Fahrschulen:Die Ansteckungsgefahr fährt mit

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Die Absolventen einer Stockdorfer Fahrschule sitzen mit einem Prüfer im Auto, der später positiv auf das Coronavirus getestet wird. Die Eltern einer 18-Jährigen beklagen, dass sie zu spät darüber informiert wurden. Ein Fahrschüler ist erkrankt.

Von Jessica Schober, Starnberg

Endlich den Führerschein machen, das war das Ziel einer 18-jährigen Schülerin aus Stockdorf. Nicht mehr in vollen Bussen und Bahnen sitzen zu müssen, erst recht in diesen pandemischen Zeiten. In ihrem Fall ging alles gut - obwohl ihr Prüfer mit dem Coronavirus infiziert war. Der Tag der Prüfung stand am 19. Oktober bevor, nachdem sie die Theorie- und Praxisstunden bei "Flo's Fahrschule" absolviert hatte, einer Fahrschule mit Filialen in Stockdorf und Planegg. Die Gymnasiastin saß hinterm Lenkrad, ihr Fahrlehrer Florian Ullewelt auf dem Beifahrersitz und der Prüfer vom TÜV Süd auf der Rückbank. Alle drei mit Mundschutz, das Auto frisch gelüftet und desinfiziert. Dennoch: alle nah beieinander. Die Führerscheinprüfungen zwingen drei Fremde trotz Pandemie zu körperlicher Nähe, da gibt es wohl keinen Ausweg.

Den Mundschutz habe der Prüfer den ganzen Tag nicht abgenommen, auch nicht bei Besprechungen außerhalb des Wagens, berichtet Fahrlehrer Ullewelt. Als sie die Prüfung bestanden hatte, war die Stockdorfer Gymnasiastin einfach froh. Nach einer Woche erfuhr sie, dass der TÜV-Prüfer ein positives Corona-Testergebnis bekommen hatte - doch sie erfuhr es nicht etwa von einer Behörde, sondern von der Fahrschule. Der Fahrlehrer hatte umgehend gehandelt und seine Prüflinge per Kurznachricht informiert.

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Es sollten noch einmal vier Tage vergehen, bis die Schülerin den offiziellen Anruf vom Starnberger Gesundheitsamt erhielt. Warum dauerte das so lange? Das fragt sich die Familie. Die Antwort hat mit Behördenkompetenzen zu tun und könnte außerdem ein Beispiel dafür sein, warum die Gesundheitsämter deutschlandweit mit der Kontaktnachverfolgung ins Hintertreffen geraten.

Florian Ullewelt saß als Fahrlehrer mit der Schülerin im Auto. "An dem Tag haben elf Fahrschüler ihre Prüfung abgelegt - einer von denen hat mir inzwischen Bescheid gesagt, dass er nun ebenfalls ein positives Testergebnis bekommen hat", sagt Ullewelt. Die Stockdorfer Schülerin, die nicht namentlich genannt werden will, hat sich nicht angesteckt.

Doch die Familie wunderte sich sehr, dass sie erst so spät von der Infektion des Prüfers erfuhr. "Ich könnte mich so aufregen über diese Verantwortungslosigkeit beim TÜV", sagt die Mutter. "Ich finde es unglaublich, dass die Fahrschüler erst eine Woche nach der Prüfung davon erfahren haben, dass der Prüfer sich testen ließ."

Der TÜV verweist darauf, dass Gesundheitsämter für die Kontaktnachverfolgung zuständig seien, nicht aber die Arbeitgeber von Infizierten. Informationen über den Gesundheitszustand von Mitarbeitenden könne der TÜV Süd nicht einfach an Dritte weiterleiten, sagt Sprecher Vincenzo Lucà. In dem betreffenden Fall habe der infizierte Prüfer sein Einverständnis gegeben, dass die Fahrschule in Stockdorf informiert werde - das geschah eine Woche nach dem Prüftermin, also am 26. Oktober.

Der Inhaber der Fahrschule, Florian Erlacher, handelte sofort, benachrichtigte alle Beteiligten und begab sich freiwillig in Quarantäne. Erlacher, seine Frau und zwei weitere Fahrlehrer blieben nach der Nachricht des TÜVs noch eine Woche in Isolation. Ein weiterer Fahrlehrer der Schule konnte den Unterricht fortsetzen, weil er keinen Kontakt zum infizierten Prüfer gehabt hatte.

Fahrschulinhaber Erlacher hat Verständnis für beide Seiten: "Ich finde es berechtigt, wenn die Familie sich zu spät informiert fühlt. Aber ich verstehe auch, dass der TÜV uns nicht bei einem bloßen Verdachtsfall, sondern erst mit einem positiven Testergebnis informiert hat - und dafür, dass die Gesundheitsämter so überlastet sind, kann auch keiner etwas."

Das Starnberger Gesundheitsamt wiederum ist nicht für das sogenannte Contact Tracing zuständig, weil der Prüfer nicht im Landkreis gemeldet ist. "Wir haben erst am 30. Oktober vom Landkreis München von der Infektion des Prüfers erfahren und sofort die sechs hier gemeldeten Kontaktpersonen informiert", sagt die Behördensprecherin Barbara Beck. Für die Schülerin aus Stockdorf führte das dazu, dass sie erst am darauffolgenden Freitag - nachdem sie schon längst ein negatives Testergebnis hatte - während des Unterrichts am Gymnasium Icking eine Nachricht vom Gesundheitsamt bekam, dass sie sich für drei verbleibende Tage in Quarantäne begeben solle - elf Tage waren ja bereits seit der Prüfung vergangen. Verwirrend und ärgerlich für die Familie.

Das Gesundheitsamt des Landkreises München widerspricht der Starnberger Behörde, es sei für die Kontaktnachverfolgung des Prüfers zuständig. "Wir haben die Person nicht als infizierte Indexperson in unserem Datensatz", sagt Sprecherin Franziska Herr. "Wir wurden auch nur von einem anderem Gesundheitsamt darüber informiert, dass Kontaktpersonen des infizierten Prüfers bei uns im Landkreis gemeldet sind." Welches das zuständige Gesundheitsamt ist, könne sie aus Datenschutzgründen nicht sagen, erklärt die Sprecherin. So stockt der Verkehr, wenn mindestens drei involvierte Gesundheitsämter versuchen, alle Betroffenen zu informieren.

Sprecherin Herr verweist unterdessen auf die allgemein hohen Infektionszahlen, "die Kollegen im Gesundheitsamt des Landkreises München arbeiten alle am Anschlag".

© SZ vom 07.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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