Kolumne:Herrschings böse Zunge

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Die neue Verkehrsinsel in der Summerstraße soll der Sicherheit von Fußgängern und Radfahrern dienen. Zumindest theoretisch. (Foto: Georgine Treybal)

Wer durch die Summerstraße nahe des Ammerseeufers radelt, lebt neuerdings gefährlich: Böse Zungen ragen in die Fahrbahn, und der Nepomuk trägt jetzt Halskrause - aber nicht aus modischen Gründen.

Von Eurem Nepomuk

Liebe Leut', kennt Ihr eigentlich den Karl? Nein, ich meine nicht den ehemaligen Starnberger Landrat Roth. Auch wenn ich Euch erzählen könnte, dass der vor nicht allzu langer Zeit mit lauter Spezln in Costa Rica war. Und jetzt wahrscheinlich 1000 Bilder ins Fotoalbum kleben muss. Bei diesem Wetter sicher eine Wohltat. Da kommt er nicht auf dumme Ideen, etwa mit seinem Elektroboot herumzuschippern oder sich gar aufs Radl zu schwingen.

Das kann nämlich ein böses Ende nehmen. Zumindest, wenn man durch Herrschings Summerstraße radelt - so wie ich: Eine Fahrradstraße ist sie ja seit einiger Zeit schon, und deshalb dachte ich, die sei besonders sicher. Tja, da kann sich täuschen. Denn während ich grad darüber nachdenke, der Nepomuka noch ein paar Tulpen vom Feld mitzubringen, macht es plötzlich "Rumms". Und was für einen! Ich flieg' über den Lenker und lande mit meinem allerwertesten Wassergeist-Hinterteil in einer Verkehrsinsel, die seit Kurzem wie eine Zunge in die Summerstraße ragt.

Häufig ist dort Stau wie am Stachus in München

Seither habe ich Rückenschmerzen und frage mich permanent: Was soll dieses Teil denn bringen? Ich weiß es nicht. Und die Herrschinger, die ich bisher danach gefragt habe, wissen es auch nicht. Ehrlich gesagt: Die schütteln nur den Kopf. Und genau das würde ich auch tun, wenn mich nicht meine Halskrause daran hindern würde, die ich nun trage. Wahrscheinlich haben sich diese "Zunge" genau dieselben Verkehrsspezialisten ausgedacht, die auch die Summerstraße zur Fahrradstraße erklärt haben - obwohl da bis heute zig Autos und sogar Busse durchfahren und kaum aneinander vorbeikommen. Was bitte soll eine Radlstraße, wenn es dort so zugeht wie am Stachus in München? Da hilft auch Tempo 30 nichts. Als Autofahrer ist man dort doch schon froh, wenn der Tacho zehn Stundenkilometer anzeigt und einem der Motor nicht abstirbt.

So gesehen kann diese zungenförmige Insel den Verkehr nicht beruhigen. Dafür müsste man diese enge Straße schon ganz sperren. Also erfüllt das Teil wahrscheinlich eine andere Aufgabe: Es ist Kunst im öffentlichen Raum - womit ich wieder beim Karl bin. Also nicht beim Roth. Sondern beim Simrock. Der war Dichter und Philologe im 19. Jahrhundert. Für seine Verdienste haben sie ihm in Bonn, seiner Heimatstadt, nicht nur eine Schule gewidmet, sondern auch gleich ein Denkmal aufgestellt.

Mir kommt es nun so vor, als wolle Herrsching da nicht hintenan stehen. Ich weiß zwar nicht, ob Simrock jemals in Herrsching war, und ob sich hier schon mal jemand seiner Übersetzung des Nibelungenliedes vom Mittelhochdeutschen ins Neuhochdeutsche gewidmet hat. Aber für mich heißt diese Verkehrsinsel nun nur noch "Simrock-Zunge". Warum? Weil der Germanistik-Professor seiner Zeit weit voraus gewesen sein muss. Er soll nämlich gesagt haben: "Eine Zunge ist kein Bein, schlägt aber manchem den Rücken ein".

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