Weiterführende Schulen:Das große Gymnasial-Tetris

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Immer mehr Kinder und Jugendliche besuchen Schulen entlang der S8 - allen voran das Gilchinger Christoph-Probst-Gymnasium. Nun sollen die Schülerströme umgelenkt werden. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Drei von fünf Schülern im Landkreis Starnberg gehen aufs Gymnasium - 50 Prozent mehr als im bayernweiten Schnitt. Vor allem das Gilchinger Gymnasium platzt aus allen Nähten. Ein Masterplan soll die Schülerströme nun neu lenken.

Von Viktoria Spinrad, Gilching

Mittagszeit in der Mensa des Gilchinger Gymnasiums. In der Halle sind fast alle Tische belegt, es ist laut. Ein Junge balanciert eine Saftflasche auf dem Kopf, ein anderer zieht sich fröhlich eine Pikachu-Leuchtmütze über und wackelt mit den Ohren. Nebenan am Klavier probieren sich zwei Mädchen an modernen Liebesliedern. Die Schlange an der Essensausgabe reicht fast durch den ganzen Raum. Etwa 20 Schüler warten wahlweise auf Curry oder Fleischpflanzerl. Dann klirrt Geschirr, jemandem ist ein Teller runtergefallen, sarkastischer Applaus brandet auf in der Halle, "Super", ruft einer.

Das Gilchinger Gymnasium ist das größte im Landkreis Starnberg, hier herrscht das pralle Leben. Doch langsam stößt der Schulalltag an seine Grenzen: Eigentlich ist die Schule auf bis zu 1400 Schüler ausgelegt, mittlerweile sind es 1580. Und Prognosen zeigen, dass es über 1700 werden könnten, wenn sich nichts tut. Statt sechs gibt es mittlerweile zehn fünfte Klassen. Die Zehnt-Klässler lernen längst in Containern. "Wenn wir noch weiter wachsen, haben wir bald keine Turnhalle mehr", mahnt Schulleiterin Elisabeth Mayr.

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Am Montag sitzt sie zusammen mit elf weiteren Vertretern aus Schule und Politik in einem Besprechungsraum in demonstrativer Einigkeit zusammen. Landrat Stefan Frey ist da, verschiedene Bürgermeister und Schulleiter. Es geht darum, wie der Ansturm auf die Gymnasien im Landkreis Starnberg gemanagt werden kann, solange das Herrschinger Gymnasium noch nicht fertig ist. Eine knifflige Aufgabe: Der Landkreis boomt, zudem besuchen hier deutlich mehr Kinder das Gymnasium als anderswo. Während bayernweit im Schnitt zwei von fünf Viertklässlern auf ein Gymnasium wechseln (39 Prozent), sind es hier zuletzt drei von fünf gewesen (59,5 Prozent) - zusammen mit Stadt und Landkreis München gehört der Landkreis Starnberg hier regelmäßig zu den Spitzenreitern im Freistaat. Was nicht zuletzt den Ausbildungsbetrieben, welche die jungen Leute dann zum Studium abziehen sehen, Kopfschmerzen bereitet.

In Gilching manifestiert sich der Trend wie unter einem Brennglas. Gerade hier hat es viel Zuzug gegeben, in den vergangenen Jahren wurde hier besonders viel gebaut. Und wer entlang der S-Bahnlinie S8 wohnt und aufs Gymnasium gehen will, fährt zumeist eben nach Gilching. Das führt dazu, dass sie hier an der Schule Tag für Tag mit den Räumen jonglieren müssen. Der Platz sei so begrenzt, dass nicht einmal jeder Lehrer im Lehrerzimmer seinen eigenen Stuhl habe, sagt Schulleiterin Mayr. Dabei gibt es nur ein paar Stopps und acht S-Bahn-Minuten weiter ein Gymnasium, bei dem die Lage ganz anders ist.

Das Germeringer Carl-Spitzweg-Gymnasium hat mit dem ebenfalls ortsansässigen Max-Born-Gymnasium und dem neuen Schulcampus Freiham deutlich mehr Konkurrenz - und damit auch mehr Luft. Hier gehen derzeit 960 Schüler zur Schule, Platz wäre für bis zu etwa 1150, sagt Schulleiterin Rita Bovenz. Aus dieser Diskrepanz haben die Verantwortlichen nun eine Art Verschiebemodell geschmiedet, das beiden Gymnasien entgegenkommen soll.

An der Lösung für das knifflige Problem haben viele Köpfe gearbeitet (von links): Rita Bovenz, Stefan Amon, Elisabeth Mayr, Christian Schiller, Andreas Thalmeier, Stefan Frey, Thomas Volz, Brigitte Grams-Loibl, Manfred Walter, Stefan Pilgram, Christoph Robert und Patricia Heilig. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Konkret sollen Viertklässler, die in Zukunft das neue Herrschinger Gymnasium besuchen wollen, nach dem kommenden Sommer in den Landkreis Fürstenfeldbruck pendeln, um dort das Carl-Spitzweg-Gymnasium zu besuchen. Dort werden die neuen sogenannten "Vorläuferklassen" für das Herrschinger Gymnasium gebildet - also die Gruppen, die dann - Stand jetzt - zum Schuljahr 2025/26 möglichst im Verbund gen Herrsching wechseln. Die bestehenden fünf Vorläuferklassen in Gilching mit insgesamt 176 Schülern bleiben ebenfalls dort.

Um das Gymnasium noch weiter zu entlasten, werden Schüler aus Herrsching und Seefeld ebenfalls Germering zugewiesen. Als Entschädigung gibt es ein 365-Euro-Ticket gratis für die Grenzgänger. "Damit kann man dann durch ganz München turnen", sagt der Starnberger Landrat Stefan Frey (CSU).

Auch Kinder und Eltern aus Weßling, Wörthsee und Inning müssen sich auf eine mögliche Auspendelei gen Germering einstellen. In Gilching werden nur noch so viele aufgenommen, bis die Schule voll ist. Der Rest soll in der Germeringer Schulfamilie von Rita Bovenz aufgenommen werden. Und da auch das Tutzinger Gymnasium - nicht zuletzt wegen der verschobenen Sanierung - am Limit ist, sollen Andechser Eltern ihre Kinder im Frühjahr stattdessen am Starnberger Gymnasium anmelden.

Für das geplante Schüler-Roulette gibt es nur eine einzige Ausnahme

Die einzige Ausnahme für dieses Schüler-Roulette gibt es, wenn der jetzige Viertklässler bereits ein Geschwisterkind an einem anderen Gymnasium hat. Dann dürfen die Kinder das Geschwister-Gymnasium besuchen - dann, so Brigitte Grams-Loibl, die Ministerialbeauftragte für Gymnasien in Oberbayern-West, gebe es nur einen Basar und ein Sommerfest statt zwei. "Wir werden niemanden zwingen", betont sie denn auch. Wenn Eltern ihr Kind nach München schicken wollten, wäre auch das möglich.

Notwendig werden diese Verschiebungen nicht zuletzt, weil das Herrschinger Wunschgymnasium eine schwere Geburt bleibt: Aufgrund diverser Umweltvorschriften verzögert sich das auf derzeit knapp 100 Millionen Euro kalkulierte Bauprojekt weiter. Es ist das bisher teuerste Bauprojekt des Landkreises - nicht zuletzt deshalb, weil der Bau nun in eine Zeit der Teuerung fällt, wozu auch diverse Bürgerbegehren beigetragen haben, in deren Rahmen der Standort infrage gestellt wurde.

Diese Bürgerbegehren, sagt die Feldafinger Landtagsabgeordnete und Bildungspolitikerin Ute Eiling-Hütig (CSU), "hätte man sich sparen können". Immerhin, so Landrat Frey, zeige die aktuelle Situation, dass das Herrschinger Gymnasium unbedingt gebraucht werde - "allen Unkenrufen zum Trotz". So sieht es auch seine Parteikollegin Eiling-Hütig: "Das Herrschinger Gymnasium muss jetzt schnellstmöglich her."

Die Einschreibetage an allen fünf Gymnasien - Carl-Spitzweg-Gymnasium Germering, Max-Born-Gymnasium Germering, Christoph-Probst-Gymnasium Gilching, Gymnasium Starnberg und Gymnasium Tutzing - finden am Montag und Dienstag, 8./9. Mai, statt. Details finden sich auf den jeweiligen Webseiten der Schulen. Die jeweiligen Aufnahmekapazitäten der Gymnasien werden am Mittwoch, 10. Mai, auf der Webseite des Gymnasiums Gilching veröffentlicht. An diesem Tag beginnt auch die zentrale Zuweisung eines Gymnasial-Schulplatzes, falls die Aufnahme am Wunschgymnasium nicht möglich sein sollte.

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