Corona-Krise:Rettung für die Artisten in Not

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Der Zirkus King sitzt in Gilching fest und erfährt dort unerwartete Unterstützung. Familien bringen Lebensmittel, Futter und Treibstoff. Doch finanzielle Sorgen bleiben.

Von Patrizia Steipe, Gilching

Auf einen Pfiff von Artur Kaiser kommt die Kamelherde angetrabt. Der Zirkusdirektor steht mit einer Kiste voller Gemüse an der eingezäunten Weide. Seit März sitzt der Zirkus auf dem Feld an der Frühlingsstraße in Gilching fest. "Vom 1. bis 6. Mai wären wir eigentlich in Traunstein gewesen", berichtet Kaiser. Doch wegen der Corona-Krise sind alle Vorstellungen bis auf unbestimmte Zeit abgesagt und damit alle Einnahmen weggebrochen.

Die Zwangspause nutzen die Artisten, um ihre Kunststücke zu üben. (Foto: Arlet Ulfers)

Die anfängliche Verzweiflung ist mittlerweile der Zuversicht gewichen. "Unser Zirkus hat den Ersten und Zweiten Weltkrieg überlebt, wir werden auch die Corona-Krise überleben", hofft Kaiser, der in neunter Generation mit der Familie durch die Lande tourt. Ein Stein sei ihm vom Herzen gefallen, als der Bauer, dem die Wiese gehört, erlaubt hatte dort zu bleiben. Ein Heimatquartier gebe es nämlich nicht: "Wir sind ganzjährig unterwegs".

In den vergangenen Wochen ist der Zirkus für viele Gilchinger Familien ein beliebtes Ziel ei Spaziergängen geworden. "Wir kommen jeden Tag", erklärt zum Beispiel Sonja Hitz. "Meine beiden Kinder freuen sich riesig, die Tiere zu sehen". Als die Gilchingerin von der Not des Zirkus erfahren hat, hat sie spontan geholfen. Sie hat Diesel für die Stromaggregate gebracht, von umliegenden Supermärkten bekommt sie Obst, Gemüse und Lebensmittel für die Zirkusfamilie. "Das ist mittlerweile fast zu unserer täglichen Aufgabe geworden", erklärt sie. Auch andere Bürger kümmern sich, bringen Karotten, Äpfel und Geld. Mehrere Heuballen lagern beim Zeltstall. "Die haben wir günstig kaufen können", freut sich Kaiser. Eine Gilchingerin lernt sogar mit den Zirkuskindern, denn Mutter Sandy liegt im Wochenbett. Neben Luciano (10), Loredana (8) und Leandro (4) komplettiert jetzt die kleine Louisiana das Kleeblatt und wurde bereits von den Gilchingern mit Babykleidung ausgestattet.

Leonardo und Artur Kaiser zwischen ihren Kamelen. Lamas, Ponys, Esel, Schweine sowie Rinder sind ebenfalls dabei. Täglich wird eine Menge Futter benötigt, um sie zu versorgen. (Foto: Arlet Ulfers)

"Wir haben so tolle Unterstützung, damit hätten wir gar nicht gerechnet", sagt der 29-jährige Vater. Die Gilchinger Kinder sind froh über ein wenig Abwechslung. Seit kurzem verteilt der Zirkus Patenschaften an die Kinder. "Ich habe einen Esel bekommen", freut sich die zehnjährige Mia; um den will sie sich besonders gut kümmern. Der Liebling aller ist aber das Kamelkalb "Helmut", ein echtes Gilchinger Kindl. An den Zaun zu den Kindern traut sich das Kalb mit seinem flauschigen weißen Fell noch nicht. Ein wenig schüchtern lugt es hinter seiner Mutter hervor.

Der Zirkus King muss länger als geplant in Gilching bleiben. (Foto: Arlet Ulfers)

Insgesamt 42 Tiere gehören zum Zirkus. Außer Kamelen, Lamas, Ponys und Esel sind es "Schweini", das Mikro-Schwein, und eine kleine Herde unterschiedlicher Rinder mit beeindruckenden Hörnern. Kunststücke muss kein Tier machen. Bei den Vorführungen laufen die Tiere in die Manege und präsentieren sich, erklärt der Zirkusdirektor; es gebe keinen Drill. "Wenn ein Esel Lust hat, sich im Sägemehl zu wälzen, darf er das", versichert er. Der Stellenwert der Zirkustiere habe sich über die Jahrzehnte stark verändert: "Die müssen keinen Purzelbaum schlagen, sondern sollen sich ganz natürlich bewegen".

Kunststücke führen dafür die Artisten vor. In der Zwangspause üben Kaiser und sein Neffe Leonardo ihre Akrobatiknummern. Leonardo lässt beispielsweise eine Bierbank auf seinem Kinn balancieren. Außerdem ist jetzt Zeit, um den Fuhrpark und die Wagen zu renovieren. "Was wir sonst in einem ganzen Jahr gemacht hätten, haben wir in den vergangenen Wochen erledigt", so Kaiser. Vor kurzem sind der Gilchinger Graffitikünstler Melander "Lando" Holzapfel mit seinem Freund "Loomit" (Mathias Köhler) vorbei gekommen und haben die Zirkuswagen mit neuen Motiven versehen.

Doch es bleiben vor allem finanzielle Sorgen. Im nächsten Monat wird die Versicherungssumme von jeweils 1400 Euro für die beiden Lastwagen fällig, doch das Geld fehlt. Die Famile hofft, dass es in absehbarer Zeit wieder heißt: "Manege frei". "Wir würden auch vor nur 30 Besuchern spielen und könnten die Hygienestandards erfüllen", betonte Kaiser. "Hauptsache es geht weiter".

© SZ vom 04.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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