Energiewende:Flaute für Windräder

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In Dießen wird darum gerungen, wohin Windräder kommen können, die man vom Ammersee aus weithin sieht. Von den bereits stehenden Windrädern in der Gemeinde Berg aus hat der Betrachter einen ausgezeichneten Blick auf den Starnberger See. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Obwohl die Marktgemeinde Dießen womöglich Gestaltungsspielraum verschenkt, kann sich der Gemeinderat nicht auf ein Nutzungskonzept einigen.

Von Armin Greune, Dießen

Bis Ende Mai haben die Kommunen im Münchner Umland noch Zeit, zu möglichen Windrädern auf ihrem Gebiet Stellung zu beziehen. In Dießen am Ammersee lässt der Debattenverlauf in der jüngsten Gemeinderatssitzung befürchten, dass diese Frist verstreicht und man sich nicht auf ein Konzept zur Nutzung der Vorrangflächen auf dem Höhenrücken westlich des Ammersees einigen kann. In diesem Fall droht, dass ein privater Investor dort ohne Rücksicht auf kommunale Belange Anlagen errichtet - und den Profit allein einstreicht, anstatt die Gemeinden und ihre Bürger am Gewinn zu beteiligen.

22 sogenannte Vorranggebiete für Windenergie hat der Regionale Planungsverband München (RPV) für die acht umliegenden Landkreise einschließlich München, Starnberg und Landsberg am Lech ausgewiesen. Etwa drei Millionen Menschen leben dort in 185 kreisangehörigen Gemeinden; 2,3 Prozent der Regionsfläche sind jetzt vorrangig der Windkraft gewidmet worden, das sind 126 Quadratkilometer. Dort sind Windräder als Stromversorgungseinrichtungen privilegiert, andere raumbedeutsame Nutzungen werden ausgeschlossen. Das Wind-an-Land-Gesetz sieht vor, dass bis 2027 in Bayern 1,1 Prozent der Landesfläche für die Windkraft bereitgestellt werden; bis 2032 soll dieser Anteil auf 1,8 Prozent steigen.

Im Dießener Gemeinderat informierte Elisabeth Lux über den Sachstand. Als sogenannte Windkümmerin arbeitet sie für die Energieagentur Ebersberg/München, die Kommunen bei der Umsetzung der Ziele des RPV berät und unterstützt - aber keine Anlagen projektiert. Um ein Projekt zu steuern, könnten Gemeinden geeignete Flächen für einen Windpark sichern, einen Projektträger auswählen und dabei Lage, Größe und Betriebsform festlegen. Die Gemeinde kann zur regionalen Wertschöpfung etwa eine Bürgerbeteiligung bis zu 24,9 Prozent verbindlich fordern, maximal wären sogar 49,9 Prozent möglich. Grundsätzlich wäre dabei zu entscheiden, ob die Kommune selbst die Initiative ergreift, mit einem Investor zusammenarbeitet oder das Projekt gänzlich externen Betreibern überlässt; auch interkommunale Partnerschaften wären denkbar.

Vorranggebiete für Windenergie hat der Regionale Planungsverband München auch westlich des Ammersees ermittelt. (Foto: SZ-Grafik; Quelle: Regionaler Planungsverband München)

Im RPV-Vorranggebiet 02 zwischen Dießen und Entraching werden ohnehin minimale Anteile der Gemeindeflächen von Utting und Finning miterfasst. In Bezug auf das Windaufkommen sei dies laut Lux ein "guter Standort": Bei einer durchschnittlichen Windgeschwindigkeit von 5,6 Meter pro Sekunde in 160 Meter Höhe wäre ein mittlerer Stromertrag von 10 000 Megawattstunden pro Jahr zu erwarten. Vom ursprünglich anvisierten Areal wurde etwa ein Drittel wieder fallen gelassen, weil ein zu geringer Abstand zu Wohnhäusern im Außenbereich oder artenschutzrechtliche Bedenken etwa wegen des hier verbreiteten Schwarzmilans vorlagen.

Ein Großteil des Geländes gehört den Bayerischen Staatsforsten

Das verbliebene, 419 Hektar große Gebiet auf der Anhöhe westlich von Riederau und Bierdorf ist zu 84 Prozent bewaldet. Ein Großteil davon gehört den Bayerischen Staatsforsten, die ihre Windkraftflächen im Ausschreibungsverfahren vergeben will. Nach aktuellem Stand sollen Anlagen im Staatsforst nur gebaut werden, wenn dazu ein positiver Gemeinderatsbeschluss vorliegt; dabei können die Kommunen Kriterien wie etwa eine Bürgerbeteiligung festlegen. Allerdings sind die Richtlinien nicht in Stein gemeißelt, vor dem Hintergrund der sich verschärfenden Klimakrise sind auch Änderungen möglich. So wird gerade etwa über die Abstandsregelungen zum Militärflugplatz auf dem Lechfeld nachverhandelt.

Die Debatte im Dießener Gemeinderat wurde vor allem von einzelnen Windkraftgegnern bestimmt. Michael Hofmann (Bayernpartei) widersprach Lux' Aussagen zur Wirtschaftlichkeit der Stromerzeugung und fiel der Fachfrau mehrfach ins Wort. "Kein Mensch will Windräder vom See aus sehen", postulierte Hofmann, für eine Stellungnahme des Rats sei "das alles viel zu früh". Roland Kratzer (CSU) hingegen appellierte an die Kollegen, möglichst rasch selbst aktiv zu werden: "Bei der Fotovoltaik hat man gesehen, dass die Flächen immer teurer geworden sind." Auch Holger Kramer (Grüne) warnte vor einer Verweigerung, es ginge nur um die Frage "Mitmachen oder Laufenlassen".

Dießens Bürgermeisterin Sandra Perzul hat schon vor einem Jahr angeregt, über Windenergieanlagen nachzudenken. Hier steht sie an einer Freiflächen-Photovoltaikanlage der Gemeinde auf dem Gelände des Wasserwerks. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Michael Lutzeier (Die Partei) wiederum war dagegen, "auf einen Zug in der falschen Richtung aufzuspringen" und forderte "Aufschub im Interesse des gesamten Ammerseegebiets". Bürgermeisterin Sandra Perzul (Dießener Bürger) erinnerte freilich daran, dass sie schon vor einem Jahr angeregt hatte, sich über Windenergieanlagen in der Gemeinde Gedanken zu machen - der Gemeinderat aber zuwarten wollte, bis die Vorrangflächen vorliegen. Und Lutzeier selbst hatte bereits im Januar in einem satirischen Internetbeitrag Offshore-Anlagen im Ammersee gefordert: Das Windrad möge das Kreuz als Symbol im Freistaat ersetzen. Schließlich beschloss der Gemeinderat lediglich, vom Sachverhalt Kenntnis zu nehmen. Die "Windkümmerin" wurde beauftragt, bei der Erarbeitung der Stellungnahme "bezüglich der Vorrang- oder Vorbehaltsflächen zu unterstützen" - und selbst dafür fanden sich noch drei Gegenstimmen.

Auch im Landkreis Starnberg ist die Debatte um Windräder neu entbrannt - vier davon stehen bereits seit neun Jahren in der Gemeinde Berg nahe der Garmischer Autobahn. (Foto: Arlet Ulfers)

Im Landkreis Starnberg haben derweil drei Kommunen und ein privater Investor die Windenergie im Visier. Auf Gautinger Grund kommen zwei Standorte infrage, erste Vorverträge mit dem Staatsforst sind bereits geschlossen worden. Die Gilchinger planen, mit zwei Nachbargemeinden zwei Windräder zu errichten. Krailling hat vier Standorte im Kreuzlinger Forst nahe der Lindauer Autobahn ins Auge gefasst. Am weitesten fortgeschritten ist das Projekt der Graf zu Toerring-Jettenbach'schen Unternehmensverwaltung in Seefeld. Für das Vorhaben, auf eigenem Waldgebiet an der Lindauer Autobahn zwischen Wörthsee und Etterschlag fünf Anlagen aufzustellen, läuft bereits die Genehmigungsplanung. Die Familie Toerring betreibt schon seit acht Jahren vier Windräder im Landkreis Pfaffenhofen. Die vor zwei Jahren gegründete Seefelder Firma "Toerring Green Energy" plant unter anderem auch, auf einem ihrer Grundstücke im Landkreis Mühldorf Windstrom zu erzeugen.

Die vier Anlagen in der Gemeinde Berg haben sich im bald neunjährigen Betrieb als ökologische und ökonomische Erfolgsgeschichte erwiesen. Der Gewinn dort kommt 169 Teilhabern zugute. Die Entstehungsgeschichte der Anlage gegen alle Widerstände macht insbesondere eines deutlich: Ob ein Projekt auf Protest oder Zustimmung trifft, hängt vor allem davon ab, inwieweit auch die Bürger vom Ertrag der Kraftwerke profitieren.

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