Fünfseen-Filmfestival:Ein langes und böses Spiel

Lesezeit: 3 min

Der Regisseur Ulrich Seidl ist Ehrengast beim Fünfseen-Filmfestival. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

In Gauting wird ein dreieinhalbstündiger Film von Regisseur Ulrich Seidl gezeigt, in den zwei seiner Werke , "Rimini" und "Sparta" einfließen. Letzteres hat einen Skandal ausgelöst. Über die Vorwürfe, damit seien Kinder traumatisiert worden, zeigt er sich enttäuscht.

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Gauting

Im Film "Sparta" kämpft Ewald gegen seine pädophilen Neigungen: Er will nicht zum Täter werden. In "Rimini" geht es um Richie Bravo, einem abgehalfterten Schlagersänger, der seinen stumpfen Alltag in Alkohol ertränkt. Der österreichische Regisseur, Drehbuchautor und Produzent Ulrich Seidl hat die beiden Einzel-Filme nun in seinem Werk "Böse Spiele" vereint, aber nicht vermengt. Beide Schicksale werden weiterhin unabhängig voneinander erzählt. Die Verbindung wird dadurch hergestellt, dass Ewald und Richie Bravo Brüder sind. Die Szenen wechseln zwischen dem winterlichen Rimini und Richie Bravos Auftritten vor Rentnergruppen und seinem Bruder Ewald, der in Rumänien eine heruntergekommene Schule zu einem Judo-Zentrum für Buben ausbaut. Zusammengehalten werden die beiden Schicksale von einer dritten Geschichte. In einem Pflegeheim in Österreich lebt der demente Vater, dessen Geist in der Nazizeit stecken geblieben ist.

Herausgekommen ist ein schwermütiger, düsterer, dreieinhalb Stunden langer Film, der im Rahmen des Fünfseen-Filmfestivals im Gautinger Breitwand-Kino gezeigt wurde. Wie bei vielen Filmen mit Überlänge, ist auch "Böse Spiele" streckenweise langatmig. Und manche der immer wiederkehrenden Alltagsszenen hätten eine Kürzung durchaus vertragen. Zwar nickten ein paar Zuschauer im gut besetzten Kino ein, aber nur wenige verließen die Vorstellung vorzeitig. Denn die Tragödie um Einsamkeit und Scheitern, bei der gleichzeitigen Suche nach Liebe und Anerkennung war so fesselnd, dass die meisten Besucher bis zum Ende durchhielten. Doch die schwere Kost war nicht nur eine Herausforderung für die Zuschauer, sondern auch für die Schauspieler.

Hans-Michael Rehberg, deutscher Schauspieler. (Foto: Regina Schmeken/Regina Schmeken/SZ Photo)

Hans-Michael Rehberg war bei den Dreharbeiten bereits von schwerer Krankheit gezeichnet. In dem Film spielte er die letzte Rolle seines Lebens. Dennoch sei die Arbeit mit ihm so effizient gewesen, dass aus den geplanten drei Drehtagen insgesamt zehn wurden, sagte der Regisseur in Gauting. Seidl zufolge war beispielsweise die letzte Szene, in der der demente Vater ein Schubert-Lied anhört und nach seiner Mama ruft, nicht geplant. Sie sei aus der Situation heraus entstanden.

Für Georg Friedrich als Ewald war es Seidl zufolge äußerst schwierig, sich in einen Pädophilen hineinzuversetzen. Alle Szenen seien improvisiert, die Darsteller hätten sich nicht an festgelegte Dialoge halten können, so der Regisseur. Friedrich habe sich "hineinleben" müssen. Denn in dem Drehbuch, das Seidl zusammen mit Veronika Franz geschrieben hat, gibt es keine festgelegten Dialoge. Er lasse den Figuren ihre Geschichten erzählen, sagte er.

Szene aus Seidls "Sparta" mit Georg Friedrich (Foto: Ulrich Seidl Filmproduktion)

Die Idee für seine "Sparta"-Geschichte hatte Seidl, als er auf einen Zeitungsartikel stieß, in dem von einem deutschen Mann berichtet wurde, der sich in Rumänien an Buben herangemacht habe. Bei Seidls Version allerdings wird Ewald nicht zum Täter. Es gehe ihm nicht um Moral. Er zeige Menschen, die versuchen, ihre Sehnsüchte zu leben, sagte Seidl, der sich von dem Skandal, den der Film "Sparta" auslöste, sehr enttäuscht zeigte. Dem Regisseur war vorgeworfen worden, die Kinder während der Dreharbeiten traumatisiert zu haben, weil sie einzelne Szenen nicht verkraftet hätten. Alle Vorwürfe seien geprüft und geklärt worden, betonte Seidl. Dennoch sei die Geschichte am Leben erhalten worden von "einem manipulativen Journalismus", der derzeit auch von seriösen Medien verfolgt werde.

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Hervorragend interpretiert auch der Schauspieler und Musical-Sänger Michael Thomas den früheren Schlagerstar Richie Bravo, der seinem Ruhm hinterherrennt und nur noch Begeisterung bei den vorwiegend weiblichen, mit ihm gealterten Fans auslöst. Während seiner Liebesdienste, für die er sich gut bezahlen lässt, gibt er ihnen aber auch Anerkennung zurück. Die Sex-Szenen werden detailliert gezeigt; sie wirken jedoch nie trivial oder geschmacklos. Richies Stern sinkt weiter, als seine Tochter (Claudia Martini) von ihm die Alimente verlangt, die er 18 Jahre lang schuldig geblieben ist. Um das Geld zu beschaffen, gleitet er ins kriminelle Milieu ab und wird zum Erpresser.

Insgesamt 85 Tage verteilt auf zwei Jahre hat Seidls Team in Italien, Rumänien und Österreich gedreht. Herausgekommen ist "ein sehr langes Spiel". Der Regisseur hat für die Langfilm- Fassung (laut Seidl "der wahre Film") Material von etwa 200 Stunden, gesichtet und geordnet. "Ich bin ein Perfektionist, ich kann nicht loslassen", sagte er.

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