Artenvielfalt:Angst um den Kiebitz

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Die Zukunft der Kiebitze im Aubachtal ist nach totalen Brutausfällen in den letzten Jahren ungewiss. (Foto: Georgine Treybal)

Vor ein paar Jahren noch freuten sich Vogelschützer über junge Kiebitze im Aubachtal. Doch es folgte ein totaler Brutausfall. Geht es so weiter, könnte dies das Ende der Kolonie bedeuten.

Von Patrizia Steipe, Seefeld

Die ersten Kiebitze sind im Aubachtal angekommen. Derzeit fliegen und balzen etwa sechs dieser vom Aussterben bedrohten Vögel über die Felder unterhalb des Hechendorfer Bahnhofs. Jetzt heißt es "Daumen drücken", dass sich die Bodenbrüter auf der Brache niederlassen und vor allem, dass die kommende Brut überlebt. Nach den Misserfolgen der letzten beiden Jahre könnte ein weiterer Ausfall das Ende der Population bedeuten. "Dann könnte diese einzige Kolonie zwischen Landsberg und Rosenheim verlöschen", befürchtet Günter Schorn, Bund-Naturschutz-Kreisvorsitzender.

Dabei sah alles vor ein paar Jahren noch so hoffnungsvoll aus. Zwischen 2016 und 2019 freuten sich die Vogelschützer über bis zu 20 Kiebitze, die im Aubachtal flügge geworden waren. Vor allem 2017 "wimmelte es im Mai auf dem gesamten Feld von frisch geschlüpften Kiebitz-Jungen und älteren Jungvögeln", vermeldete der Seefelder Bund-Naturschutz-Ortsverein auf seiner Homepage. Vorsitzende Constanze Gentz hatte damals 20 Kiebitze, davon zehn Jungvögel, gezählt. An Niedlichkeit sind die Pulli, wie die Kiebitzbrut bezeichnet wird, mit ihrem braun gepunkteten und weißen Federflaum kaum zu überbieten. Die Hoffnung, dass sich die Kolonie stetig vergrößern würde, war groß. Doch seit 2020 vermeldet der Bund Naturschutz einen totalen Brutausfall. Es waren zwar immer wieder Küken geschlüpft, doch sie hatten aus verschiedenen Gründen wie Fressfeinden, Spätfrost, Dauerregen oder Dürre, aber auch wegen eines durch Wintergetreide verkleinerten Brutareals und dem Ausfall des schützenden Elektrozauns nicht überlebt. "Dadurch liegt die Reproduktionsrate bei null", folgerte Schorn.

Das Überleben der Kiebitzpopulation im Aubachtal ist auch Ziel der Unteren Naturschutzbehörde am Landratsamt Starnberg. Um ein für die Vögel günstiges Habitat zu schaffen, arbeitet die Behörde mit dem bewirtschaftenden Landwirt zusammen. "Es gilt die Interessen einer ordnungsgemäßen landwirtschaftlichen Nutzung mit den Anforderungen an das Habitat zu verbinden", erklärte Landratsamtssprecher Stefan Diebl.

Heuer wurde eine Bracheinsel für die Vögel im Wintergetreidefeld belassen, die mit einem Elektrozaun vor Fressfeinden geschützt wird. Die Starnberger Naturschutzbehörde hat diese Maßnahmen mit der Höheren Naturschutzbehörde und mit dem Landwirt vereinbart. Auch für das Monitoring und die Pflege des Zaunes gibt es Vorkehrungen. Im letzten Jahr war das Unkraut daran hoch gewachsen, so dass der Schutz nicht mehr funktioniert hatte.

Insgesamt ist der Kiebitzbestand in Deutschland nach Aussagen des Bund Naturschutz zwischen 1980 und 2016 um 93 Prozent zurückgegangen. Im Gegensatz zu Nestlingen müssen Kiebitzjunge vom ersten Tag an ihr Futter selbst suchen. Angesichts des Rückgangs an Insekten müssen sie längere strapaziöse Strecken zurücklegen, was sie schwächt und für Wildtiere zum leichten Opfer macht.

Dem Bund Naturschutz reichen deswegen die Schutzmaßnahmen nicht. Er forderte ein größeres Areal für die Vögel. "Die Kiebitze bevorzugen einen Abstand von 30 bis 40 Metern zwischen den Gelegestandorten", weiß Schorn. Auch das Wintergetreide, das um die Brache gepflanzt sei, sei ungünstig. Die schnell wachsenden Pflanzen würden den Kiebitzen die Sicht auf die Räuber verstellen und das Brutareal zusätzlich verkleinern.

"Bei der Frage, was auf der einen Seite artenschutzfachlich erforderlich und auf der anderen Seite rechtlich verhältnismäßig ist, gab es unterschiedliche Auffassungen", erklärte Diebl. Die Behörde hat deswegen 2020 die Zusammenarbeit mit dem Bund Naturschutz aufgekündigt und verantwortet alleine das Kiebitzprojekt. Um eine Wiederholung solcher "Desaster", die in den vergangenen beiden Jahren die Kiebitzbrut vernichtet hatten, zu vermeiden, bietet Schorn der Naturschutzbehörde einen fachlichen Austausch mit den ehrenamtlichen Naturschützern des Bund Naturschutz an. Aber auch die Öffentlichkeit ist gefordert. Der Bund Naturschutz bittet Spaziergänger das Brutareal zu meiden und Hunde nicht auf den Wiesen laufen zu lassen.

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