Fünfseen-Filmfestival:Die Freiheit immer wieder verteidigen

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Taiwan-Empfang in Gauting: Festivalleiter Matthias Helwig (links) mit dem Generaldirektor der Taiwan-Vertretung in München, Ian-Tsing Dieu, und Vize-Landrat Matthias Vilsmayer. (Foto: Nila Thiel)

Beim Taiwan-Empfang wird mit "Untold Herstory" an die Zeiten des "Weißen Terror" in den Fünfzigerjahren erinnert. Klar wird dabei eines: Der ostasiatische Inselstaat versteht sich auch weiterhin nicht als Teil der Volksrepublik China.

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Gauting

Im Jahr 1953 herrscht Kriegsrecht in Taiwan. In diesen Zeiten der Diktatur setzt sich jeder Bürger, der eine andere Meinung äußert, dem Verdacht aus, prokommunistisch zu sein. Selbst bei harmlosen Vergehen werden Menschen von ihrer Familie weggeschleppt und in Umerziehungslager gebracht. Der Film "Untold Herstory", was so viel heißt wie "Unerzählte Geschichte", der beim Fünfseen-Filmfestival am Dienstag im Rahmen des Taiwanabends im Breitwand-Kino Gauting gezeigt wurde, erzählt vom Schicksal von fünf Gefangenen in einem Gefängnis auf "Green Island".

Seine Großmutter habe ihn in die Stadt geschickt. Sie warte heute noch auf ihn, erzählt einer von ihnen, der ohne ersichtlichen Anlass verschleppt worden war. Mütter werden im Beisein der Kinder aus der Familie herausgerissen. Sie müssen im Lager Umerziehungskurse besuchen und harte Zwangsarbeit leisten. Später werden sie erpresst, dass sie ihre Kinder erst wiedersehen, wenn sie eine antikommunistische Erklärung mit Blut unterschreiben oder eine entsprechende Tätowierung auf ihren Körpern zulassen.

Von den Wärtern, die aus allen Teilen Chinas kommen, werden die Gefangenen unter Druck gesetzt, brutal verprügelt und gefoltert, indem sie mit dem Kopf nach unten aufgehängt werden. Nur wenige überleben das. Andere prostituieren sich, um diesem Schicksal zu entgehen. Von den etwa 100 weiblichen Gefangenen sind nach offiziellen Angaben 26 hingerichtet worden. Die realistische Zahl dürfte weitaus höher sein. Die Szenen im Film sind so realistisch gespielt, dass sie an einen Dokumentarfilm erinnern. Sie gehen unter die Haut, schon das Zusehen ist schwer erträglich.

Szene aus "Untold Herstory" - ein Film, der den Weißen Terror in Zeiten der Diktatur auf der Insel Taiwan beschreibt. (Foto: FSFF)

Festivalleiter Matthias Helwig hatte die Partnerschaft zwischen dem Landkreis Starnberg und New Taipei City, dem früheren Landkreis Taipeh, zum Anlass genommen, auch Filme aus dieser Region zu zeigen. Er habe dadurch die Möglichkeit, auf den asiatischen Raum hinzuweisen, erläuterte er am Rande des Empfangs. Im vergangenen Jahr sei die Situation sehr politisch gewesen, sagte er vor dem Hintergrund des Druckes seitens Chinas auf Taiwan, das die Insel als Bestandteil der Volksrepublik betrachtet. Aktuell aber habe sich die Lage beruhigt, so Helwig.

Partnerschaft mit Tradition

Der stellvertretende Landrat Matthias Vilsmayer, der selbst schon Taiwan besucht hat, lobte, dass durch die Bilder und Geschichten Verständnis für ein fernes Land geweckt werde, in einer Zeit, in der das miteinander Reden und Kennenlernen zurückgehe. Wenn sich fremdartige Kulturen austauschten, trage das zur Verhinderungen von Kriegen bei, zeigte er sich überzeugt.

Während Vilsmayer die Partnerschaft zwischen Taiwan und dem Filmfestival als eine "sehr gute Tradition" bezeichnete, formulierte es der Generaldirektor vom Münchener Büro der der Taipeh-Vertretung der Bundesrepublik Deutschland, Professor Ian-Tsing Dieu, vorsichtiger: "Es ist also nicht übertrieben, wenn ich von Tradition spreche."

Wie er erläuterte, sei die Zusammenarbeit mit Festivalleiter Helwig geprägt von gegenseitigem Vertrauen. Man berate sich, um "interkulturelle Kompetenz" für beide Seiten zu schaffen. Schließlich sei Taiwan das "Einführungsland" zum ostasiatischen Raum, und man fördere das Zusammenwachsen der demokratisch-liberalen Werte. Er wünsche sich mehr Partnerschaften wie mit Starnberg, sagte der Generaldirektor. Laut Landratsamtssprecherin Barbara Beck stellt ihre Behörde normalerweise die Kontakte her. Aus diesen Partnerschaften, beispielsweise zwischen Schulen oder mit dem Filmfestival, würden sich oft Freundschaften entwickeln.

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Die Taiwan-Vertretung gibt nach Angaben von Ian-Tsing Dieu jedes Jahr Filmempfehlungen ab, und es gebe mit Helwig keine Diskussionen zur Auswahl. Angaben zur aktuellen politischen Lage zwischen China und Taiwan umschiffte Ian-Tsing Dieu. Stattdessen lobte er seine Regierung. "Heute ist Taiwan eine Demokratie, in der jeder ungestraft seine Meinung sagen kann." Allerdings sei das nicht immer so gewesen, räumte er ein.

Mit Blick auf den Film, der sich mit der Aufarbeitung eines unrühmlichen Kapitels aus der Vergangenheit Taiwans befasst, erklärte er, dass bis in die späten Achtzigerjahre hinein "eine Meinung schnell in eine Katastrophe münden konnte". Man sei schnell bestraft und verbannt worden. In dem Film werde daran erinnert, wie schützenswert die Demokratie sei "und dass wir die Freiheit immer wieder verteidigen müssen."

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