Herrsching:Der Ammersee und seine komplizierten Grenzen

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Herrschings Uferpromenade gehört in großen Teilen zum Landkreis Landsberg am Lech, obwohl die Gemeine im Landkreis Starnberg liegt. (Foto: Arlet Ulfers)

Der Landkreis Landsberg, die Schlösser- und Seenverwaltung, der Landkreis Starnberg - viele Behörden sind zuständig für den See und seine Ufer. Warum eigentlich?

Von Ann-Marlen Hoolt, Herrsching

Wer am Ostufer des Ammersees entlangspaziert, könnte dabei den Landkreis Starnberg verlassen, ohne es zu merken. Denn wo genau die Landkreisgrenze verläuft, ist für Laien nur schwer nachvollziehbar. Noch auf dem Ufer des Ammersees beginnt das Gebiet des Landkreises Landsberg am Lech.

In der Gemeinde Herrsching gibt es einen Mann, der das gerne ändern würde: Peter Grassmann, stellvertretender Vorsitzender des Vereins Ammersee-Ostufer. Er und der Verein möchten die Zuständigkeiten am Seeufer neu ordnen - und der Gemeinde Herrsching mehr Mitsprache bei der Ufergestaltung geben. Angefangen hat das im Frühjahr 2021, als die zuständige bayerische Schlösser- und Seenverwaltung nicht mehr erlaubte, dass das Ammerseehotel Tische und Stühle auf dem Kiesufer platziert - eine zeitlich begrenzte Ausnahmeregelung während der Pandemie.

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Seitdem versucht Grassmann, die Gastronomie zurück ans Ufer zu bekommen. Ihm gefiel das italienische Flair. Doch die Seenverwaltung sorgt sich um den Naturschutz am See. Außerdem solle der Zugang zum Wasser nicht verbaut werden. Der Verein Ammersee-Ostufer bezweifelt allerdings, ob das Herrschinger Kiesufer tatsächlich derart empfindlich ist, dass ein paar Tische und Stühle, direkt ein Ungleichgewicht im Ökosystem verursachen. "Bei diesem Gebiet können wir keine ökologischen Gründe erkennen", ist Grassmann überzeugt. Er hat diesbezüglich schon viele Briefe geschrieben, an Thomas Eichinger, den Landrat von Landsberg, an Bernd Schreiber, den Leiter der Seenverwaltung. Bisher ohne Erfolg.

Grassmann hat auch Herrschings Bürgermeister Christian Schiller gebeten, Druck auf die Seenverwaltung auszuüben. Der sagt, er würde sich über mehr Entscheidungsgewalt freuen, denn bisher muss die Gemeinde für jegliche Veränderung am Ufer die Schlösser- und Seenverwaltung um Erlaubnis fragen, während diese wiederum die Gemeinde bei Veränderungen lediglich informiert.

Doch das Verhältnis zur Behörde sei gut und die Zuständigkeiten nun einmal so, wie sie seien, so Schiller. Immerhin: Anfang Januar wird sich der Bürgermeister mit dem Verein zu einem Gespräch treffen.

Warum die Grenzen, dort verlaufen, wo sie verlaufen, weiß niemand so genau

Grassmanns Verein hat Verträge angefordert, die die Eigentumsverhältnisse am und um den Ammersee belegen. Die sind kompliziert. Das Seeufer des Ammersees ist Eigentum der Schlösser- und Seenverwaltung, während der Ammersee zum Landkreis Landsberg gehört. Und da die Landkreisgrenze mitten auf dem Seeufer verläuft, wird ein Teil des Uferstreifens zum Landkreis Landsberg, ein anderer zum Landkreis Starnberg gezählt. Gut zu sehen ist das im BayernAtlas, einer interaktiven Online-Karte des Landesamtes für Vermessung. Herrschings Gemeindegrenze endet nicht am Ammersee, sondern bereits einige Meter vorher, mitten auf dem Uferstreifen. Warum das so ist, kann das bayerische Vermessungsamt nicht beantworten. Die Behörde teilt lediglich mit, man übernehme für den Atlas die Daten des Liegenschaftskatasters.

Als lilafarbene Linie verläuft Herrschings Gemeindegrenze mitten über den Uferstreifen vor dem Ammersee. (Foto: BayernAtlas)

Der Ammersee ist sogenanntes gemeindefreies Gebiet und gehört daher dem Freistaat Bayern. Als 1818 die bayerischen Gemeinden gebildet wurden, blieben große Waldstücke, Seen und Gebirge außen vor. Sowohl die Bayerische Verfassung von 1946 und die bayerische Gemeindeordnung von 1952 übernahmen diese Regelung.

Darin ist auch festgelegt, dass die bayerischen Landratsämter für die mehr als 170 gemeindefreien Gebiete zuständig sind. Sie erledigen alle Aufgaben, die normalerweise eine Gemeinde übernehmen würde. Der Ammersee ist dem Landratsamt Landsberg am Lech zugeordnet, der Starnberger See - ebenfalls gemeindefreies Gebiet - dem Landratsamt Starnberg. Und da die Seen dem Freistaat Bayern gehören, kümmert sich zusätzlich die staatliche Schlösser- und Seenverwaltung um deren Erhalt und Verwaltung.

Warum aber der Ammersee gerade dem Landkreis Landsberg unterstellt wurde, und warum Herrschings Gemeindegrenze ausgerechnet mitten auf dem Uferstreifen verläuft, dazu können weder die Regierung von Oberbayern noch das Landratsamt Landsberg etwas sagen. Vermutlich liegt die Entscheidung einfach zu weit zurück.

Für Peter Grassmann und den Verein Ammersee-Ostufer macht es das nicht einfacher. Denn wie sollen Grenzverläufe angefochten werden, an deren Ursprünge sich niemand mehr erinnern kann?

Zwei unterschiedliche Betrachtungen des Naturschutzes

Dem Verein würde es schon reichen, wenn die Gemeinde Herrsching und der Landkreis Starnberg in Uferbelangen immerhin ein Mitspracherecht bekämen. Denn bisher spricht sich die Schlösser- und Seenverwaltung diesbezüglich primär mit dem Landratsamt Landsberg ab. Peter Grassmann ärgert das, schließlich ist dem nur ein Teil des Uferstreifens zum Landkreis zugeordnet. "Das ist einfach eine Übergriffigkeit, die inakzeptabel ist", sagt er. Die Seenverwaltung erklärt dazu auf Nachfrage, dass ihr der genaue Verlauf der Gemeinde- und Landkreisgrenzen bekannt sei und sie sich an die sachlichen und örtlichen Zuständigkeiten halte. "Wir stimmen uns mit den jeweiligen zuständigen Behörden eng und vertrauensvoll ab."

Das Landratsamt Starnberg möchte sich nicht zum Anliegen des Vereins Ammersee-Ostufer äußern. Es habe dazu keine Informationen, heißt es auf Anfrage. In Grenzregionen gebe es aber generell bereits Absprachen mit anderen Behörden: "Was das sogenannte Mitspracherecht angeht, so werden wir bei Verfahren an der Landkreisgrenze in der Regel vom Landratsamt Landsberg um Stellungnahme gebeten, in der wir unsere Einschätzung zur Sache kundtun können."

Peter Grassmann bezweifelt allerdings, das man in Landsberg, das am Westufer des Sees liegt, die genauen Gegebenheiten des Herrschinger Kiesufers kennt: "Es gibt Kiesufer, wo Tiere leben. Aber hier doch nicht", sagt er. Dazu teilt das Landratsamt Landsberg mit, es prüfe die "regelmäßigen 'Vorwürfe' des Ostufervereins". Doch während der Verein auf eine "bürgernahe, touristisch aufgebaute, gastronomische Nutzung" setze, sorge sich das Landratsamt um das Ökosystem am Kiesufer, die Mikroorganismen, das Landschaftsbild und die nahen Landschaftsschutzgebiete, welche von Müll im Wasser beeinträchtigt werden könnten, der durch Gastronomie entsteht.

Der freie Blick auf den Ammersee sei nur noch an wenigen Stellen möglich, beklagt der Herrschinger Peter Grassmann. Büsche und Bäume hätten den Uferbereich an der Seepromenade stark überwuchert. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Allerdings räumt das Landratsamt auch ein: "Je näher die Betrachtung an die gastronomische Siedlung herangeführt wird, desto weniger schützenswert ist natürlich auch das Kiesbett. Insofern greifen die unterschiedlichen Bewertungen des Kiesstreifens ineinander und haben keine gänzlich sauberen Grenzen."

Der Verein Ammersee-Ostufer hofft jetzt auf einen Gesprächstermin mit der Oberen Naturschutzbehörde. Das Treffen hat Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (FW) nach wiederholten Beschwerden des Vereins angewiesen. "Wir erwarten jetzt einen Termin", freut sich Grassmann.

Kürzlich hat er im Namen des Vereins ein Bürgergespräch veranstaltet. Dabei ging es neben dem Herrschinger Seeufer auch um die Verbuschung des Uferbereichs in Lochschwab. Rund 50 Menschen sind gekommen, eine Mehrheit hat sich für eine Uferverwaltung durch die Gemeinde Herrsching und mehr Bürgernähe des Landratsamts Landsberg ausgesprochen. Peter Grassmann fühlt sich dadurch bestärkt weiterzumachen, auch wenn es ein Kampf gegen Windmühlen zu sein scheint.

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