Johanniterhaus Herrsching:Osterbriefe gegen die Einsamkeit

Lesezeit: 2 min

Ingrid Kaufmann, Martina Eßbach und Hedy Drexler freuen sich über die Ostergrüße. (Foto: Nila Thiel)

Seit mehr als zwei Jahren erhalten Bewohner im Seniorenheim Herrsching im Frühling "Post mit Herz". Die Initiative vernetzt freiwillige Kartenschreiber mit Menschen, an die sonst vielleicht nicht gedacht wird.

Von Christina Denk, Herrsching

Ingrid Kaufmann schlägt die weiße Osterkarte auf und beginnt zu lesen. Die 83-Jährige sieht nicht mehr viel, doch die wenigen Zeilen kann sie noch entziffern. Langsam liest sie den handschriftlich geschriebenen Text vor: "Ich hoffe die Osterzeit bringt dir Freude, Glück und Hoffnung", heißt es dort. "Ich denke an dich" und "schön, dass es dich gibt".

Kaufmann lacht kurz auf. "Das ist doch schön", freut sie sich mit der Karte in den Händen, die Martina Eßbach, Einrichtungsleiterin des Johanniterhauses Herrsching, ihr kurz zuvor im Gemeinschaftsraum überreicht hat .

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"Ich denke an dich": Eine Botschaft, die von ihrer Enkelin stammen könnte. Doch Kaufmann kennt die Schreiberin, eine Alicia aus Mannheim, nicht. Und doch hält sie nun deren Karte in der Hand. Insgesamt 72 000 solcher Ostergrüße wurden in Deutschland in diesem Jahr verschickt. Es sind Postkarten gegen die Einsamkeit.

Seit Ende 2020 verteilt die Initiative " Post mit Herz" zu Weihnachten und Ostern deutschlandweit Post an Bewohner in Pflege-, Obdachlosen- oder Krankeneinrichtungen. Ins Leben gerufen haben die Aktion zehn Freunde aus Hamburg, die sich ehrenamtlich für Menschen einsetzen möchten, an die sonst vielleicht nicht gedacht wird. Über ihre Internetseite verbinden sie Personen in sozialen Einrichtungen mit Freiwilligen, die anderen mit den Karten eine Freude machen möchten.

So nehmen sich Menschen im hektischen Alltag die Zeit, um an unbekannte Bewohner von Pflegeheimen wie dem Johanniterhaus Herrsching Briefe zu schicken. Die Einrichtung ist seit dem Beginn des Projekts im Corona-Winter 2020/21 dabei. Und die Aktion scheint bei den Bewohnern anzukommen.

Täglich erreichen Briefe und Karten das Johanniterhaus Herrsching mit der Aktion "Post mit Herz" in der Osterzeit. (Foto: Nila Thiel)
Ingrid Kaufmann (links) sieht kaum mehr etwas. Dennoch liest sie eine Osterkarte nach der anderen - soweit sie diese noch entziffern kann. (Foto: Nila Thiel)

"Die schreiben alle so schön", freut sich Ingrid Kaufmann. Seit knapp drei Jahren wohnt sie nun in einem der vier Wohnbereiche des Johanniterhauses. 40 Jahre lang hat sie vor der Rente bei der Post gearbeitet. Briefe bekommt sie im Johanniterhaus auch von ihrer Schwiegertochter oder ein paar ehemaligen Kollegen - telefoniert wird ebenfalls manchmal. Doch so viel Post, wie jetzt zu Ostern, trudelt selten ein. Es fühle sich gut an zu wissen, dass Menschen, "die nicht, sagen wir mal, behindert oder krank sind", an die Bewohner des Pflegeheims denken, erklärt Kaufmann.

Die Karten werden gelesen, getauscht und aufgestellt

Am Mittwochvormittag sitzen die Bewohnerinnen Ingrid Kaufmann und Hedy Drexler mit Leiterin Martina Eßbach vor dem Mittagessen im Gemeinschaftsraum vor einem Stapel aus bunten Osterkarten und ein paar gemalten Kinderzeichnungen. Pro Tag erreichen die Einrichtung zwischen acht und 15 Briefe, manchmal sind es auch ein paar mehr. Sie stammen von Einzelpersonen, Familien oder Schulklassen. In der Einrichtung werden sie gelesen, diskutiert und getauscht - einer nach der anderen.

Für die beiden Damen hat Eßbach gerade zwei Karten ausgesucht, die sie später mit auf die Zimmer nehmen können. Eine gemalte Henne für Drexler und eine Abbildung von zwei gelben Bären für Kaufmann. Die kann sie trotz ihrer Sehschwäche noch gut erkennen, hofft Eßbach. Für die 83-jährige Kaufmann steht sofort fest: Die "zwoa Bärli" wird sie vor den Blumenstrauß in ihrem Zimmer stellen.

Die Bärenkarte will Ingrid Kaufmann, Bewohnerin im Johanniterhaus Herrsching, zu ihren Blumen und dem Osterpaket ihrer Schwiegertochter in ihrem Zimmer stellen. (Foto: Nila Thiel)

Nach dem Mittagessen werden die Betreuer die Briefe auch direkt mit in die Wohnbereiche nehmen. Dann wird unter den Bewohnern und Betreuern gerätselt. Eine Postleitzahl mit 46 - woher kommt der Brief? Ah, Oberhausen. Und die Schrift: Hat da ein junger oder alter Mensch geschrieben? Und ist die Karte eigentlich selbstgemacht oder gekauft? Da kämen ganz unterschiedliche Gespräche zustande, sagt Einrichtungsleiterin Eßbach. Sie rätselt gerne mit, wenn die Briefe in den Zimmern geöffnet werden.

Nicht alle Bewohner verstehen, wer ihnen da Ostergrüße sendet. "Da müssen wir unterstützen", sagt Eßbach. Manchen Senioren wird vorgelesen, anderen werden die Abbildungen und Texte noch einmal extra gezeigt. Ein paar der Bewohner sitzen vor den Grüßen, ohne auf den ersten Blick erkennbar darauf zu reagieren. Doch auch bei denen, die ihre Freude nicht unbedingt artikulieren können, glaubt Eßbach, ein Lächeln auf den Gesichtern zu sehen.

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