Herrsching:"Wir sind nicht nur Spinner auf'm Radl"

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Herrschings Bürgermeister Christian Schiller (Mitte) hat die Schirmherrschaft für das Projekt der "Spendenradler" - Kai Fürderer (li.) und Valentin Nandlinger - übernommen. (Foto: Georgine Treybal)

Vielen Kommunen im Fünf-Seen-Land fehlt Geld, auch für soziale Einrichtungen wird es immer knapper. Die Herrschinger "Spendenradler" wollen dagegen etwas tun: Initiator Kai Fürderer erläutert seine Beweggründe für eine ungewöhnliche Aktion.

Interview von Ella Adam, Herrsching

960 Kilometer in sieben Tagen quer durch die Bundesrepublik ist eine beachtliche Leistung - vor allem mit dem Fahrrad. Kai Fürderer, 48, Bankbetriebswirt und Valentin Nandlinger, 32, Juniorchef des gleichnamigen Fahrradladens in Herrsching, haben Großes vor: Sie wollen mit einer Radtour von Flensburg nach Herrsching Spenden von Unternehmen für soziale Einrichtungen sammeln. Aber muss man dafür quer durchs Land radeln?

SZ: Herr Fürderer, Sie haben mit Valentin Nandlinger die "Spendenradler" gegründet. Was ist das Konzept Ihres Projekts?

Kai Fürderer: Wir fahren vom 1. bis 7. Oktober mit dem Fahrrad von Flensburg nach Herrsching. Dabei begleiten wir die Tour auf unserer Website, Social Media und mit einem Videotagebuch auf YouTube. Online listen wir karitative, soziale und gemeinnützige Vereine und Einrichtungen aus Herrsching. Mit einer Mindestspende von 500 Euro an diese Initiativen können lokale Unternehmen sich am Projekt beteiligen. Im Gegenzug bekommen sie eine Spendenquittung und Werbung auf unseren Plattformen. Wir tragen natürlich die Kosten für die Tour und unseren Onlineauftritt selbst.

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Die Unternehmen können aussuchen, an welche Einrichtung aus Ihrer Liste sie spenden wollen. Warum nicht eine Vorauswahl machen, damit alle gleich viel bekommen?

Wir listen alle Einrichtungen in Herrsching, die sozial, karitativ oder gemeinnützig sind. Es geht hier auch um Flexibilität. Es gibt Firmen, die eigene Richtlinien für Spenden haben. Eine kleinere Auswahl hätte diese Kriterien möglicherweise nicht erfüllt. Dann wären wir jetzt vielleicht nicht bei den 18 000 Euro an bereits zugesagten Spenden.

Ganz schön viel . . .

Ich war überwältigt, wie viele Unternehmen bereits an Bord sind. In den nächsten Wochen kommen wir hoffentlich weit über die 20 000-Euro-Marke. Damit wären wir eines der größten privat organisierten Spendenprojekte in der Region. Das ist für den Start schon richtig gut. Wir wollen das Projekt jedes Jahr wiederholen. Aber jetzt geht es erstmal darum zu zeigen, dass wir es schaffen. Manche sind noch skeptisch, wie das mit der Werbung laufen soll. Aber die werden sehen, wie professionell wir das aufziehen.

Heute Morgen hatten Sie 59 Follower auf Instagram. Das ist noch keine besonders große Werbefläche für Unternehmen. Ihr erster Post war am 30. Mai.

Ja, das stimmt, aber wir sind auch erst seit wenigen Wochen live. Spannend wird es sowieso, wenn die Unternehmen selbst auf Social Media über ihr Engagement mit "Spendenradler" posten. Die haben eine viel größere Reichweite als wir. Wir sind eher ein Steigbügelhalter, damit andere sich beteiligen können. Ohne unser Projekt hätten die Unternehmen keine Möglichkeit, Werbung in dieser Form zu machen.

Sie könnten selbstständig spenden und das vermarkten.

Es ist nicht wichtig, wie groß mein Kanal ist, wenn die spendenden Unternehmen viel mehr Reichweite haben. Letztendlich geht es um die Spende.

Die Werbefläche, die Sie explizit anpreisen, können Sie also gar nicht bieten?

Klar, Stand heute kann ich den großen Unternehmen keine Reichweite bieten, die haben sie selbst. Aber warten Sie mal ab, die Videoblogs werden online schon eine große Aufmerksamkeit generieren. Letztendlich sprechen die bereits zugesagten 18 000 Euro für sich. Die Unternehmen sehen da offensichtlich einen Mehrwert, schließlich bieten wir neben der Spendenquittung mediale Sichtbarkeit, die es bei einer reinen Geldspende nicht gibt.

Sie fahren von Flensburg nach Herrsching, das sind 960 Kilometer und 51 Stunden Fahrzeit. Das ist ein straffes Programm für eine Woche.

Wir sind vom 1. bis zum 7. Oktober unterwegs. Da müssen wir ungefähr 150 Kilometer am Tag schaffen. Wir werden voraussichtlich durch den Harz fahren, das beschert uns auch noch 1000 Höhenmeter am Tag.

Ganz schön anstrengend.

Das macht man nicht jeden Tag. Vielleicht mal am Wochenende, aber da arbeitet man am Montag wieder und kann sich dann auf dem Bürosessel ausruhen. Sieben Tage am Stück sind eine Herausforderung, besonders bei schlechtem Wetter. Aber das ist natürlich auch der Reiz. Einmal nach Würzburg und zurück wäre ein bisschen witzlos.

Sie unterstützen zum Beispiel die Herrschinger Tafel und Feuerwehr. Das sind Einrichtungen, die von der Gemeinde finanziert werden. Steht es um den kommunalen Haushalt so schlecht, dass jetzt die Bürger radeln müssen?

Da bin ich der Falsche, da müssen Sie unseren Schirmherrn, den Herrschinger Bürgermeister fragen. Aber ich weiß, dass die sozialen Einrichtungen gerade jetzt wirklich jeden Euro gebrauchen können.

Inflation und Zinsen sind hoch. Das Geld sitzt nicht mehr so locker bei den Leuten. Haben Sie den Eindruck, dass das die Spendenbereitschaft beeinflusst?

Ich habe keinen Vergleich. Es gibt schon ein paar, die nicht spenden können, weil es ihnen wirtschaftlich nicht gut geht. Aber generell ist die Bereitschaft hoch. Einigen Unternehmen geht es sehr gut, die wollen andere teilhaben lassen. Die sagen: "Wir hoffen, dass uns auch geholfen wird, wenn es uns mal finanziell schlecht geht". Da geht es auch um Gemeinschaft.

Und was treibt Sie an?

Einerseits sind wir beide verrückte Radler. So eine große Tour ist motivierend fürs Training. Andererseits bedanken sich viele Vereine für unser Engagement. Ich hatte noch nie das Gefühl, dass ich beim Fahrradfahren etwas Gutes tue - außer natürlich, dass ich schlanker werde und bessere Beine bekomme. Es ist schön, das Hobby jetzt mit etwas Sinnvollem zu verbinden. Wir haben jetzt eine Relevanz und sind nicht nur "Spinner" auf'm Radl.

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