Florian Schuh hatte sich das anders vorgestellt. Ganz anders. Schon als er 2015 als Quereinsteiger in der Getränkebranche sein erstes Starnberger Brauhaus im Berger Ortsteil Höhenrain baute, wollte er sich einen Traum verwirklichen. Er wollte eines Tages den Namen seiner Brauerei zum Programm werden lassen, der Kreisstadt Starnberg wollte er - wie einst vor mehr als 100 Jahren - wieder eine eigene Braustätte verschaffen. Und fast sah es nur acht Jahre später so aus, als könnte dieser Traum Wirklichkeit werden: Im Starnberger Gewerbegebiet Schorn sollte auf einem 41 000 Quadratmeter großen Areal eine neue Brauerei gebaut werden. Alle Vorzeichen dafür schienen günstig: Die bisher dort ansässige Post wollte sich von dem Gelände zurückziehen, die ersten Gespräche mit Stadt und Abwasserverband über den Brauereibau verliefen positiv. Doch mittlerweile klingt das anders. Starnbergs Bürgermeister Patrick Janik (UWG) stuft die Realisierung dieser Pläne neuerdings als "recht unwahrscheinlich" ein.
Wenn Janik das sagt, klingt er alles andere als begeistert: "Ja", sagt er, "wir hätten die Brauerei bei uns in Starnberg schon wirklich sehr gerne gesehen." Kein Wunder: Das Starnberger Brauhaus - seit 2021 im Feldafinger Ortsteil Wieling ansässig - könnte sich als potenter Gewerbesteuerzahler für die ohnehin klamme Kreisstadt erweisen . Denn Starnberger Bier ist begehrt. Durch eine Vertriebskooperation mit Krombacher sogar deutschlandweit. In den Berliner Bars zum Beispiel gilt es bei den Gästen als beliebtestes Helles. Das hatte der Biermonitor des Unternehmens Kollex den Starnbergern erst in diesem Sommer 2023 bescheinigt. Von einem Umsatzplus von 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr ist beim Brauhaus selbst die Rede. Es verlaufe alles wunschgemäß, sagt Schuh daher auch. Wenn nicht die Sache mit Schorn wäre.
Der 59-Jährige, der mittlerweile aus der operativen Brauereigeschäftsführung ausgeschieden ist, aber noch immer das letzte Wort hat, wenn es um Liegenschaften und Immobilien geht, hatte 2022 von den Plänen der Post gehört, ihr Briefzentrum in Schorn aufzugeben. Für ihn die Chance: Denn Gewerbegrundstücke sind rar in Starnberg. Also greift er zu, sichert sich die Option auf den Kauf des mehr als 40 000 Quadratmeter großen Areals. Den Standort in Wieling möchte er zwar nicht aufgeben, aber eine weitere Produktionsstätte samt eigener Abfüllanlage in Schorn errichten. Denn genau dafür ist das 2000 Quadratmeter große Grundstück in Wieling zu klein. Das sei ihm auch von Anfang an klar gewesen, erzählt Schuh. Aber in Höhenrain sei er nur Mieter gewesen, also habe er nach einem Grundstück gesucht und es damals nur in Wieling gefunden. Doch im Hinblick auf das von ihm angestrebte weitere Wachstum der Brauerei reichen ihm die dortigen Möglichkeiten nun nicht mehr aus.
Ein Grund also, den Neubau in Starnberg ganz ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Schuh steigt in Verhandlungen mit der Stadt ein - und mit dem Abwasserverband, der beim Wasser ein gewichtiges Wörtchen mitzureden hat. "Zunächst sah alles gut aus, sogar der Stadtrat war einstimmig für das Vorhaben", erzählt Schuh. Auch den Abwasserverband Starnberger See will er damals so verstanden haben, als spräche nichts gegen das Vorhaben. Für die Aufstellung eines Bebauungsplans gibt er Gutachten in Auftrag: "Alles war gut." Denkt er zumindest und zieht nach der Optionskarte im Oktober 2022 die Kaufkarte. "Das hätte ich doch nicht gemacht, wenn ich gewusst hätte, was dann kommen würde."
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Was kommt, ist ein "Nein" vom Abwasserverband. Für die Entsorgung der von Schuh angegebenen Schmutzwassermenge gebe es keine Kapazitäten, lässt Stephanie Rapp, die Geschäftsleiterin des Verbands, auch die SZ auf Anfrage wissen. Man habe Schuh auch bereits immer wieder gesagt, dass eine Entsorgung für die zunächst von ihm geplante Produktionsmenge mit dem vorhandenen Netz und der bestehenden Kläranlage nicht gesichert sei. Die Kapazitäten seien schon jetzt ausgereizt.
Auch Starnbergs Bürgermeister glaubt nicht mehr an eine Realisierung der Baupläne
Ein Ausbau des Netzes nur allein einer Brauerei wegen sei aber nicht machbar, wenn man bedenke, wie viele Defizite aus der Vergangenheit, hauptsächlich Kanalsanierungen, noch anstünden, sagt auch Rathaus-Chef Janik. Und die dienten nun mal der Allgemeinheit, nicht einem einzigen Unternehmer. Und da wäre auch noch das Leutstettener Moos, durch das neue Leitungen verlegt werden müssten: "Mitten durch ein FFH-Gebiet", sagt Janik. "Sehr, sehr problematisch." Hinzu kommen noch ganz andere Probleme: Bei starkem Regen etwa dringe so viel Niederschlag in die Kanäle, dass auch die Kläranlage an ihre Grenzen komme, sagt der Bürgermeister. Deshalb habe sich der Abwasserverband schon recht früh skeptisch gezeigt, so Janik.
Schuh hingegen hätte etliche Ideen, wie all diese Probleme gelöst werden könnten: Etwa selbst Millionen in den Ausbau des Netzes und der Kläranlage zu investieren, wovon auch jeder einzelne Bürger profitieren würde, meint er. "Die müssten den Mehraufwand dann ja nicht selbst zahlen." Zudem könne die Brauerei ihre Produktionskapazitäten zunächst gering halten und erst sukzessive nach oben fahren. "Was eben machbar ist", sagt er. Und das Schmutzwasser? "Das können wir doch erst einmal selbst mit unseren Lastwagen zur Kläranlage bringen, bis da etwas geschehen ist."
Der Brauereigründer will an seinem Vorhaben festhalten
Doch von derlei Vorschlägen wollen weder Stadt noch Abwasserverband etwas wissen. Die Idee etwa, das Abwasser selbst zur Kläranlage zu bringen, hält Janik für "nicht ernst zu nehmen". Verbandschefin Rapp drückt es bürokratischer aus: "Das ist keine gesicherte Erschließung. So lautet auch die Aussage des Landratsamts sowie des Wasserwirtschaftsamts." Zudem solle die Brauerei künftig im Wasserschutzgebiet liegen, wo ein solcher Transport nicht geduldet werden könne. Abwasser außerhalb des ordnungsgemäßen Beseitigungsweges, so erklärt sie, könne als wassergefährdender oder zumindest als gewässerschädlicher Stoff angesehen werden. Ein Ausbau der Kanäle sei aber eine recht langfristige Angelegenheit. Es sei nicht abzusehen, wie lange so etwas dauern werde. "Frühestens in acht Jahren", meint Rathaus-Chef Janik mit Blick auf die Prioritätenliste des Abwasserverbands. "Wenn überhaupt." Denn: In drei Jahren könnten aus dieser vorsichtigen Prognose auch zwölf Jahre werden. Was wiederum nicht anders zu verstehen ist, als ein indirekter Rat an Schuh, das Grundstück in Schorn möglichst schnell zu verkaufen.
Für Schuh ist dies vorerst aber keine Option. Das letzte Wort in dieser Sache sei nicht gesprochen, meint er: "Ich bleibe positiv, weil es immer eine Lösung gibt." In Feldafing hatte sich diese Haltung bewährt. Auch dort hatte es Probleme mit dem Wasser gegeben. Mittlerweile aber wurden Schuh einerseits drei externe Drucktanks genehmigt, um Wasser zu sparen, andererseits billigte ihm das gemeinsame Kommunalunternehmen von Feldafing und Pöcking zu, ein Drittel mehr Wasser verbrauchen zu dürfen. In Starnberg scheint derzeit aber ein Einlenken wenig aussichtsreich. Denn ohne das Plazet des Abwasserverbands könne kein Bebauungsplan aufgestellt werden, sagt auch Janik. "Und dieses Plazet werden wir wohl nicht bekommen."