Kutschenrennen am Starnberger See:Eisenbereift und auf Hochglanz poliert

Lesezeit: 3 min

"Wegen der Pferde bin ich gekommen und wegen einer Frau bin ich geblieben": Nigel Whiting mit der Kutsche, mit der er zum Wettkampf in Bernried antritt. (Foto: Arlet Ulfers)

Nigel Whiting ist einer von 20 Teilnehmern, die dieses Jahr wieder beim Kutschenrennen in Bernried teilnehmen. Dort geht es nicht nur um sportliches Geschick, auch elegant muss man sein.

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Tutzing/Bernried

Das Holz der Kutsche glänzt matt im Sonnenlicht, Federung und Radachsen sind gut geölt. Lediglich an den Kotflügeln sind ein paar Schrammen zu sehen. Die Kutsche sieht aus wie neu, dabei ist sie schon 130 Jahre alt. Zwei Tage lang hat Nigel Whiting den "Privatomnibus" Baujahr 1890 lackiert, poliert, gewienert und das Pferdegeschirr restauriert. Die Sitze im inneren der Kutsche, die mit einem traditionellen Stoff aus England bezogen sind, wurden vom Staub befreit. Nur noch die Fenster müssen geputzt werden. Whiting will am Samstag am 18. Internationalen Wettbewerb für traditionelles Kutschenfahren in Bernried teilnehmen, da muss jedes Detail stimmen. Denn neben der sportlichen Geschicklichkeit wird auch der harmonische Gesamteindruck von Gespann und Fahrer bewertet.

Für den großen Auftritt bei der Präsentation am Samstagvormittag im Klosterhof darf nicht der kleinste Schmutzfleck das Gesamtbild stören. Daher zieht Whiting für das Foto sogar seine Schuhe aus und steigt strumpfsockig auf den Kutschbock. Die Kurbelbremse hat der 67-Jährige gefettet und auf Hochglanz poliert. Sie muss bestens funktionieren, da es in Bernried bei der etwa 14 Kilometer langen Streckenfahrt rauf und runter geht.

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Bergab müsse man bremsen, sagt der in London geborene Engländer. Damit die Kutsche sauber bleibt, wird sie so lange in einer Scheune auf Gut Rösslberg in Tutzing untergestellt. Dort ist Whiting seit 34 Jahren als Gärtner und Hausmeister tätig. In Bayern lebt er schon seit mehr als 40 Jahren. "Wegen der Pferde bin ich gekommen und wegen einer Frau bin ich geblieben", sagt er augenzwinkernd.

Die Passion für Pferde hat er seit seiner Kindheit. Damals hat er viel Zeit im Privatstall seines Onkels verbracht, der Kavallerie-Offizier bei der königlichen Garde war. "Ich war jede freie Minute im Stall", erinnert er sich. Als Kind und als Jugendlicher sei er viel geritten. Daher kam für ihn nur ein Beruf in Frage, der mit Pferden zu tun hat. Während seiner Ausbildung bei dem 10. Duke of Beaufort, bei dem er für die Pflege der Jagdpferde zuständig war, hat er an der Stallwand "wunderschöne, alte Pferdegeschirre" entdeckt. Da war es um ihn geschehen. Seither fährt er nur noch Kutsche. "Man hat die Tradition und das wunderschöne Handwerk Kutschenbau", betont Whiting.

Damit die Kutsche sauber bleibt, ist sie in einer Scheune auf Gut Rösslberg in Tutzing untergestellt. (Foto: Arlet Ulfers)
Die Sitze im inneren der Kutsche sind mit einem traditionellen Stoff aus England bezogen. (Foto: Arlet Ulfers)
Bergab muss gebremst werden, dafür sind die Holzbremsen aus Hartholz da. (Foto: Arlet Ulfers)

Er deutet auf den Türgriff des "Privatomnibusses", der sorgfältig verarbeitet und mit detaillierten Verzierungen versehen ist. "Das handwerkliche Geschick, das die früher hatten, ist etwas Besonderes", schwärmt er. "Das ist schon ein Gedicht." Die Glasfenster können geöffnet werden. Sie werden an Lederscharnieren befestigt. Bei Hitze war es sicherlich für die Mitfahrer eine Wohltat, wenn man auf Reisen Durchzug hatte.

Eine Gepäckablage gibt es nicht. Wie Whiting erklärt, handelt es sich bei dem "Privatomnibus" um eine Kutsche für Tagesausflüge, beispielsweise für ein Picknick. Das sei kein Reisewagen, im Gegensatz zum klassischen Pferdeomnibus. Man habe kein Gepäck mitnehmen müssen. Die Räder sind eisenbereift. Das ist laut Whiting wichtig, wenn man durch die Landschaft fahren will. Eisen sei robuster als die Gummi-bereiften Stadtkutschen.

Kutschenfahren sei nicht nur ein Sport für alte Leute mit Geld, sagt Whiting

Whiting weiß, wovon er spricht. Er ist ausgebildeter Reitsport-Sattler und Geschirrmacher. Seinen Beruf übt er aber nur noch "hobbymäßig" aus, wie er betont. Auch Kutschfahrunterricht und das Training der Pferde bietet er nur noch für Freunde und Bekannte an.

Für den Wettbewerb wird Whiting die zwei polnischen Warmblüter Chakka und Basilia einspannen. Ebenso wie die Kutsche sind auch die Pferde geliehen. Ein eigenes Gespann sei aufwändig und teuer, sagt er. Dennoch sei das Kutschenfahren nicht nur ein Sport für alte Leute mit Geld. Man sei eine eingeschworene Gruppe, ein Freundeskreis, der sich immer wieder treffe.

"Wunderschönes Handwerk": Kutschenliebhaber Nigel Whiting in Steingaden auf einem Postomnibus. (Foto: Arlet Ulfers)
Auch früher hat er schon bei einem Kutschenrennen in Bernried mitgemacht, hier in vornehmem ländlichen Outfit auf einem Privatomnibus. (Foto: Arlet Ulfers)

Normalerweise ist Whiting als Bewertungsrichter tätig. Dass er selbst fährt, ist eine Ausnahme. Als Richter kritisiere man gerne, aber als Teilnehmer könne man zeigen, was dahinterstecke, erklärt er. Whiting verfügt über mehr als 40 Jahre Erfahrung im Kutschenfahren. Daher überlässt ihm sein Freund Andreas Nemitz von "Coaching in Bavaria" in Kerschlach gerne seine Pferde. Andere Fahrer würden regelmäßig trainieren, sagt er. Das mache er nicht, da er die Pferde kenne. Sie seien gut trainiert und er habe sie im Griff.

Das ist wichtig, denn die Hindernisfahrt ist eine Herausforderung für Mensch und Tier. Die Zeit ist begrenzt und der Parcours ist eng gesteckt. Auf jedem Verkehrskegel, der die Stecke begrenzt, ist eine Kugel angebracht. Fährt man zu nah heran und diese fällt herunter, bringt das einen Abzug von zehn Punkten. Für Whiting jedoch ist der Wettbewerb, an dem 20 Gespanne aus Deutschland, Österreich, Italien und der Schweiz teilnehmen, "kein verbissener Wettstreit". Für ihn sei es die Liebe zum Pferd und zur Handwerkskunst, sagt er.

Der Traditionswettbewerb findet am Samstag, 24. Juni, von 9 bis 16 Uhr im Klosterhof in Bernried statt.

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