für die Europawahl erstellt wurde. Die EU-Politik, sagt er, sei auch ein wichtiger Grund gewesen, weshalb er 2014 der AfD beigetreten sei. "Es kann nicht sein, dass wir in Bayern und Deutschland immer mehr Rechte abtreten und die Entscheidungen in Brüssel getroffen werden."

Windkraft nennt er als "Flatterstrom"

Viel Kritik übt er auch an der Klima- und Energiepolitik von Bundes- und Staatsregierung. "Der Klimakrisenmodus wurde meiner Meinung nach dafür geschaffen, um den Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen", sagt er. Das Klima wandle sich, aber es habe sich schon immer gewandelt, "und wir können das nicht aufhalten". 300 Millionen Euro habe Bayern im vergangenen Jahr für den Klimaschutz ausgegeben. Seine Fraktion habe nach den Effekten dieser Investitionen gefragt, das Ergebnis einer 107 Seiten langen Antwort: Diese seien "nicht quantifizierbar". Das sei doch "unseriös", sagt Hahn. Windkraft bezeichnet er als "Flatterstrom", wie Sonnenenergie als nicht grundlastfähig und in Bayern, vor allem im Oberland im Windschatten der Alpen, als völlig ineffizient. "Da müssten wir Anlagen bauen, so hoch wie Fernsehtürme." Das wolle er auf jeden Fall verhindern. Um künftig Stromausfälle auffangen zu können, brauche es vielmehr einen "gesunden Mix", zu dem auch Gas, Kohle und vor allem die Kernkraft gehöre.

Und natürlich fordert der Professor als AfD-Kandidat auch eine restriktivere Flüchtlingspolitik: Jedes Jahr kämen Menschen "in der Größenordnung von vier Großstädten" ins Land, sagt er, darunter mehr Illegale als 2015. "Wir brauchen keine Armutseinwanderung, sondern eine, die auf den Notwendigkeiten an Arbeitskräften beruht."

Auf der Oberbayern-Liste der AfD belegt Hahn Rang vier

In Bezug auf die Landtagswahl wirkt Hahn ziemlich siegesgewiss. Er sei von den Kreisverbänden einstimmig gewählt worden, "weil sie gesehen haben, dass ich ihre Interessen sehr gut vertreten kann", sagt der Stockdorfer. Nun trete er in einem "wunderbaren Stimmkreis" an, den er "sehr lange und sehr gut" kenne. Die AfD sei im Aufwind, "weil alle anderen Parteien die Menschen mit ihren Nöten nicht so wahrnehmen", erklärt Hahn, der auf der Oberbayern-Liste seiner Partei auf Rang vier antritt - und beruft sich auf Umfragen: 16,5 Prozent habe die jüngste Prognose für die AfD in seinem Wahlkreis ergeben. Das sei vielleicht eine Momentaufnahme. Aber im Vergleich zur vorangegangenen Landtagswahl, wo man bayernweit 10,2 Prozent erzielt habe, "wollen wir uns auf jeden Fall verbessern".

Einmal wird er dann doch ein bisschen persönlicher. Bei der Frage, warum er denn seine wissenschaftliche Laufbahn gegen die politische Karriere getauscht hat, sagt Hahn: "Ich habe den schönsten Beruf gehabt, den man sich vorstellen kann." Forschung und Lehre, die Arbeit mit den Studenten habe er stets "mit Liebe gemacht", räumt er ein. "Trotzdem halte ich es momentan für richtiger und wichtiger, sich den Problemen dieses Landes zu stellen." Damit meine er Bayern, sagt er auf Nachfrage. Weitere Ambitionen sind jedoch nicht ausgeschlossen. Beim AfD-Parteitag vor zwei Jahren hatte Hahn als Vorsitzender der Landtagsfraktion überraschend versucht, sich einen Listenplatz für die Bundestagswahl zu sichern. Und war gescheitert.

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