Kunstschlosser präsentiert sein Handwerk:Der Funke der Begeisterung

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Walter Spensberger gilt als Institution in Dießen und Umgebung. Hier ist er mit Schrank- und Schubladenschlössern und einer alten Truhe zu sehen. (Foto: Georgine Treybal)

Walter Spensbergers Grabkreuze und Gartenfiguren sind im Fünfseenland weitverbreitet. Jetzt zeigt er in einer sehenswerten Ausstellung kunstfertige Schlösser im Dießener "Königshaus", darunter sein eigenes Meisterstück.

Von Armin Greune, Dießen

Wenn der Dießener Kunstschmied Walter Spensberger von seinem Beruf, ach was: von seiner Leidenschaft erzählt, leuchten seine Augen wie die eines Schulbuben. Begeistert erzählt er von der Handwerkskunst in der Metallverarbeitung vor der Industrialisierung, von Fallen und Kapellen, die im Inneren von Schlössern verborgen sind. "Verriegelt und verschlossen" heißt die kompakte Ausstellung von Schlössern, Schlüsseln und Beschlägen, die er noch fünf Wochen lang unweit der eigenen Werkstatt im zuvor leer stehenden Laden an der Schützenstraße 27 präsentiert.

"Eine Dießener Institution" sieht etwa der langjährige Bürgermeister Herbert Kirsch in dem 81-jährigen Kunstschmied und Schlossermeister, dessen Wirken im Heimatort geradezu omnipräsent scheint. Zu seinen jüngeren Arbeiten gehören etwa die 28 Leuchten für den Schacky-Park, die er restauriert hat: getreu der Illumination, mit der Ludwig Freiherr von Schacky vor mehr als 100 Jahren die Menschen am Ammersee verblüffte, als elektrische Beleuchtung auf dem Land noch als kleine Sensation galt. "Da müsst ihr mal nachts entlangspazieren", empfiehlt Spensberger, "am besten mit einer Flasche Rotwein".

Ein Urgestein der Kulturszene am Ammersee

Den Meister des Schmiedeeisens muss man zu den Urgesteinen der Dießener Kulturszene rechnen. Seit Langem gehört er der "Arbeitsgemeinschaft Dießener Kunst" (ADK) an, die ihre Erzeugnisse im denkmalgeschützten Pavillon in den Seeanlagen anbietet. Selbstredend ist Spensberger auch Mitglied beim kulturaffinen Dießener Heimatverein: Auf dessen jährlichem Weihnachtsmarkt vor dem Marienmünster, der auf elektrisches Licht verzichtet, war Spensbergers Esse stets eine Hauptattraktion. Seit Corona vermissen die Besucher das lodernde Feuer, den riesigen Blasebalg und die launigen Kommentare des Schmieds. Inzwischen ist es ihm doch zu mühselig geworden, die Ausrüstung mit dem zentnerschweren Amboss anzukarren.

Das Schrankschloss ist Walter Spensbergers Meisterstück aus dem Jahr 1961. (Foto: Georgine Treybal)
Zu sehen sind nun Spensbergers Werke, aber auch Türbänder und Schlösser anderer Kunsthandwerker. (Foto: Georgine Treybal)

Seit er formell in Rente ist, macht er nur noch das, wozu er Lust hat. Schmiedet Figurinen wie den Engel Aloysius mit Punkfrisur, eine ägyptische Gottheit mit Widderkopf oder einen überlebensgroßen "Don Quijote". Viele Häuser und Gärten im weiten Umkreis von Dießen sind gespickt mit Briefkästen, Wetterfahnen oder lustigen Tierfiguren aus seiner Hand. Ein besonders langlebiger Verkaufshit im ADK-Pavillon sind die Raben, zu denen sich Spensberger vor 30 Jahren von Wilhelm Buschs "Hans Huckebein" inspirieren ließ. Und vermutlich gibt es im Fünfseenland keine Gemeinde mehr, auf deren Friedhof nicht mindestens ein von ihm gefertigtes Grabkreuz steht: Weit über 150 hat er in fünf Jahrzehnten geschaffen.

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Außer dem Schmieden gibt es eine weitere Leidenschaft, die er mit dem Beruf vom Vater Simon geerbt hat: das Sammeln. 2014 hat Walter Spensberger im Taubenturm des Dießener Heimatvereins eine viel beachtete Ausstellung mit Grabkreuz-Unikaten bestückt. Nun zeigt er einen Teil seiner umfangreichen Kollektion an Tür-, Schrank- und Truhenschlössern sowie Türbeschlägen nur wenige Meter oberhalb seiner Werkstatt in der Schützenstraße 11. Zur Ausstellung haben ihn auch die Nachbarn inspiriert, merkt Spensberger verschmitzt an: Es sei verführerisch gewesen, die Eigentümer von Haus 27 von einer "Schlossbesichtigung im Königshaus" zu überzeugen. Elisabeth und Wolfgang König waren dann sofort einverstanden.

Die Schau sei komplett "auf Walters Mist gewachsen", erklärte Florian Raff zur Vernissage, bei der das Publikum in dem kleinen Laden kaum Platz fand. Der Bruder des im vergangenen Jahr gestorbenen Kunsthistorikers und langjährigen Heimatvereinsvorsitzenden Thomas Raff arbeitet als Ausstellungsgestalter für historische Themen und hat den 81-Jährigen beim Kuratieren unterstützt. Die alten Türen, an denen die meisten Exponate aufgehängt sind, stammen auch aus Spensbergers Fundus.

Dass er bei aller kunstfertigen Verspieltheit den Beruf als Schlosser auch im eigentlichen Wortsinn begreift, belegt sein Meisterstück. Das barocke Schrankschloss mit freitragendem Kreuzmittelbruch nimmt sozusagen eine Schlüsselrolle unter den Exponaten ein; Spensberger hat es 1961 innerhalb von 14 Tagen geschaffen. Den Schlüssel hat er mit dem Initial seines Vornamens verziert, der Bart muss in der sogenannten Kapelle in zwei Stufen einhaken, um den doppelten Riegel zu bewegen. Das Werk des Dießeners hängt neben einem ähnlichen Meisterstück, das ein unbekannter Kollege 1890 konstruiert hat.

Das andere Prunkexponat ist eine wohl an die drei Zentner schwere Eisentruhe. Unter dem Deckel befindet sich eine komplizierte Mechanik mit 18 Riegeln. Zusätzlich war dieser antike Tresor mit einem Vorhängeschloss gesichert, dessen Schlüsselloch wiederum unter einem Deckel steckt, der sich nur öffnet, wenn in einem Räderwerk die richtige Uhrzeit eingestellt wird. Im Boden sind Löcher ausgespart, damit die Truhe für Geld- und Goldtransporte mit Eisenkeilen fest an der Kutsche fixiert werden konnte.

Viele Ausstellungsstücke stammen noch aus der Sammlung von Simon Spensberger, dem Vater von Walter Spensberger. Wer dieses Schloss geschmiedet hat, ist aber unbekannt. (Foto: Georgine Treybal)

Viele Ausstellungsstücke, die zum Teil noch von Simon Spensberger zusammengetragen wurden, nötigen den Betrachter angesichts der ausgefeilten Sicherheitstechnik Bewunderung ab. Die meisten stammen aus dem 18. und 19. Jahrhundert; nicht wenige sind aufwendig verziert. Sie wurden mit Öl schwarzgebrannt, gebläut, geätzt oder mit Zinn veredelt, mit dem Meißel trieb man Gravuren hinein, oft mit floralen Motiven. Walter Spensberger hat sie zum Teil speziell für diese Ausstellung restauriert.

Schon immer hat ihn auch das Reparieren von Gebrauchsgegenständen gereizt, er sieht sich auch als Metallbauer. So hat er etwa die vertrackte Mechanik des Theatrum sacrum des Marienmünsters wieder in Gang gesetzt, damit die hölzerne Christusfigur aus dem Barock an Ostern mit einer Handkurbel über Rollen und Drahtseile wieder bewegt werden kann. "Eisenmangel hab' ich keinen", merkt Spensberger grinsend an.

Alle drei Kinder sind beim Vater in die Metallgestalter-Lehre gegangen, auch die zwei Töchter. Mit Magdalena teilt er sich inzwischen die Werkstatt, auch wenn sie inzwischen vom Grob- auf Feinschmied umgesattelt und eine weitere Ausbildung als Goldschmiedin absolviert hat. Der Vater hat sein Wissen an viele Lehrlinge weitergegeben. Aus dem Stegreif fallen ihm der junge Australier Burke aus Brisbane und Jim aus San Francisco ein, der promovierte Chemiker habe nach sechs Jahren in Dießen eine erfolgreiche Karriere als Kunstschmied in Kalifornien gestartet.

Man sieht: Die Gefahr, dass der Funke der Begeisterung für das Schmiedehandwerk von Spensberger auf andere überspringt, ist nicht zu unterschätzen. Dennoch sei ein Besuch der kleinen Ausstellung dringend angeraten, gerade weil ihr Ideengeber, Initiator und Mit-Kurator dort anzutreffen ist und gerne Rede und Antwort steht.

Die Ausstellung mit dem Titel "Verriegelt und versperrt" ist bis zum 7. Januar immer montags bis samstags von 16 bis 18 Uhr geöffnet, nach telefonischer Vereinbarung unter 08807/7275 auch zu anderen Zeiten.

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